Vor- und Frühgeschichte der Kronthaler Quellen
Die Berichte von einer frühen Quellnutzung

Von Fritz Schummer

Schon in der älteren Literatur werden Vermutungen über die Quellnutzung in vor- und frühgeschichtlicher Zeit geäußert. So erklärt Carl Caspar Schlimm in seinem „Führer im Taunus" fälschlicherweise, daß der lateinische Name „lucus Mamelae" an die Römer von Mammolshain bei den Kronthaler Quellen erinnere. Auch der Königsteiner Heimatforscher Georg Piepenbring schreibt am 6. April 1922 in der Taunus-Zeitung: „Nach Funden war schon zur Zeit der Römer die Quelle unter dem Namen „Aque Grani" bekannt und legten diese ganz in der Nähe ihrer Niederlassung Solicium (vermutlich ist der Ort Solicinum gemeint, der von dem römischen Geschichtsschreiber Ammianus erwähnt wird)". Weiterhin wird von römischen Funden und Tropfsteinen aus der Salzsiederei, die sogar im Mauerwerk der Quellen eingelassen sein sollen, gesprochen. „Aus diesem Grunde wäre zu ersehen, daß im Kronthal ehemals Salz hergestellt worden ist, wovon ja bis heute noch die Namen bei den Brunnen, wie Salzwiese, Sälzer, Sälzerweg usw. Zeugnis ablegen". Gegen diese Vermutung vermeintlich römischer Salzgewinnung spricht das Ergebnis einer 1811 auf Anordnung der Landesregierung vorgenommenen Prüfung auf den Salzgehalt der Quellen, die nicht den erhofften Mengenanteil ergab, um „mit Nutzen versotten werden zu können".Gewerbe im Kronthal: das Original

Den älteren phantasiereichen Forschungsansätzen entgegnete der frühere Mitarbeiter des Saalburgmuseums Dr. B. Beckmann in einem Schreiben vom 11. März 1975 an den Kronberger Lokalhistoriker Wilhelm Jung, daß es in den Beständen des Museums keine römischen Kronthal-Funde gebe. Auch enthielten die Jahresberichte von Geheimrat Jacobi keinerlei Hinweise über dortige Grabungen und Funde.

Als Letztes soll noch der Frankfurter Schriftsteller Heinrich Heym erwähnt werden, der im Oktober 1968 in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt: „in den Chroniken von Kronberg und Königstein ist die Überlieferung festgehalten, daß die Römer im Sauerbornsthal, wie Kronthal früher hieß, aus den Quellen Salz gewonnen haben sollen".

Der älteren Forschung war bewußt, daß bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit die Quellen genutzt wurden. Allerdings gab es bei den angeführten Berichten, durch fehlende Grabungen, keinen ernsthaften Beweis für den Aufenthalt der Römer im Kronthal. Das sollte sich erst durch die vorgenommene Quellensanierung ändern.

Die archäologischen Untersuchungen bei der Quellensanierung 2004/05

Im August 2004 wurde im Kronthal mit der Landschaftsgestaltung durch die Regionalpark Rhein-Main Kronberg/Schwalbach GmbH begonnen. Verzögerungen bei den Bauarbeiten brachte die Sanierung der Mineralquellen mit sich, nach dem Asphaltbelastungen entdeckt worden waren. Die Erdaushubarbeiten zur Beseitigung des Asphaltmaterials nordöstlich und südlich des heutigen gemauerten Brunnen-Rondells konnte ich 2004/05 archäologisch begleiten. Es wurde eine ca. 6,50 m starke Erdschicht über dem gewachsenen Fels ausgebaggert, aus dem das Mineralwasser aufsteigt. Die oberste Schicht bestand aus torfartigem Material pflanzlicher Substanzen, vermutlich von einem Schilfgürtel aus früherer Zeit. Darunter lag eine 4 m mächtige Schicht aus tonmergelartiger Erde, die in ihren unteren Teilen durch Eisenmineralisierung des Quellwassers rötlich durchsetzt war. In etwa 5 m Tiefe kamen dann die ersten archäologischen Funde zutage, die sich bis auf den Grund der Quellen fortsetzten. Zwischen der Tonmergelschicht und dem gewachsenen Fels befand sich ein schmales Band aus Kies und feinen Sanden. Auch in dieser untersten Lage wurden noch Artefakte aus der Vor- und Frühgeschichte aufgefunden. Bei den Ausbaggerungen ließen sich an den angetroffenen Erdschichten mehrere Störungen feststellen. Vermutlich ist das Erdmaterial aus dem alten Quellbereich, teilweise bei der Errichtung des neuzeitlichen Brunnen-Rondells, in die seitlichen Zonen verlagert worden.

