Brunnen- und Badebetriebe im Kronthal
Von Konrad Schneider

Voraussetzungen und erste Belege

Am Fuß des von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Taunus tritt zwischen Wiesbaden und Bad Nauheim eine Reihe von Mineralquellen ans Licht, von denen die meisten Kohlensäuregas, Kochsalz, Calciumhydrogenkarbonat und Eisenhydroxid enthalten. Warme bis heiße Quellen oder Thermen entspringen nur in Schlangenbad, Wiesbaden und Bad Soden. Wie ein großer Teil der übrigen Mineralquellen sind sie Belege für einen Restvulkanismus. Die meisten Taunusquellen sind wegen ihres hohen Gehaltes an Kohlensäuregas (CO2) als Säuerlinge zu bezeichnen. Sie enthalten bestimmte gelöste feste und gasförmige Stoffe, insbesondere Chloride, Sulfate und Karbonate bei den Anionen und die Alkalimetalle Natrium, Calcium und Magnesium bei den Kationen. Die Kronthaler Quellen sind reich an Kochsalz, chemisch gebundenem Eisen und CO2. Bei den gasförmigen Bestandteilen dominiert Kohlensäuregas; einige Quellen enthalten auch an seinem untrüglichen Geruch nach faulen Eiern erkennbaren Schwefelwasserstoff.

Nach der bis zur EU-Verordnung von 1980 gültigen deutschen Tafelwasserverordnung von 1934 durften nur solche Wässer als Mineralwasser bezeichnet werden, die in 1 kg mindestens 1.000 Milligramm gelöste Salze oder 250 Milligramm freies Kohlendioxid enthielten; bei Säuerlingen mußten es sogar 1.000 Milligramm freies Kohlendioxid sein. Nach der durch die Europäische Union zustande gekommenen Mineral- und Tafelwasserverordnung von 1984 durften diese Werte unterschritten werden, wenn die Wässer besondere ernährungsphysiologische Wirksamkeiten besaßen, so daß die Anzahl der deutschen Füllbetriebe stark zunahm. Diese waren vorher im Wesentlichen auf das Rheinland, den Taunus und die Wetterau konzentriert, auch wenn es außerhalb dieser drei Landschaften einige nennenswerte Brunnenbetriebe mit hochmineralisierten Wässern gibt.

Wegen ihres angenehmen Geschmacks werden kohlensäuregashaltige Wässer seit Jahrhunderten gerne getrunken. Als im 16. Jahrhundert der Versand von Mineralwasser aufkam, begann ein reges Geschäft mit den sprudelnden Wässern, die zunächst und in erster Linie als Heilwässer geschätzt und ab dem 19. Jahrhundert zunehmend

als Tafelgetränk getrunken wurden. Die Kronthaler Quellen wurden erst nach 1875 für den Wasserversand professionell erschlossen und das Sauerborntal zwischen Kronberg und Mammolshain Standort von zwei konkurrierenden Abfüllbetrieben.

Auf engem Raum liegen in Bad Soden, dem heute zu Bad Soden gehörigen Neuenhain und im Kronthal Mineralquellen unterschiedlicher Art. Einige der Sodener Quellen wurden vom 19. bis nach der Mitte des 20. Jahrhunderts als Heilwasser versandt. Wegen ihres hohen Mineralgehaltes und Reichtums an Kochsalz, der Soden bis ins frühe 19. Jahrhundert zum Standort einer Saline machte, sind die Sodener Mineralwässer bis auf den Neuenhainer Stahlbrunnen, einen wohlschmeckenden Eisensäuerling, wegen ihres intensiven Geschmacks nicht als Tafelwasser geeignet. Auch im benachbarten Bad Homburg v.d.H., das ebenso wie Bad Soden bis ins frühe 19. Jahrhundert Standort einer Saline war, wurde bis ins 20. Jahrhundert Mineralwasser versandt.

Erste präzisere schriftliche Belege über den schon vorher bekannten Kronberger Sauerbrunnen stammen aus dem 1568 zwischen den am Kronthal beteiligten Landesherrschaften, dem Grafen Ludwig II. von Stolberg-Königstein und den Rittern von Kronberg als Inhabern der Herrschaft Kronberg geschlossenen Grenzvertrag. Der erst 1572 ratifizierte Vertrag, dem 1578 die Aussteinung der Grenze zwischen Kronberg und Mammolshain folgte, erwähnt den Sauerbrunnen (Nr. 1), der genau auf der Grenze lag und beiden Herrschaften gemeinsam gehörte, und die angrenzenden Salzwiesen, aus denen heute weitere Quellen entspringen. Kurze Zeit später erwähnen Winter und Tabernaemontanus den Kronberger Sauerbrunnen. Beide Landesherrschaften fielen nach dem Aussterben ihrer Regenten an Kurmainz als Lehensherrn, die Grafschaft Stolberg-Königstein bereits 1581 und die Herrschaft Kronberg 1704. Als Kurmainz Ende des 18. Jahrhunderts Mineralbrunnen in Oberlahnstein und Weilbach bei Flörsheim sowie den Werkerbacher Brunnen erschloß und einen allerdings nicht besonders erfolgreichen staatlichen Brunnenbetrieb begründete, gehörte der jetzt ganz kurmainzische Kronthaler Brunnen nicht zu den gewerblich genutzten Quellen. Er wurde allerdings wie andere öffentliche Quellen und Mineralbrunnen von der örtlichen Verwaltung unterhalten, gereinigt und bei Bedarf neu gefaßt, so nachweislich 1618 und 1790. Ältere Fassungen bestanden meist aus Eichenbalken, die vergleichsweise unempfindlich gegen das chemisch aktive Wasser waren.
Gewerbe im Kronthal - 1784

Abb. 14:
Ausschnitt aus der Karte von J.A. Weygand (1784) mit dem Schafhof und den Kronthaler Quellen.

