Die Geister der Vergangenheit
Historiker Manfred Kopp enthüllt neue Erkenntnisse zum Camp King

Von Jürgen Streicher

Manfred Kopp ist ein Spurensucher. Das ist sein Hobby. Der ehemalige Pfarrer und leidenschaftliche Historiker hat viele Spuren im früheren Camp King gefunden. Reichssiedlungshof der Nationalsozialisten zur Heranbildung bäuerlicher Siedler, Kriegsgefangenenlager Dulag Luft, in dem abgeschossene Piloten der alliierten Streitkräfte verhört wurden, „Organisation Gehlen", amerikanische Spionageabwehr (CIA) - die Geschichte des Camp King ist lang und viel ist darüber geschrieben worden. Lange Zeit geheime Quellen, die erst im neuen Jahrtausend zugänglich gemacht wurden, verarbeitet Manfred Kopp in seinem Beitrag zum Jahrbuch des Hochtaunuskreises.

Die Geister der Vergangenheit bestimmen den Blick auf Oberursel in diesem 19. Band, der vornehmlich der Hessentagsstadt 2011 gewidmet ist. „Im Camp King kann man noch heute den Geistern der Vergangenheit begegnen", zitiert Kopp am Ende seines Blicks auf die historische Stätte einen Veteran, der als Pilot 1944 im Durchgangslager Luft als Gefangener verhört wurde. Der Historiker hat die Geister in zuvor unveröffentlichten Dokumenten gefunden. War das Camp King am Waldrand tatsächlich eine Zweigstelle des „Unternehmen Artischocke"? Als Ziel war formuliert worden: „Die Entwicklung von Methoden, mit denen sich Informationen von Gefangenen gewinnen lassen, unabhängig von deren Bereitschaft zur Kooperation, aber ohne die Anwendung physischer Gewalt", zitiert Kopp aus den durchforsteten Schriften. In dieser Zeit, Anfang der 50er Jahre, hat es wohl auch Tests mit Pharmaka an Menschen gegeben, das Wort Gehirnwäsche fällt, Nazis, Gefangene, Russen - ein spannender Rückblick in eine Oberurseler Zeit, die nur wenige der heutigen Einwohner miterlebt haben.

Fünf Ordner füllt laut Kopp die Akte zum Feindobjekt „Camp King" beim „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes". Als eine der gefährlichsten zentralen Dienststellen des US-Geheimdienstes in Europa wird es dort definiert. Und es ist bestimmt ein Schmankerl für interessierte Leser, daß auch Kanzler-Spion Günter Guillaume einst kurzzeitig in Oberursel lebte. Auch davon weiß Manfred Kopp zu berichten.

Dienststelle von US-Agenten

Die Geister der Vergangenheit beschwören viele Autoren bei der Darstellung Oberursels, für das der Hessentag ein Höhepunkt seiner Geschichte werden soll. Die Historikerin Angelika Rieber etwa mit ihrem Blick auf die Christen jüdischer Herkunft in der Stadt und das Trauma der Judenverfolgung. Autoren wie die Historikerin Marion Unger, Stadtarchivarin Andrea Bott, Kirchenforscher Josef Friedrich und Mühlen-Experte Jürgen Fischer blicken noch viel weiter zurück, bis zu den Anfängen der Stadt. Alles lesenswerte, spannende Geschichten.

HOCHTAUNUS-SEITEN

Die Hessentagsstadt Oberursel steht im Mittelpunkt des Jahrbuches 2011 für den Hochtaunuskreis. Mehr als ein Dutzend Geschichten sind der zweitgrößten Stadt im Taunus gewidmet.

Der 19. Band des Jahrbuches ist im Societätsverlag erschienen. Es kostet 10 Euro und ist im Buchhandel und im Bürger-Info-Service des Landratsamtes, Bad Homburg, Ludwig-Erhard-Anlage, erhältlich. Jus

Frankfurter Rundschau - 22.12.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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