Trotz der ständigen archäologischen Baubegleitung konnten keinerlei Überreste älterer Quellfassungen aus Holz entdeckt werden, die zur Altersbestimmung wertvolle Hinweise hätten geben können. Ebenso fanden sich keine Spuren der in der älteren Literatur vermuteten Salzgewinnung.
 

Die vor- und frühgeschichtlichen Funde aus der Quellzone

Die ältesten der neu entdeckten Quellfunde gehören in das Neolithikum (Jungsteinzeit) und sind bis zu 7.000 Jahre alt. Es liegen drei Steinbeile aus geschliffenem Felsgestein  und zwei Klingenabschläge aus Quarzit vor. Das älteste Stück ist ein Querbeil (Dechsel) der Bandkeramik-Kultur (5. Jahrtausend v. Chr.). Typengleiche Exemplare sind in der benachbarten bandkeramischen Siedlung von Kronberg-Süd häufig gefunden worden. Das zweite Steinbeil mit spitzem Nacken gehört seiner typischen Form nach der jungneolithischen Michelsberger Kultur (4. Jahrtausend v. Chr.) an, während ein kleines Einsatzbeil mit facettierten Kanten der Schnurkeramik-Kultur am Ende des Neolithikums (3. Jahrtausend v. Chr.) zuzuordnen ist.

Steinbeile aus dem Kronthal

 

 Steinbeile der Jungsteinzeit aus geschliffenem Felsgestein, gefunden im Kronthal.
 

Der nächste Beleg aus der Nutzung der Kronthaler Quellen stammt aus der Eisenzeit (8. Jahrhundert v. Chr. bis Chr. Geb.). Es handelt sich um ein keltisches Tüllenbeil aus Eisen mit runder Tüllenöffnung. Leider läßt sich dieser Einzelfund nicht genauer bestimmen, da weitere keltische Artefakte fehlen, z.B. datierbare Keramikscherben. Es bleibt somit unklar, ob er der Hallstatt- oder der nachfolgenden Latènezeit zugeordnet werden kann. Im Taunusgebiet sind die Tüllenbeile in vielen Varianten als Funde von den Altkönig-Ringwällen und dem Heidetränk-Oppidum bekannt.

Überraschend ist die Menge des Fundmaterials aus der römischen Kaiserzeit. Es liegen Metall-, Glas- und Tonobjekte vor, die hauptsächlich dem 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. angehören. Die Keramik besteht aus Hals- und Bodenteilen von Einhenkelkrügen und Amphoren, daneben kommt auch das römische Tafelgeschirr (Terra Sigillata) als Fragment eines Steilwandbechers und einer Bilderschüssel vor. Eine verzierte Wandscherbe aus Terra Sigillata stammt aus der Töpferei Lezoux in Mittelgallien und wird dem Töpfer mit Namen „DONNAVCVS" zugeschrieben. Ihre Datierung kann auf ca. 100 bis 120 n.Chr. bestimmt werden. Hierfür sind folgende Motive zu zitieren: Diagonalkreuze mit dem Dreiblattmotiv auf der oberen Spitze und kreuzförmig angeordneten Astragalen in der Mitte, Blatt mit 5 Spitzen, kleines Tier nach rechts, Eierstab mit links anhängendem Beistab, unten Rosette. Neben den beschriebenen Funden aus der Nutzung der Quellen, läßt sich auch der römische Brauch, Münzen in den Quellen zu opfern, im Kronthal durch zwei Exemplare belegen:

Denar (Silbermünze) des Kaisers Publius Aelius Hadrianus (Reg. 117 - 138 n.Chr.). Vorderseite: belorbeerter Kopf nach rechts mit der Umschrift IMP CAES TRAIAN HADRIAN AVG OPT... Rückseite: nach links sitzende Concordia hält Opferschale und Füllhorn im Abschnitt CONCORD, Umschrift PMTR P COS(III) DES (II oder III) PP.
Aus der römischen Kaiserzeit

                 Verzierte Wandscherbe einer Bilderschüssel aus Terra Sigillata,
                         gefunden im Kronthal (Römische Kaiserzeit).

Stark abgegriffenes As (Kupfermünze) der Kaiserin Annia Galeria Faustina Filia (Gest. 175 n. Chr.), Vorderseite mit der Umschrift FAVSTINA AVGVSTA, Kopf nach rechts, Frisur mit Nackenknoten, Rückseite: stehende Gottheit, Umschrift nicht mehr zu identifizieren.

Am Ende der Betrachtung des römischen Materials steht als wohl interessantester Fund das 3,6 cm große, weibliche Terrakotta-Köpfchen einer Halbplastik aus rötlichem Ton (Abb. 10). Bekannte Göttinnen wie Minerva, Venus, Diana, Fortuna und Victoria konnten in Terrakotta-Figürchen Gestalt finden, ebenso wie Matronen (Muttergottheiten). Das Spektrum von Kleinplastiken ist besonders gut an den vielen Fundstücken aus Frankfurt-Heddernheim zu erkennen.

Wenn auch die gesamten Neufunde nicht aus einer wissenschaftlichen Grabung stammen und damit durch die zufällige Entdeckung nur ein lückenhaftes Bild abgeben, zeigen sie doch die Bedeutung des Mineralwassers über die Jahrtausende hinweg. Um die Kronthaler Quellen und im benachbarten wasserreichen Gelände bildete sich seit der Jungsteinzeit ein Kranz vor- und frühgeschichtlicher Siedlungen.
Ein Fund aus dem Kronthal

Weibliches Terrakotta-Köpfchen, gefunden im Kronthal (Römische Kaiserzeit).

Lageplan

 

Lageplan der vor- und frühgeschichtlichen Fundstellen in der Umgebung des Kronthals.
 

Die vor- und frühgeschichtliche Siedlungstätigkeit in der Nähe der Mineral- Quellen
Im Herbst 1974 wurde in der Talaue zwischen Kläranlage und Schafhof mit dem Bau von Abwasserkanälen begonnen. Nach dem Abheben größerer Flächen zeigten sich viele jungsteinzeitliche Abfallgruben und Überreste der Holzhäuser in Form von Pfostenspuren. In den Gruben und im Baggeraushub wurden verzierte Keramikscherben gefunden, die sich zeitlich in fast alle Stufen der Bandkeramik- Kultur (5. Jahrtausend v. Chr.) einordnen lassen. Überwiegend liegt aber Bandkeramik der jüngeren Siedlungs-Perioden vor. Das jungsteinzeitliche Dorf erstreckte sich von der heutigen Landesstraße L3005 beim Gelände der Braun AG bis in das Tal des Sauerbornbachs in den Fluren „Auf dem Tries", „Das Mirabellenstück" und der „Kennelwiese".

Über Jahre hinweg wurde eine Fülle von Steinwerkzeugen und verzierte Keramikfragmente von den Äckern aufgesammelt. Bruchstücke von Tonidolen aus dem kultischen Bereich sprechen dafür, daß es sich um eine wichtige Mittelpunktsiedlung gehandelt haben muß.

Südwestlich der Kronthaler Quellen, auf dem Hügelrücken in Mammolshainer Gelände, konnte durch Fundbeobachtungen (spitznackige Steinbeile und Feuersteingeräte) eine Siedlung der Michelsberger Kultur festgestellt werden. Nordöstlich des Schafhofs entdeckte ich bei einer Begehung im Jahr 2004 als Einzelfund eine Steinaxt mit durchbohrtem Schaftloch der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik-Kultur.

Südöstlich der Kronthaler Quellen in der südlichen Kronberger Feldflur „Die Weich", zwischen Schwalbacher Wald und dem Sauerbornbach, läßt sich eine kleine Siedlung der keltischen Spätlatènezeit lokalisieren. Bei Flurbegehungen wurden ein steinernes Drehmühlenfragment, kammstrichverzierte Keramikscherben und Bruchstücke von kobaltblauen Glasarmringen entdeckt. Die keltische Stelle gehörte neben weiteren Kleinsiedlungen, u.a. bei Oberursel-Stierstadt und auf dem Burgberg in Königstein, zum Einzugsgebiet der großen Stadtsiedlung (Oppidum) im Heidetränktal.

Etwas weiter südöstlich auf Schwalbacher Gemarkung im Gebiet der heutigen Limesstadt stand ein bedeutender römischer Gutshof (villa rustica). Die alten Fundberichte sprechen von einem großen und gut ausgestatteten Gebäudekomplex. 1895 wurden bei einer Begehung der Anhöhe hinab bis zum Bach „Mörtel, Mauersteine, Dachziegel und Schieferstücke" festgestellt. Georg Wolff schrieb 1913: „Am Hüttenbaum, 1 km nordwestlich vom Dorfe Schwalbach, oberhalb des an der Cronberger Straße sich mit dem Thal des Sauerbornbaches vereinigten Wiesenthälchens, liegt die ausgedehnte Trümmerstätte eines römischen Gehöftes, neben dem wohl, unmittelbar an der vorüber ziehenden römischen Straße, ein Viergötterstein gefunden worden ist". Der im Jahr 1839 entdeckte Stein trägt die Bildnisse von Juno, Merkur, Herkules und Minerva und ist vermutlich als Sockel Bestandteil einer Jupitergigantensäule gewesen. Eine Kopie steht jetzt vor der Ostecke des Schwalbacher Waldfriedhofs.

Weitere römische Siedlungsspuren wurden bei Grabungen der Universität Frankfurt im Bereich der bereits erwähnten Jungsteinzeit-Siedlung (Flur „Das Mirabellenstück") in der Nähe der Kronberger Kläranlage aufgefunden. Sie gehörten wohl zu einem Wirtschaftsgebäude der benachbarten Schwalbacher villa rustica. Römerzeitliche Siedlungsreste könnten sich darüber hinaus noch unentdeckt im großen Gebiet des Schwalbacher Waldes befinden. Abschließend kann vermerkt werden, daß bei der Sanierung des Kronthaler Quellenparks bisher keine baulichen Befunde (z.B. Steinmauer-Fundamente) aus der Römerzeit festgestellt wurden.

Steinaxt

Steinaxt aus geschliffenem Felsgestein, gefunden in Kronberg,
Flur Mirabellenstück.

Bei den Aushubarbeiten zur Sanierung der Quellenzone fand ich im Kronthal neben vor- und frühgeschichtlichen Hinterlassenschaften auch zwei fragmentierte Gefäße des Spätmittelalters bzw. der Frühneuzeit. Es handelt sich um Becher, die ihrer Verwendung nach in der Regel als Trinkgefäße benutzt wurden.

1. Fragmentierter Becher aus Frühsteinzeug, 13.-14. Jahrhundert. Eiförmiger Gefäßkörper mit Einschnürung über der als Fuß ausgebildeten Standfläche. Kurzer, breiter, sich weitender Hals mit ehemals abgerundetem Rand. Drehrillen auf der Wandungsmitte. Frühsteinzeug ist die Bezeichnung für hartgebrannte keramische Ware, die ungefähr in der Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert hergestellt wurde. Ihr Scherben ist „dicht" gebrannt und mitunter an der Oberfläche gesintert, aber noch nicht gleichmäßig verglast.

2. Fragmentierter Trichterhalsbecher aus weißgrauem Steinzeug, engobiert, mit rötlich geflammter Lehmglasur, 15. - 16. Jahrhundert. Eiförmiger Gefäßbauch auf Wellenfuß mit fragmentiertem, konisch sich erweiterndem Hals. Diese Form ist im Rheinland seit dem 14. Jahrhundert als Trinkgefäß verbreitet. Im 16. Jahrhundert ist sie ein charakteristisches Gefäß von Siegburg, dessen Form auch in Köln-Frechen, Langerwehe und in Raeren nachgeahmt wurde. Vom 16. Jahrhundert an wird der Hals durch einen umlaufenden Grat vom Gefäßbauch abgesetzt.

Trinkbecher aus dem Kronthal

Fragmentierte Trinkbecher aus Steinzeug aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, gefunden im Kronthal.

Diesen Beitrag haben wir mit freundlicher Genehmigung des Hessischen Wirtschaftsarchivs dem Buch Gewerbe im Kronthal, Mineralwasser und Ziegel aus dem Taunus, Hrsg. Konrad Schneider, entnommen.

Gewerbe im Kronthal - das Buch!