Im Jahr 1803 fiel der Kronthaler Brunnen gemeinsam mit dem übrigen kurmainzischen Besitz im Taunus an Nassau-Usingen, das ab 1806 zusammen mit Nassau-Weilburg das Herzogtum Nassau bildete. Das neue Herzogtum betrieb ein Brunnenmonopol der Domänenverwaltung und verfügte 1843 im eigenen Land über 135 Mineralquellen. Die wichtigsten nassauischen Versandbrunnen waren die von Niederselters, Fachingen, Bad Schwalbach (damals Langenschwalbach), Bad Ems und Weilbach bei Flörsheim, das ein schwefelwasserstoffhaltiges Heilwasser vertrieb. Im Jahr 1816 wurden die Mineralbrunnen des nassauischen Domänenbesitzes der Generaldomänendirektion als Teil der herzoglichen Domänenverwaltung unterstellt. Bis 1866 gehörten die staatlichen Brunnen in Nassau als Domänenbesitz zur Finanzverwaltung und gingen dann in die Finanzverwaltung der preußischen Regierung Wiesbaden über.

Der Topograph Demian geht in seiner gerade für die Mineralbrunnen sehr genauen und 1823 erschienenen Beschreibung von Nassau auch auf den Kronthaler Sauerbrunnen ein, den er als reich an Eisen, Salz und Schwefel beschreibt, als eher lau denn kalt und besonders hilfreich bei chronischen Beschwerden. Schon 1806 wurde Wasser aus dem Kronthal durch Nassau amtlich untersucht, hier aus der „Salzquelle am Schafhof' (Nr. 2), ohne daß Ergebnisse überliefert sind. 1811 ließ Assessor Johannes Eberlein von der Sanitätskommission in Wiesbaden Kronthaler Wasser untersuchen, das zu wenig Salz enthielt, um eine Saline zu betreiben, aber als Gesundbrunnen brauchbar war. Es schmeckte angenehm und perlend, wohl salzig, aber nicht unangenehm.

Johann Isaak von Gerning (1767 - 1837) lieferte 1821 eine recht genaue Beschreibung des Sauerbrunnentals mit seinem Brunnen, der von den Bewohnern der Nachbarschaft aufgesucht und dessen angeblich nicht versandfähiges Wasser für den häuslichen Gebrauch in Krüge abgefüllt wurde. Bodenfunde wie alte Fassungen zeigen, daß auch an anderen Stellen Versuche unternommen worden waren, Quellen zu erschließen, doch keinen dauerhaften Erfolg hatten. Auch in dieser Zeit wurde der Brunnen gereinigt und von Amts wegen in Stand gehalten. Das zuständige nassauische Amt Königstein ordnete 1822 einen pfleglichen Umgang mit dem Brunnen an und untersagte jede Verunreinigung. Daher sollte jeder vor dem Füllen seine Krüge am Schwenkbrunnen zum Reinigen ausspülen und sich auch selbst die Hände waschen. Frauen sollten ihr Haar aufstecken und ein Hineinfallen einzelner Haare in den Brunnen verhindern.

Erste Versuche einer Quellennutzung durch Ferdinand Küster

Dr. Ferdinand Küster, der 1818 als Amtsarzt nach Kronberg kam, entdeckte, erwarb und erschloß weitere Quellen im Sauerborntal und wurde zum Pionier des Kronthaler Bade- und Kurbetriebs. Im Jahr 1820 bemerkte er, daß der alte Sauerbrunnen 1790 in einem zehn Fuß (rund 3 m) tiefen quadratischen Becken in Eichenbohlen gefaßt worden war und berichtet von einem alten versiegten Brunnen mit zerstörter Fassung, der mehr auf Mammolshain zu gelegen war. Für einen Abfüllbetrieb sah er einen sicheren Absatz von 40.000 Krügen im Jahr. Doch die nassauische Landesregierung als zuständige Behörde für die innere Verwaltung lehnte sein erstes Gesuch von 1819 ab. Küster ließ nicht locker und schlug der Regierung 1820 die Neufassung der alten Quelle und die Fassung der benachbarten Salzquelle vor, die in einer sumpfigen Wiese entsprang, die nach 1836 trockengelegt wurde. Es gelang ihm jedoch nicht, die der Stadt Kronberg gehörende Quelle zu erwerben, wohl aber eine benachbarte Wiese mit zwei Quellen. Herzog Wilhelm von Nassau (1816 - 1839) gewährte ihm einen Zuschuß von 500 Gulden zur Fassung, die 1821 abgeschlossen war. Aus Dankbarkeit gab Küster der Salzquelle den Namen „Wilhelmsquelle". Bei der Fassung wurden Reste einer früheren Fassung gefunden. Später, so nach dem Eintrag im Gemeindeprotokoll vom 17. Oktober 1877, hieß der städtische Sauerbrunnen „Wilhelmsquelle" und darf daher nicht mit Küsters Salzquelle verwechselt werden.

Im Jahr 1822 erhielt Küster die Baugenehmigung für sein Kurhaus und 1826 eine herzogliche Konzession für den Kurbetrieb. Zugleich kündigte er einen Wasserversand an, erhielt jedoch keine Genehmigung, die Krüge mit einer Krone als Markenzeichen (für Kronthal) zu schmücken. Küster annoncierte, daß sein Wasser bei bestimmten Händlern in Frankfurt, Darmstadt, Höchst und Wiesbaden zu haben sei. An der Quelle kosteten 100 ganze Krüge 11 Gulden, 100 halbe Krüge 8 Gulden, während bei den Händlern 13 bzw. 10 Gulden zu bezahlen waren. Wer eigene Krüge zum Brunnen brachte, zahlte für Füllen, Verkorken und Versiegeln 4 bzw. 3 Gulden. Damit konnte Küster mit den nassauischen Domanialbrunnen konkurrieren, denn jeweils 100 Niederselterser und Fachinger Krüge kosteten 13 Gulden, Weilbacher 11 Gulden und Bad Schwalbacher nur 10 Gulden. Küster setzte bei seinen Kuren die Bestandteile Eisen, Salze und Kohlensäuregas gezielt ein und zog 1827 ins Kronthal um.

Küster erwähnte 1826 vier Quellen, den alten Sauerbrunnen (Nr. 1), die Trinkquelle und spätere Stahlquelle (Nr. 3), die in ein 9 Fuß tiefes und 4 Fuß weites Becken gefaßt war, seine Wilhelms- oder Salzquelle (Nr. 2) und eine noch nicht analysierte Schwefelquelle mit dem für eine Reihe von Mineralquellen charakteristischen Geruch nach Schwefelwasserstoff. Diese spielte zunächst keine Rolle und wurde auch nicht gefaßt. Womöglich wurde sie 1926 in die Erschließung weiterer Quellen einbezogen. Ebenfalls 1826 veröffentlichte er Heilanzeigen und kündigte den Versand in neuen Krügen an, die ein Wappen mit der Umschrift CRONBERG trugen und zum Schutz gegen Fälschungen eigens gesiegelt waren. Für die Fassungen der neu erschlossenen Quellen wurde wiederum Eichenholz verwendet.

Gewerbe im Kronthal191

Abb. 15:
Anzeige über den Verkauf von Kronthaler Wasser 1827.
 

Es folgte eine Holzhütte als erstes Badehaus. Küsters Pläne gingen noch weiter: Noch im selben Jahr wollte er eine Aktiengesellschaft für ein Kurhaus und eine Spielbank gründen. Als diese nicht zustande kam, plante er dennoch ein Wohn- und Badehaus mit Nebengebäuden.

Die Aussichten auf wirtschaftlichen Erfolg waren dabei nicht gut, denn in Nassau gab es bereits eine Reihe von eingeführten Kur- und Badeorten mit entsprechender gastronomischer und kultureller Infrastruktur, von denen die Bade- und Brunnenbetriebe in Bad Ems, Bad Schwalbach und Schlangenbad in der Hand der Domänenverwaltung waren. Hinzu kam die aufstrebende Landeshauptstadt und herzogliche Residenz Wiesbaden mit einem großen Kurhaus, Parkanlagen, privaten Badehäusern und entsprechendem gesellschaftlichen Leben. In Bad Homburg v.d.H. im Nachbarstaat Hessen-Homburg entstand ebenfalls ein staatlich geförderter Kurbetrieb mit Spielbank. Bescheidener, aber dennoch erfolgreich, entwickelten sich auch in Bad Soden und an der Schwefelquelle im Flörsheimer Stadtteil Weilbach Kur- und Badebetriebe. Kronthal war zu abgelegen; die benachbarten Orte Kronberg, Mammolshain und Schwalbach boten weder Komfort noch die von den zahlungskräftigeren Kurgästen erwartete Zerstreuung.

Im August 1827 unternahmen der nassauische Generaldomänendirektor Ludwig Christian von Rößler und Bergrat Christian August Schapper eine Reise zu Brunnen in Nassau. Im Kronthal stellten sie ein nicht gewöhnliches Sauerwasser fest, zu dessen Nutzung Investitionen erforderlich waren, und nahmen Küsters kleines Pächter- und Badehaus zur Kenntnis. Die unfern von seinen Quellen gelegene Gemeindequelle war trüb und wurde von Küster offenbar abgegraben. Der Wasserverkauf aus dem Kronthal war mit eigenen Krügen mit der Aufschrift CRONBERGER MINERALWASSER in Gang gekommen. Rößler und Schapper zählten Kronthal zu den Quellen, die eine gewisse Konkurrenz für die nassauischen Domanialbrunnen in Niederselters und Fachingen bedeuten könnten. Die Generaldomänendirektion bekämpfte Küsters Unternehmen jedoch nicht, sondern unterstützte es wohlwollend.

Von Anfang an bestanden Spannungen zwischen der Stadt Kronberg und Küster, die diesem vorwarf, durch das Ziehen eines Grabens und die Fassung der Salzquelle dem städtischen Sauerbrunnen das Wasser abgegraben zu haben. Hinzu kamen Beschwerden von Kronberger Wasserholern gegen Küster, sie beim Füllen ihrer Krüge behindert zu haben. Im Jahr 1832 beschwerte sich Küster über den Verkauf von Wasser aus seinen Quellen durch die Einwohner der Nachbarorte bis nach Frankfurt a.M. und erreichte ein Verbot durch das Amt Königstein. Die Spannungen eskalierten zu heftigen Streitigkeiten, bei denen der Stadtschultheiß Hembus Küster immer wieder beschuldigte, die städtischen Rechte am Sauerbrunnen einzuengen. Der Amtmann in Königstein machte zur Güte den Vorschlag, daß Küster und die Stadt den alten Brunnen neu fassen und sich die Kosten teilen sollten.

Erst im Oktober 1832 konnte Küster nach umfangreichen Kreditaufnahmen mit den Bauarbeiten beginnen; das spätklassizistische Wohn- und Kurgebäude mit dem Zwerchhaus - heute Teil des Altersheims des Frankfurter Heiliggeisthospitals - war im Juli 1833 fertig und hatte im Erdgeschoß acht Badekabinette. Bei den Kreditverträgen mit der Stadt mußte Küster den Bewohnern von Kronberg, Königstein und Mammolshain den freien Zugang zu seiner Quelle gestatten. Bemühungen um den Ankauf der Gemeindequelle blieben vergeblich. 1835 stieß Küster auf seinem Grund und Boden in sumpfigem Gelände auf eine alte Mineralquelle, die zehn bis fünfzehn Fuß vom alten Sauerbrunnen entfernt und in Richtung des Mammolshainer Wäldchens gelegen war.

Dabei fand er eine sehr schadhafte alte Fassung, durch die Süßwasser („wildes Wasser") eindrang, ebenso alte Krugscherben als Belege früherer Nutzung. Als er 1836 seine Quellen überbauen und die Fassungen verändern wollte, erhob die Stadt Protest. Das Ergebnis der erneuten Auseinandersetzung - auch wegen der Trübung des Wassers der städtischen Quelle - und unter Herbeiziehung von Gutachtern war eine 1836 vorgenommene und zwei Jahre später verbesserte Neufassung, da Küsters Quelle und die der Stadt unterirdisch zusammenhingen. Als die Stadt ihre Quelle 1836 neu fassen ließ, reagierte Küster aus Sorge um seine Quellen sofort. Die stets schwelenden Streitigkeiten zwischen Küster und der Stadt lebten erneut auf, als er 1840 einen Teich für eine Kaltwasserheilanstalt anlegen ließ und jetzt die Stadt um ihren Brunnen fürchtete. Im gleichen Jahr entstand ein neues, ganzjährig betriebenes geräumiges Badehaus, in dem auch Bäder nach der Methode von Prießnitz, Regenbäder, verbesserte Gasbäder und Gasklistiere verabreicht wurden. Weitere Möglichkeiten waren Kuren mit Kräutersaft und Molke. Küster setzte auch durch, daß die Wasserholer aus der Umgebung vor neun Uhr morgens kein Wasser holen durften.

