Meister des Köpperner Edelhessisch
August Will hat sich um das „kulturhistorische Erbe" der Stadt verdient gemacht - und erinnert an berühmte Bürger

VON CORNELIA FÄRBER

Friedrichsdorf - „Genowend! Giehts gout? En schiene Grouß!" So könnte August Will, 1931 in Köppern geboren, so circa 1937 zum ersten Mal in den Köpperner Erlenbach gefallen - „da müssen alle Köpperner Buben einmal hinein fallen" - und vor wenigen Tagen mit der Ehrenmedaille der Stadt Friedrichsdorf ausgezeichnet, reden, wenn er wohl gesonnen ist. „Aich haach der aan uff dein Deez, du Dabbes", hätte er sagen können, als letzte Woche sein Enkel in den Erlenbach gefallen ist. Hat er natürlich nicht gesagt. Denn insgeheim hat er sich gefreut.

August Will ist „en aale Keppener", der die Ehrenmedaille nicht bekommen hat, weil er den Köpperner Dialekt noch beherrscht. Den beherrschen einige wenige andere auch noch. Er hat die Sprache festgehalten, genauso, wie die Geschichte Köpperns und Anekdötchen, die ihm im Laufe der letzten Jahrzehnte zugetragen wurden. In Büchern und Veröffentlichungen.

„Köpperner Edelhessisch" etwa heißt ein dicker Wälzer, voll mit edelstem Hessisch, wie „pluggschlaaf" (lahme Frau), „Ängstschisser" (ängstlicher Mann) oder „Gefder" (gefährlicher Mann). „Das klingt sehr derb, aber es ist der beste Dialekt Hessens", sagt Will voller Überzeugung. Einen Ortsführer für Köppern hat er auch geschrieben. „Unser Köppern von A - Z" heißt das alphabetische Nachschlagewerk, für das er Jahrzehnte lang alle möglichen Daten und Fakten auf Karteikarten sammelte.

Da steht zum Beispiel drin, wer Fritz Levermann war (ehemaliger Bürgermeister), warum die Wienerstraße Wienerstraße heißt, was es mit den Tennisplätzen und mit der Landgrafschaft Hessen-Homburg auf sich hat, zu der Köppern gehörte. „Daran arbeite ich natürlich weiter, 2008 gibt es eine Neuauflage", sagt er. Auf 240 Seiten findet man hier - fast - alles über den selbstbewußten Friedrichsdorfer Stadtteil.

Fünf Jahre lang hat der Drogist, der 29 Jahre Inhaber der Köpperner Drogerie Will war, Tag für Tag in seiner Mittagspause die „Chronik von Köppern" zum Teil mit der Lupe entziffert und mit der Schreibmaschine abgetippt. Der Lehrer Heinrich Blaß hatte sie um 1900 in Altdeutscher Schrift verfaßt.

„Würdigung seiner besonderen Verdienste um das kulturhistorische Erbe der Stadt" steht auf der Urkunde, die der Bürgermeister ihm vor einer Woche überreicht hat. Das kulturhistorische Erbe ist es auch, was er der jüngeren Generation mit auf den Weg geben will. Und den Politikern am liebsten auch. „Historische Wanderungen und Führungen sollten Pflicht für alle Ortspolitiker sein. Die kennen die Geschichte der Stadt, die sie vertreten, doch gar nicht mehr", meint Will.

Seine Liebe zur Ortsgeschichte hat er selbst bei Wanderungen mit dem Taunusklub, für den er vier Jahrzehnte aktiv war, gefunden. „Julius Foucar hat mich mit 20 Jahren für Natur und Heimatgeschichte begeistert", erinnert sich der 75-jährige Will.

Von 1951 bis 1996 hat er Jugendarbeit, Wanderführungen und Wegebezeichnungen für den Taunusklub gemacht, die heute noch offiziellen Wanderkarten erstellt und herausgegeben, das Wegenetz im gesamten Taunusgebiet - zwischen Rhein, Lahn und Wetterau - neu organisiert und markiert. Eine Arbeit, für die der Tag eigentlich 48 Stunden haben müßte, um sie zu bewältigen.
 

Nachhilfe in Sachen Würdigung

Jetzt hilft Will Politikern und Historikern immer mal wieder auf die Sprünge, wenn es darum geht, sich an berühmte Bürger zu erinnern und diese auch entsprechend zu würdigen. Veröffentlichungen und Vorträge wie „Denkmäler für Philipp Reis" oder „Soll Friedrichsdorf Philipp Reis verkaufen?" trugen dazu bei, den Telefonerfinder nicht kampflos seiner Geburtsstadt Gelnhausen zu überlassen.August Will, Köppern

Daß die Köppernerin Tony Werntgen mittlerweile fast völlig vergessen ist, will er spätestens 2009 ändern. Dann wird, kaum einer wird es wissen, die Köpperner Fluggeschichte 100 Jahre alt. „Das weiß kein Mensch mehr", beginnt er zu erzählen. „Tony Werntgen war die erste Frau, die ein Flugzeug konstruiert hat. 1909 hat sie an der Teichmühle das erste Deutsche Flugtechnische Institut gegründet. Das ist später nach Hangelar bei Bonn umgezogen. Dort wurden der Frau und ihrem Sohn Bruno, der mit nur 18 Jahren tödlich abstürzte, ein Ehrengrab gewidmet."

Zum 100. Jahrestag hofft Will, daß „wenigstens ein Paar Groschen für eine Tafel oder ein Denkmal" herausspringen. Das sei Köppern der Tony Werntgen allemal schuldig, auch wenn ihre Flugzeuge „nie groß vom Boden weggekommen sind. Meist nur vier Meter, dann sind sie im Feld gelandet."

 

PORTRÄT

  • August Will wurde 1931 in Köppern geboren. Die Geschichte seiner Köpperner Vorfahren kann er bis 1642 zurück verfolgen.
  • Im Taunusklub Köppern war er von 1951 bis 1996 Mitglied, davon viele Jahre Vorstandsmitglied und Hauptwegewart des Gesamt-Taunusklubs in Frankfurt.
  • Den „Heimatkundlichen Arbeitskreis im Taunusklub Köppern" gründete August Will 1984. Damit verbunden war die Übertragung und Veröffentlichung der handschriftlichen „Chronik von Köppern" (um 1900 von Heinrich Blaß herausgegeben)
  • „Köpperner Edelhessisch" und „Unser Köppern von A-Z" sind weitere Veröffentlichungen von August Will
  • Die Ehrenmedaille der Stadt Friedrichsdorf erhielt August Will am vorigen Wochenende. FB

Frankfurter Rundschau – 29.9.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR