Auf den Spuren der Ahnen
Datenbanken können Hinweise auf Schicksale alter Verwandter liefern

Von Ralf Blittkowsky

Todd Sedlmayr aus Paintsville in Kentucky entdeckte den Namen seines Onkels in der Auswanderer-Datenbank des Hamburger „Link to your Root"-Projekts. Der Vorfahre des 87-Jährigen war 1894 mit einem Schiff von der Hansestadt aus in die Neue Welt aufgebrochen, aber nie bis Kentucky gekommen. US-Amerikaner haben ein Faible für die Ahnenforschung - dafür, verschollen geglaubte Verwandte zu entdecken. Dabei helfen kann ihnen das Projekt des Hamburger Staatsarchivs, das Passagierlisten von Auswandererschiffen auswertet und ins Internet stellt.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war Hamburg einer der großen europäischen Auswandererhäfen. Die meisten Schiffe mit emigrierenden Passagieren liefen nach Nordamerika aus. Von 1850 bis 1934 ließen sich schätzungsweise fünf Millionen Menschen auf Auswandererdampfern einschiffen. Aus Schlesien, Österreich oder Polen reisten die Emigranten per Zug nach Hamburg, um dort nach einem Gesundheits-Check an Bord zu gehen. Zurück blieben lange Passagierlisten der Hafenverwaltung; im Laufe der Jahrzehnte kamen Millionen von Einträgen zusammen, die Namen und Herkunft, Beruf und Krankheiten verzeichnen.

Gerade einmal vier Jahrgänge (1890 bis 1893) mit 270.000 Namen sind elektronisch verarbeitet. Im Hamburger Stadtteil Wandsbek entziffern 30 Leute mühsam unleserliche Namen in den vergilbten Folianten. Detektivische Kleinarbeit ist angesagt, um Namen zu identifizieren und in eine Datenbank einzuspeisen.

Wer sich auf Ahnenforschung in den Cyberspace begibt, kann die „Link to your Roots"- Daten noch gratis nutzen. Wenn weitere Emigranten-Jahrgänge aufgearbeitet sind, wird die Recherche kostenpflichtig. Das hängt auch davon ab, wie schnell ein Internet- taugliches Zahlungssystem auf der Web-Site eingebunden werden kann. Jürgen Sielemann, Leiter des Hamburger Staatsarchivs, denkt an eine Gebühr unter 50 US- Dollar, um den ehemaligen Wohnort eines eingeschifften Auswanderers zu erfahren. Der Einblick in die Passagierlisten und die Online-Namenssuche bleiben kostenlos.

Die Hamburger Datenbank ist nicht die einzige Quelle für Ahnen- und Familienforscher im Internet. Von Bremerhaven aus fuhren sieben Millionen Menschen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts nach Nordamerika. Da die Passagieraufstellungen zerstört wurden, benutzt die Deutsche Auswanderer-Datenbank die Listen der New Yorker Einwanderer-Insel Ellis Island, um zu ermitteln, wer von Bremerhaven aus in die Vereinigten Staaten eingewandert ist. Über das Netz kann aber nur ein Formular ausgefüllt werden, um die Datenbank für 30 Mark nach Namen abzufragen.

Trotz all dieser Projekte - wer die Ahnenforschung zu einem Hobby machen möchte, sollte den Computer zunächst ausgeschaltet lassen und sich intensiv mit der Familiengeschichte beschäftigen: Eltern und Verwandte nach Namen und Ereignissen befragen, alte Fotografien auswerten und in Stammbüchern und Heiratsurkunden  recherchieren. Erst wenn Namen bis in die dritte oder vierte Generation zurückverfolgt werden können, hat man genügend Informationen beisammen, um genealogische Internet-Datenbanken zu durchsuchen.

Ahnenforscher profitieren am meisten von den Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbestände von Volkszählungen und Sterberegistern, wenn sie online abrufbar sind. Die Recherche in den gigantischen Datenpools kann sich schwierig gestalten. Mancher Nachname ist beim EintrHAPAG-Annonce für Auswandereragen in ein Verzeichnis falsch buchstabiert worden.

 

Ein Plakat aus dem Jahr 1875: Mit der Überfahrt nach New York begann für viele Auswanderer das neue Leben. Heute helfen Datenbanken, Ahnen ausfindig zu machen.

 

Aus Schmitt wurde Schmidt - anderer Name, andere Identität. Da hilft das Soundex-System der amerikanischen Roots-Website: Es ermittelt Nachnamen mit ähnlichen Schreibweisen. Schmitt ist das Beispiel eines Nachnamens, der bei der Einwanderung in die USA in vielfältigen Schreibweisen abgeändert sein konnte. Insgesamt 22 Namensvarianten von Saint bis Sunday listet das Online-Soundex-System auf. Kombiniert mit dem Vornamen Paul kennt das System 60 Millionen Menschen, die im US-amerikanischen Sterberegister verzeichnet sind. Weitere Angaben wie das Geburtsdatum können die Zahl der Treffer verringern.

Für tiefere Recherchen in die Vergangenheit empfiehlt sich das US-Netz der Ahnenforscher Ancestry.com. Das Internetportal gewährt Online-Zugriff auf eine Milliarde Namen von Menschen, die in den vergangenen 150 Jahren lebten. Bis zu 150 Mark kostet die Recherche; frei sind eine einfache Namenssuche und die Anzeige der Anzahl von Fundstellen.

Daneben hat sich auch die Einwanderer-Datenbank der Mormonen in Salt Lake City (Utah) als internationaler Datenpool der Ahnenforschung etabliert. Dort können zwei Milliarden Datensätze mit Menschen verschiedener Nationalitäten abgefragt werden, die teils aus religiösen Gründen nach Nordamerika ausgewandert sind. Die Website, die von der Mormonen-Sekte „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" verwaltet wird, gewährt Zugriff auf amerikanische Namensregister und hat teilweise Registerbestände aus der frühen Neuzeit der europäischen Geschichte erfasst. Die sind allerdings nicht online verfügbar, sondern können lediglich als Mikrofiches in der Bibliothek der Mormonen eingesehen werden. Wer dort sucht, findet kuriose Quellen, wie ein „Liber mortuorum", das die „Verstorbenen der rheinisch-schwäbischen Augustinerprovinz und der neuen deutschen Ordensprovinz von 1650 bis 1950" aufführt oder eine „Totenzettelsammlung des Mitglieds Heinrich Oster".

Trotz weltumspannender Datenbanken: Vor dem gewünschten Erfolg steht eine aufwendige Fleißarbeit. Meist müssen mehrere Datenbanken von Volkszählungen, Sozialbehörden oder Kirchen durchsucht werden; dabei sind auch Hinweise auf   nur   namensverwandte  Vorfahren  zu prüfen.

Und: Auch das nötige Quäntchen Glück gehört dazu. Selbst intensives Recherchieren ist keine Garantie dafür, das Schicksal der gesuchten Person zu klären.

 

Weitere Informationen

Ahnenforschung allgemein:             www.ahnenforschung.net

Projekt „Link to your Roots":         http://www.linktoyourroots.com/index_d.php

Deutsche Auswanderer-Datenbank: www.deutsche-auswanderer-datenbank.de

Einwanderer-Datenbank der Mormonen: www.familysearch.net

Rootsweb:                                     www.rootsweb.com,

                                                    http://resources.rootsweb.ancestry.com/

Frankfurter Rundschau - ca. 2000 (?) - mit freundlicher Erlaubnis der FR