Der bei den Kronbergern aufgestaute Groll entlud sich im Revolutionsjahr 1848 in einem allerdings wirkungslosen Gesuch, Küster zu versetzen. 1850 wollte Küster seine Wilhelms- oder Salzquelle neu fassen lassen und legte eine Zeichnung für die Fassung in einem Schacht mit kegelstumpfförmigem Längsschnitt vor. Die Stadt stimmte unter dem Vorbehalt zu, daß keine der anderen Quellen beschädigt würde. Im Oktober 1850 beklagte sie sich, ihre Quelle habe durch das Abpumpen in Küsters Quelle schweren Schaden gelitten. Daraufhin wurden die Bauarbeiten abgebrochen und die Baustelle amtlich untersucht. Als er ohne eine Baugenehmigung weiter baute, wurde ihm sogar Arrest angedroht. Küsters letzte Jahre bis zu seinem Tod während einer Typhusepidemie am 25. April 1854 waren mit weiteren Streitigkeiten angefüllt.

Als die nassauische Landesregierung im Jahr 1855/56 eine Erhebung aller Mineralquellen im Land betrieb, meldete die Gemeinde Mammolshain keine einzige, während Kronberg von drei benachbarten Quellen berichtete, die bei einem Durchmesser von 4 bis 5 Fuß rund 25 Fuß tief und mit quadratischen Feldsteinen aufgemauert waren. Die nördliche der drei, die Salzquelle (Nr. 2), hatte eine mehrere Fuß hohe runde Einfassung von rotem Sandstein. Ihr Wasser war teilweise von rotgelbem Schaum überzogen und auch im Brunnen von gleicher Farbe, hatte einen etwas „widerlichen" Geschmack und wurde nicht zum Trinken genutzt. Die beiden südlich gelegenen sprudelten stärker und waren im Geschmack schwach säuerlich. Die westliche galt als Stahlwasser (Nr. 3) und wurde vorzugsweise zum Trinken genutzt, während der östliche Gemeindebrunnen (Nr. 1) etwas trübe war.

Küsters Sohn Rudolf, der zeitweilig in „Bad Kronthal" tätig war, veröffentlichte 1856 einen Bericht über die vergangenen Jahre. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Bad fünf Gebäude mit Nebengebäuden, darunter ein Badehaus mit 19 Kabinen für verschiedene Anwendungen: Wannenbäder, Duschbäder, Regenbäder, Sitzbäder und kohlensauere Gasbäder sowie Möglichkeiten zur inneren Anwendung von CO2. Angeboten wurden auch Molke und Heilgymnastik. Küsters Quellen, die Stahlquelle mit 13,75° C und die Salzquelle mit 16,25° C, wurden 1853 und 1854 von Dr. Julius Löwe aus Frankfurt a.M. analysiert. Weitere Analysen folgten. Die Mineralisation von Mineralwässern schwankt und hängt auch von der Qualität der Fassung ab, die kein Süß- oder „wildes" Wasser eindringen lassen soll. Die Kronthaler Quellen sind alle stark eisen- und kochsalzhaltig. Nach heutiger Terminologie ist die Salzquelle ein Natrium-Chlorid- Hydrogencarbonat-Säuerling, der Stahlbrunnen ein arsenhaltiger Natrium-Calcium- Hydrogencarbonat-Säuerling und der städtische Wilhelmsbrunnen ein eisenhaltiger Natrium-Chlorid-Hydrogencarbonat-Säuerling. Um 1900 betrugen die gelösten Bestandteile bei der Wilhelmsquelle 2,9 g, beim Kronthalbrunnen 5,2 g und beim Stahlbrunnen 4,3 g je Liter. Der Eisengehalt betrug bei der Wilhelmquelle 14 mg, beim Kronthalbrunnen 9 mg und bei der Stahlquelle 8 mg pro Liter. Auch in den Jahren nach Küsters Tod wurde Kronthaler Wasser abgefüllt und war in Frankfurt a.M. für 6 Kreuzer je Krug zu haben. Trotz dieses Verkaufs läßt sich kein organisierter Füllbetrieb und Versand nachweisen.

Johann Adam Hermann Osterrieth, die Frankfurter Aktiengesellschaft und das Kurhaus

Schon 1823 zog der Mineralwasserreichtum im Kronthal ein Konkurrenzunternehmen an. Der Frankfurter Kaufmann Johann Adam Hermann Osterrieth (1792 -i868) erwarb auf Mammolshainer Flur eine Wiese und baute drei Jahre später ein Haus. Der Kronberger Gemeindevorstand war bereit, der neuen Gesellschaft den Gemeindebrunnen zu überlassen, wenn der Kurbetrieb auf Kronberger Gemarkung errichtet würde. Osterrieth erschloß eine Quelle im Badbachtal (später Bismarckquelle, Nr. 4). Dabei kamen Reste einer alten Eichenholzfassung und möglicherweise römische Funde ans Tageslicht. Die Quelle wurde neu gefaßt, eine Werbeschrift folgte und enthielt bereits ein Siegel für die Krüge zum Wasserversand. Küster protestierte und reagierte mit der Bemerkung, es handle sich nur um Mammolshainer und nicht um Kronberger Wasser, zeigte die Konkurrenz wegen illegalen „Bohrens" nach Mineralwasser an und erreichte ein entsprechendes Verbot durch das Amt Königstein. Der Konkurrenzbetrieb konnte keinen Füllbetrieb mit entsprechendem Vertrieb aufbauen, denn ihm fehlten die ertragreichen Quellen - er war zu spät gekommen. Dennoch füllte er im Sommer 1827 in kleinem Umfang Wasser ab und vertrieb es nach Frankfurt a.M.

