Fräulein vom Amt
Friedrichsdorf: Philipp-Reis-Haus erinnert an Anfänge der Telefonie

Von Anton J. Seib

Das Haus in der Hugenottenstraße 93 fällt nicht besonders ins Auge. Aber das historische Gebäude hat es in sich. Dort tüftelte der Lehrer, Physiker und Erfinder Philipp Reis an seiner Erfindung, die die Welt revolutionierte: dem Telefon. Heute beherbergt es ein kleines Museum, das an das Leben des bedeutendsten Sohnes der Stadt erinnert. Und weil das Museum schon heute aus allen Nähten platzt, fiel auch die vor kurzem eröffnete neue Abteilung zur Technik- und Kulturgeschichte des Telefons viel zu klein aus. Gerade mal an zwei Wänden hatte Museumsleiterin Erika Dittrich Platz, um Besuchern einen kurzen Überblick über die Geschichte und Geschichten der Telekommunikation zu geben.

Da ist das Fräulein vom Amt, die ferne und doch so nahe Unbekannte in der Vermittlungsstelle. Ohne sie ging nichts, sie war es, die Teilnehmer miteinander verband, was manchmal etwas länger dauerte. Ungeduldige Herren, die mit den geheimnisvollen Fräuleins anbandeln wollten, bissen auf Granit: „Die Fräuleins hatten Anweisung, in solchen Fällen ihren Standardspruch aufzusagen: "Besetzt, melde wann wieder frei'", erzählt Erika Dittrich.Philipp Reis - Gartenlaube_(1863)_809_1

Nach 1900 wurden die Damen der Vermittlung allmählich überflüssig. Ein amerikanischer Bestattungsunternehmer erfand die Wählscheibe. Er hatte Angst, Aufträge an Konkurrenten zu verlieren, wenn das Fräulein mithört.

Solche Geschichten leben auf mit einem Blick auf die Galerie der 18 Apparate, die an den Wänden im Obergeschoß installiert sind, vor einer Zeitleiste und thematischen Collagen. „Anfassen ist ausdrücklich erlaubt", ermuntert die Museumsleiterin. An einigen Apparaten können die Besucher sich kurze Hörspiele rund ums Thema Telefon anhören. Das Spektrum reicht von einem Prüfschrank aus dem 19. Jahrhundert über den hölzernen Wandfernsprecher STFM, einen Feldfernsprecher aus dem Ersten Weltkrieg bis hin zum Handy moderner Prägung. Apropos Handy: Bereits 1928 konnten Fahrgäste aus dem Fernzug Berlin - Hamburg kabellos telefonieren - wenn sie es sich leisten konnten.

Privatsammlung geschenktPhilipp Reis-telephone-zeichnung_1

Möglich wurde die neue Abteilung durch eine Schenkung der Privatsammlung von Herbert Krist. Das Konzept und die Gestaltung hat Erika Dittrich mit dem Birsteiner Gestalter Thomas Scheuermann erarbeitet. Die Hörspiele texteten Dittrich und die Museumsvolontärin Ulrike Mecke. Das Projekt kostete rund 19.000 Euro. Die Hälfte schoß der Hessische Museumsverband zu.

Ein weiterer Ausbau des Museums ist bereits ins Auge gefaßt. In den neuen Räumen soll die rasante Entwicklung des Mobiltelefons dokumentiert werden. Bleibt zu hoffen, daß die Stadt, in deren Mauern immerhin eine der revolutionärsten Erfindungen gemacht wurde, damit einen etwas größeren Wurf wagt.

Das Philipp-Reis-Haus, Hugenottenstraße 93, hat Dienstag und Donnerstag von 9 bis 16 Uhr geöffnet.

Frankfurter Rundschau - 15.5.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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