Osterrieth, der Architekt Rudolf Burnitz (1788 - 1849) und weitere Frankfurter Geschäftspartner gründeten 1831 mit landesherrlicher Genehmigung den „Kronthaler Actien-Verein", auch „Aktiengesellschaft zur Errichtung einer Cur-Anstalt im Cronenthal bei Cronberg", die auf ihrem Grund und Boden Quellen suchen, fassen und verwerten durfte. Nach der Erwirkung einer Baugenehmigung errichteten Osterrieth und seine Partner 1832/33 ein Kur- und Badehaus mit Gastronomie, so daß jetzt zwei Kurbetriebe im Kronthal um die Gunst der Gäste warben, wobei der Betrieb der Aktiengesellschaft nicht über genügend Badewasser verfügte. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, schon 1835 einen stattlichen und das Kronthal beherrschenden Neubau zu errichten. Weil es ihnen nicht gelang, die Genehmigung zum Fassen neuer Quellen zu erreichen, verkaufte die Aktiengesellschaft den für sie offensichtlich wenig rentablen Betrieb schon 1845 an einen Gastwirt und löste sich dann auf. Aus dem Sommer 1850 ist eine Nummer des Kurgastverzeichnisses für Kronthal und Weilbach erhalten. Neben privaten Quartiergebern konnten sowohl Küster als auch der neue Kurhausbetreiber Zimmermann Gäste melden, Weilbach jedoch wesentlich mehr.
Gewerbe im Kronthal

Abb. 16: Aktie des Kronthaler Actien-Vereins.
Gewerbe im Kronthal - Kurhaus

Abb. 17: Das Kurhaus Mitte des 19. Jahrhunderts

 

Gründerzeit und Goldgräberstimmung 1872 bis 1885   

Nach Küsters Tod erbten seine fünf Kinder die Liegenschaft im Kronthal mit der Stahl- und der Salzquelle, von denen die ledige Tochter Anna Maria (1818 - 1893) 1863 das Bad und die Anteile ihrer Geschwister übernahm und den bescheidenen Füllbetrieb ohne bislang bekannt gewordene Marke auf den Krügen fortführte. Im Jahr 1872 verkaufte sie den gesamten Besitz an Friedrich Reinhard Ludwig Kopp aus Berlin, der 1873 auch das Kurhaus samt Nebengebäuden und die Ziegelhütte erwarb. Kopp stellte 1873 den Antrag auf die Errichtung einer Halle über den beiden Mineralbrunnen, die wohl bis 1922 stand. Schon im September 1874 meldete er Konkurs an. Bei der Versteigerung 1875 erwarb der in der Nähe von Strausberg in der Mark Brandenburg ansässige Gutsbesitzer Freiherr Ernst Carl Christoph v. Eckardstein zu Prötzel den ehemals Küsterschen Besitz samt Kurhaus und Ziegelhütte und arrondierte ihn bis 1886. Die Familie betrieb das Brunnengeschäft jedoch nicht selbst, sondern überließ es dem Kaufmann August Thiemann. Die Bewohner von Kronberg hatten ein als Grunddienstbarkeit festgeschriebenes Haustrunkrecht; mit den Pächtern der Wilhelmsquelle war eine Regelung über die Entnahme von Wasser jeweils an halben Tagen getroffen worden.

Thiemann wurde am 17. Juli 1845 in Hannover geboren, heiratete 1874 die Frankfurterin Johanna Schenk und verzog 1923 von Frankfurt a.M. nach Hamburg, nachdem er zuvor unter verschiedenen Adressen in Frankfurt a.M., Groß Karben, Kronberg und Oberursel gemeldet gewesen war. Auf seiner Frankfurter Meldekarte stehen als Berufe Kaufmann und Direktor der Continental Bodega Compagnie. Bevor er 1875 im Kronthal tätig wurde, hatte er einschlägige Erfahrungen im Mineralwassergeschäft in Karben in der mineralquellenreichen Wetterau gesammelt, wo zunächst mit dem Selzerbrunnen bei Okarben und dem Ludwigsbrunnen bei Groß Karben zwei Mineralquellen gewerblich genutzt wurden. Die erfolgreiche Suche nach weiteren ergiebigen Mineralquellen führte im heutigen Karbener Stadtteil Kloppenheim zu einem Brunnen, den sein erster Betreiber Carl Müller-Marchand zunächst Selser Brunnen nannte, sehr zum Ärger des Freiherren von Leonhardi aus Groß Karben, dem der auf dem Markt gut eingeführte Okarbener Selzer Brunnen gehörte und der ein gerichtliches Verbot für die Bezeichnung „Selser Brunnen" durchsetzen konnte. Beim Schutz ihrer Marken waren staatliche wie private Brunnenbetreiber gleichermaßen empfindlich, da die Markenpiraterie im Mineralwassergeschäft durchaus verbreitet war. Müller-Marchand verkaufte den Brunnen 1872 an August Thiemann, der 1873 in Kloppenheim eine Ziegelei und einen Mineralwasserhandel eröffnete und am Brunnen ein Wohn- und Geschäftshaus errichtete. Für den neuen Betrieb suchte Thiemann einen kapitalkräftigen Partner und verband sich mit dem Kölner Hotelier Jacob Friedrich. Gemeinsam eröffneten sie die „Selser Brunnen-Verwaltung Friedrich & Thiemann" mit Sitz am Großen Kornmarkt 20 in Frankfurt a.M. Der neue Brunnenbetrieb füllte sein Wasser naturbelassen in Krüge oder mit CO2 versetzt in Glasflaschen ab, war damit also mit neuerer Technik zum Imprägnieren von Wasser mit Kohlensäuregas ausgestattet. Doch Thiemann zog sich bald aus Kloppenheim zurück. 1874 gab er die Ziegelei und im Mai 1875 die Partnerschaft mit Friedrich auf.

Gewerbe im Kronthal - und noch einmal ein Kurhaus!

Abb. 18: Das Kurhaus Ende des 19. Jahrhunderts.
Gewerbe im Kronthal - Brunnenpavillons

Abb. 19: Brunnenpavillons im Kronthal.

Die Industrialisierung des Brunnenbetriebs

Thiemann brachte also Kenntnisse für die Führung eines industrialisierten Brunnenbetriebs ins Kronthal mit. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Mineralwasser in der Regel natürlich in Krüge abgefüllt worden, indem die Steinzeugkrüge entweder einzeln an Hähnen gefüllt oder mit eisernen Körben in Brunnenbecken getaucht wurden. Anschließend mußte man sie schnell verkorken, damit möglichst wenig Kohlensäuregas verloren ging. Hinzu kamen ein aufwendiges zusätzliches Verschließen mit Leder und Bindfaden und ein Versiegeln mit Pech, das nach 1870 Zinnkapseln Platz machte. Eine unaufhaltsame Neuerung war die Glasflasche, die die Steinzeugkrüge bis um 1900 endgültig verdrängte, als Flaschenblasmaschinen eine massenhafte Produktion von Glasflaschen ermöglichten.

Mit der Glasflasche kam die von den Herstellern künstlichen Mineralwassers übernommene Imprägnierung mit Kohlensäuregas, das zunächst mit Hilfe von Säure aus Kalkstein, später aber synthetisch oder aus kohlensäuregashaltigen Quellen gewonnen wurde, so daß also das eigene Gas von Mineralquellen aufgefangen und verwendet werden konnte. Die einfachste Anlage zum Imprägnieren war eine Trommel mit Kurbel, in der Mineralwasser durch Drehen mit einem Rührwerk mit Gas versetzt und nachher abgefüllt wurde. Ab 1878 konnte CO2 auch durch Kompressoren verflüssigt und in Stahlflaschen abgefüllt werden. Um diese Zeit entstand auch eine eigene Kohlensäureindustrie. Mit zunehmender Technik wurden auch die Brunnenbetriebe professioneller, erhielten Dampfmaschinen, transmissionsgetriebene Pumpen und andere technische Ausstattungen bis zur heute üblichen Vollautomatisierung. Mit ihren rauchenden Schloten sahen sie aus wie andere Industriebetriebe.

Weitere Brunnenbetriebe

Zugleich nahm die Anzahl der Brunnenbetriebe zu. Die neuen Brunnen wurden privatwirtschaftlich betrieben und eine Reihe von ihnen mit britischem Kapital, denn das kohlensaure Wasser war zum Whisky sehr begehrt. Der preußische Staat gab einer privatwirtschaftlichen Nutzung seiner Domanialquellen den Vorzug und verpachtete u.a. seine Brunnen in Niederselters und Fachingen. Private Neugründungen waren die Brunnenbetriebe in Oberselters (1871), Niederrosbach (1878), Zollhaus mit dem Johannisbrunnen (Gemeinde Hahnstätten, 1882), gefolgt vom Rückershäuser Sprudel (1886), beide im Aartal, und vom Schwaller Brunnen bei Nastätten als Sinarobrunnen (1899). 1888 begann der industrielle Abfüllbetrieb in Selters an der Lahn und Löhnberg und 1894 der in Lindenholzhausen bei Limburg (Lubentiusbrunnen). Im Kreis Wetzlar entstanden in Biskirchen gleich zwei Brunnenbetriebe und ein weiterer in Schwalbach. In der Wetterau kam es zu Betriebsgründungen in Karben, Bad Vilbel, Echzell, Schwalheim und Dorheim bei Friedberg; 1888 nahm die sehr ertragreiche Kaiser- Friedrich-Quelle in Offenbach ihren Füllbetrieb auf.

Im Kronthal richteten sich gleich zwei Brunnenbetriebe ein. Neben Eckardstein und Thiemann versuchte der ehemalige Wiesbadener Croupier Louis Balthasar Henkes sein Glück im Kronthal. Er hatte 1870 das an der Steinrutsche gelegene Besitztum von Balthasar Nentzel gekauft und dort eine Gastwirtschaft eingerichtet. Am 7. Februar 1877 pachtete er von der Stadt Kronberg die städtische Quelle, jetzt Wilhelmsquelle, für 500 Mark im Jahr auf 25 Jahre und mußte über zwei öffentliche Füllhähne das Haustrunkrecht der Kronberger Einwohner wahren. Nach Ablauf der Pachtzeit sollten die Fülleinrichtungen an die Stadt fallen, ohne daß der Pächter oder ein Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Entschädigung hatten. Die Stadt unterstützte ihren neuen Pächter mit Gutachten über die Qualität des Wassers. Schon am 19. Februar 1877 stellte er einen Antrag auf die Neufassung des Gemeindebrunnens und berichtete von der alten Fassung von 1836 samt einer Inschrift aus einer Vorgängerfassung von 1618.

Zugleich beantragte Henkes eine Wasser- und eine Gasleitung zu seiner Liegenschaft. Während der Fassungsarbeiten wurde zunächst ein Faß in den alten Brunnenschacht gestellt. Kreisbaumeister Holler vom Obertaunuskreis leitete die Bauarbeiten für die Neufassung des Gemeindebrunnens in Holz und Beton, der zuvor mit Schwellen und Eckpfosten gefaßt gewesen war.
Gewerbe im Kronthal - 1877

      Abb. 20: Plan zum Bau eines Pferdestalls für Henkes und Bauer, 1877

Im Sommer 1877 stellte Henkes mit seinem Partner Dörr (Henkes & Dörr) ein unfangreiches Programm zum Bau eines modernen Füllbetriebes vor. Neben seinem Wohnhaus sollten ein Bassin für Mineralwasser, ein Füllhaus und ein Maschinenhaus für eine Dampfmaschine zum Antrieb einer Pumpe zum Hochpumpen des Wassers aus der Wilhelmsquelle in die Füllhalle entstehen. Schon im August 1877 war Patrick Alexander Bauer sein Partner. Am 27. August 1877 stellten beide den Antrag auf den Bau eines Pferdestalles, der auch genehmigt und ausgeführt wurde. Die Firmeninhaber gingen von einem baldigen Betriebsbeginn aus. Zu diesem Zeitpunkt standen in der unmittelbaren Umgebung der drei Mineralquellen eine Brunnenhalle und ein Lagerhaus von Eckardstein, das Wohnhaus von Henkes, das Füllhaus und das Maschinenhaus von Henkes & Bauer, ein Reservoir und eine Remise. Alle diese Gebäude stehen heute nicht mehr. Der schlichte Backsteinbau auf dem ehemals Henkesschen Grundstück entstand erst um 1900. Henkes projektierte überdies eine Brunnenhalle am Wilhelmsbrunnen. Die Partnerschaft von Henkes und Bauer dauerte nicht lange, denn schon am 23. Januar 1878 kaufte Bauer die Liegenschaft, auf der angeblich täglich 15.000 Krüge gefüllt wurden. Er löste jedoch einen an Henkes ausgestellten Schuldschein über 20.000 Mark nicht ein und leistete am 12. Mai 1879 in Frankfurt einen Offenbarungseid. Mit einem neuen Geschäftspartner führte Bauer den Brunnenbetrieb unter der Firma Bauer & Brünnler, an der auch sein Schwiegervater Simon Rothan beteiligt war. Henkes fühlte sich betrogen und versuchte vergeblich, an sein Geld zu kommen. Schon 1878 entstand durch Bauers Ausscheiden und einen erneuten Partnerwechsel aus Bauer & Brünnler das Unternehmen Gogel & Brünnler, das in den laufenden Pachtvertrag mit der Stadt Kronberg einstieg. Auf der Liegenschaft mit Hof und Garten standen ein zweistöckiges Wohnhaus mit zwei Anbauten, eine Remise, ein Maschinenhaus, ein Füllhaus und ein Wasserhaus.
Gewerbe im Kronthal - Etikett

Abb. 21: Etikett der Wilhelms-Quelle.

Bauers Krüge tragen einen Rundstempel mit der Äskulapnatter zwischen Bauers Initialen A und B, darum WILHELMS QUELLE, darunter ALEXANDER BAUER / BAD-KRONTHAL / NASSAU. Im Jahr 1880 füllte der Brunnenbetrieb am Wilhelmsbrunnen, dessen Wasser in die ehemals Henkessche Liegenschaft gepumpt wurde, nach eigenen Angaben mit rund 70 Arbeitskräften aus den umliegenden Orten 1,5 Millionen Krüge im Jahr ab. Ein Problem war der schlechte Weg zur Chaussee nach Soden und damit zum wohl günstiger gelegenen Verladebahnhof, da Soden seit 1844 durch eine Stichbahn nach Höchst Anschluß an die Bahnlinie Frankfurt-Wiesbaden und damit an den Rheinhafen Mainz-Kastel hatte. Die Verbindung nach Soden schien günstiger als die nach Kronberg, obwohl dies seit 1874 ebenfalls durch eine Bahnlinie mit Frankfurt verbunden war.

Mit Gogel & Brünnler kam erstmals ein englisches Unternehmen in Kontakt mit den Kronthaler Quellen: 1879 entstand die Wilhelmsquelle Ltd. in London, die bei einem Konkurs Nachfolgerin im Pachtvertrag werden sollte. Britisches und amerikanisches Kapital in deutschen Mineralbrunnenbetrieben war durchaus nichts Besonderes, wie wir später noch erfahren werden. Die Stadt war mit den Wünschen der Unternehmer einverstanden. Die Pacht wurde auf 1.000 Mark im Jahr verdoppelt. Im Konkursfall sollte dann die Wilhelmsquelle Company Ltd. jährlich 5.000 Mark an die Stadt bezahlen. Es blieb jedoch bei dem Projekt, denn ein Vertrag zwischen Gogel & Brünnler und den Briten kam nicht zustande. Statt dessen gingen beide schon 1884 in Konkurs, ohne daß das Pachtverhältnis auf das britische Unternehmen übertragen wurde. Henkes reklamierte weiterhin vergeblich seine Rechte als Pächter, die er jedoch mit der Übertragung des Betriebes an Bauer abgegeben hatte. Die 1880 von Gogel & Brünnler übernommene Liegenschaft bestand aus dem Wohnhaus mit Nebengebäude, dem Maschinenhaus, dem Füllhaus und einem Wasserhaus. Nach dem Konkurs ging sie an Louis Heidenheimer über. Insgesamt war der Brunnenbetrieb an der Wilhelmsquelle von 1877 bis 1884 nacheinander in den Händen der Glücksritter Henkes, Bauer, Gogel und Brünnler, die weder vom Fach waren noch über genügend Kapital verfügten.

Der Nachbarbetrieb von Eckardstein in der Hand von Thiemann war wesentlich erfolgreicher. Als er nach 1878 seine beiden Quellen, die jetzt Apollinisbrunnen (abgeleitet vom römischen Sonnengott Apollo) genannte Salzquelle und die Stahlquelle, neu fassen lassen wollte, fürchtete die Stadt Kronberg um den Bestand ihrer eigenen Wilhelmsquelle, so daß sie einen unabhängigen Gutachter einschalten wollte. Die Bauaufsicht stellte fest, daß nur der Ablauf der Stahlquelle etwas tiefer gelegt werden und der untere Teil der Quellen unberührt bleiben sollte, und sah eine Arbeitsdauer von acht Tagen als ausreichend an. 1878 errichtete Thiemann ein 1885 und 1899 erneuertes und erweitertes Kesselhaus mit Dampfmaschine und hohem Kamin. Die Neufassung führte zu Streitigkeiten zwischen Thiemann und den Pächtern der Wilhelmsquelle. Nach Abschluß der Arbeiten erklärte Kreisbaumeister Holler, daß die Nutzung der Wilhelmsquelle nicht beeinträchtigt worden war. Bei der Neufassung übernahm Thiemann freiwillig die Verpflichtung, sechs Hähne für die Kronberger Bevölkerung laufen zu lassen. Nachdem das Kronthaler Apolliniswasser auf der Weltausstellung in Sydney 1879 einen ersten Preis errungen hatte, ließ Thiemann in Frankfurt eine ganzseitige Anzeige mit zahlreichen Referenzen und drei Auslieferadressen in Frankfurt drucken.

Gewerbe im Kronthal - Ansichtskarte

Abb. 22: Ansichtskarte mit dem Kurhaus und dem Kronberger Burgturm, Ende 19. Jahrhundert.

Im Jahr 1880 kam es zu einer massiven Auseinandersetzung zwischen der Stadt und Thiemann, der bei der Neufassung eine Metallglocke eingebaut hatte, um austretendes Kohlensäuregas zur Imprägnierung von Mineralwasser aufzufangen. Die Stadt sah hierin einen Verstoß gegen das Haustrunkrecht durch Thiemann und forderte die Entfernung der Abdeckung über der Quelle. Im Zusammenhang damit ist eine städtische Klageschrift erhalten, nach der Eckardstein vor dem Landgericht Wiesbaden verklagt werden sollte, die Rechte der Kronberger am ehemals Küsterschen Mineralbrunnen nicht zu beschränken. Durch das Auffangen der Kohlensäure besitze das Wasser nicht mehr die erfrischenden Eigenschaften, so daß die Stadt auf die Herstellung des ursprünglichen Zustands der Quelle klagte. Die Glocke über der Quelle sollte entfernt und die Quelle selbst mit einem Steinkranz umgeben werden, der ein Eintauchen der Krüge zum Füllen ermöglichte.

Ein Lageplan der Betriebsgebäude von 1881, der im Zusammenhang mit einer von Thiemann beantragten Errichtung eines Wasserreservoirs entstand, zeigt bereits eine stattliche Anlage an der Stelle des heutigen Betriebs, die aus einem Wohn- und Füllhaus sowie einer Scheune und Stallungen für die zum Transport benötigten Pferde bestand. Hinzu sollte dann ein mit einer Fachwerkhalle überbautes Wasserreservoir mit einem Grundriß von 5,50 x 9 m kommen. Die Planung eines solchen Reservoirs beweist, daß sich der Abfüllbetrieb von einem reinen Füllen des Wassers am Hahn oder durch Eintauchen mit einem Füllkorb zum Abfüllen von zunächst enteisentem und dann mit eigenem CO2 versetztem Wasser entwickelt hatte. Wegen seines starken Eisengehaltes muß das Kronthaler Wasser vor dem Füllen auf jeden Fall enteisent werden. Dabei geht das gelöste Kohlensäuregas weitgehend verloren und muß später beim Füllen wieder zugesetzt werden. Die Enteisenung gehört neben dem Entschwefeln sowie das Ausfällen von Mangan und dem auch im Kronthal in Spuren vorkommenden Arsen zu den gestatteten Veränderungen von Mineralwasser beim Füllen. In allen Enteisenungsverfahren findet eine Oxidation mit Luft, heute auch ozonhaltiger Luft oder aktiviertem Sauerstoff statt. Das älteste und einfachste Verfahren ist die Enteisenung im Becken, während der der Luftsauerstoff für ein Ausfällen des im Wasser chemisch gebundenen Eisens zu Eisenhydroxid sorgt, das dann als Eisenocker ausflockt.

Ein weiterer Streit zwischen beiden Brunnenbetrieben entbrannte wegen des Abpumpens von Wasser aus der Stahlquelle mit Dampf- oder Saugpumpen durch Thiemann, der dazu auch eine amtliche Erlaubnis erhalten hatte. Gogel & Brünnler fürchteten um den Ertrag ihrer Pachtquelle und erklärten 1881, bei einer Schüttung von 28.000 Litern Wasser pro Tag im vergangenen Jahr zwei Millionen Flaschen abgefüllt zu haben. Thiemann wiederum fühlte sich durch den Betrieb an der Wilhelmsquelle beeinträchtigt.
Gewerbe im Kronthal - Am Brunnen

Abb. 23: Am Apollinisbrunnen

Das preußische Innenministerium befand nach eingehender Prüfung, daß weder die Arbeiten von Thiemann noch das Abpumpen von Wasser aus der Wilhelmsquelle irgendeinen Schaden verursachten. Eine amtliche Untersuchung in den Jahren 1882 und 1883 ergab, daß alle drei Quellen im Kronthal einen gemeinsamen Ursprung hatten, die Stahl- und die Wilhelmsquelle unterirdisch im Zusammenhang standen und ein Abpumpen der einen Quelle zu einem Sinken des Wasserspiegels bei der anderen führte. Daher waren die Rechte beider Quellennutzer gleichermaßen schutzwürdig, so daß eine Reihe von Baumaßnahmen angeordnet wurde, damit keine Quelle zu Schaden kam. Thiemann wollte 1881 auch den Sauerbrunnen (Bismarckquelle) hinter dem Kurhaus am Mammolshainer Hang in der Mammolshainer Gemarkung neu fassen. Die Quelle war in einen Schacht von vier Metern Tiefe gefaßt, wobei die Fassung inzwischen schadhaft geworden war. Kreisbauinspektor Holler erhob keine Einwände gegen das Projekt. Ein Plan von 1883 zeigt eine Süßwasserleitung von zwei oberhalb im Tal gelegenen Quellen in den Eckardsteinschen Füllbetrieb, die Wasser zum Flaschen- und Krugspülen heranführte.

Diesen Beitrag haben wir mit freundlicher Genehmigung des Hessischen Wirtschaftsarchivs dem Buch Gewerbe im Kronthal, Mineralwasser und Ziegel aus dem Taunus, Hrsg. Konrad Schneider, entnommen.

Gewerbe im Kronthal - das Buch!

Aktuelle Ergänzung:

Quelle sprudelt wieder
Kronberg: Kronthaler Mineralwasser fließt aus zwei Zapfstellen

Von Anton J. Seib

Die Kronberger können wieder „ihr" Mineralwasser zapfen. Nachdem das Regierungspräsidium die Wasserrechte für die Fürstenberg-Quelle im Kronthal erneuert hat, sprudelt das Wasser wieder aus der neuen Zapfstelle im Schulgarten und aus dem Brünnchen in der Tanzhausstraße. Die Quelle war wegen Sanierungsarbeiten am Brunnen seit 2003 stillgelegt. Allerdings müssen sich Freunde des Kronthaler Wassers sputen, denn in den Wintermonaten wird der Service eingestellt.

Mit einer neuen Hochleistungspumpe wird das Wasser aus der 42 Meter tiefen Fürstenberg-Quelle gefördert. Dann wird das Mineralwasser durch eine 2,5 Kilometer lange Rohrleitung bis zur Innenstadt befördert und kann dort an den beiden Zapfstellen entnommen werden.

Archäologische Funde legen die Vermutung nahe, daß das Salz der Quellen bereits im 7. Jahrtausend vor Christus begehrt war. Auch die Römer schätzten das bekömmliche Wasser aus den tiefen Taunusklüften. Das belegen vom Kronberger Hobbyarchäologen Fritz Schummer im Quellgebiet gefundene Reste aus Metall, Glas und Ton.

1820 entdeckte der Kronberger Amtsarzt Ferdinand Küster die Quellen im Sauerborntal und begründete damit den Kronthaler Bade- und Kurbetrieb.

Dem früheren Wassermeister der Stadtwerke, Hans Kapp, ist es zu verdanken, daß Mitte der 1990er Jahre eine Mineralwasserleitung vom Quellenpark Kronthal bis in die Altstadt verlegt wurde. Allerdings versiegte der Zufluß 2003, weil sich die alten Quellfassungen durch Kohlensäure und Salz auflösten.

2007 war die Sanierung der sieben Meter tiefen Fassung abgeschlossen, es dauerte aber noch weitere zwei Jahre, ehe die bürokratischen Hürden zur Erteilung der Wasserrechte überwunden waren.

Frankfurter Rundschau - 29.10.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR