Hopsende Pioniere
Friedrichsdorf: Tony und Bruno Werntgens Flugtechnisches Institut bekommt einen Gedenkstein - nach 100 Jahren

Von Meike Kolodziejczyk

Gehopse. Viel mehr war es am Anfang kaum. Und das mit diesen skurrilen Propellervehikeln, die nach kurzem Schweben in die Wiesen oder Äcker rumpelten - mit Tony und Bruno Werntgen an Bord. Es muß vor hundert Jahren ein wunderliches Gespann gewesen sein, diese Mutter und ihr Sohn. Sie eine Frau, die an Flugapparaten herumtüftelte; er ein Teenager, der damit dann durch die Landschaft schaukelte.

Vom Umfeld belächelt, ließen sich die Flugbegeisterten nicht beirren

Tatsächlich, weiß August Will vom Verein „Lebendiges Köppern", war Tony Werntgen „die erste Frau der Welt, die Flugzeuge mit entwickelte, und ihr Sohn Bruno mit 17 Jahren der jüngste Pilot Deutschlands". Und selbst wenn sich ihr Wirken in Köppern eben „fast nur auf Hopser beschränkte", ist der Heimatforscher sicher: „Die Werntgens haben sich hier ihr Wissen erworben, das die ganze Luftfahrt geprägt hat." Dabei waren sie nur knapp zwei Jahre auf der rechten Erlenbachseite gegenüber der Teichmühle unterwegs. Dort, wo Tony Werntgen 1909 das Deutsche Flugtechnische Institut gründete - was heute kaum noch jemand weiß. Daher möchte Will nun das „Andenken der beiden Flugpioniere in die Erinnerung der Einwohner zurückrufen": mit einem Gedenkstein, der morgen an der Teichmühle gesetzt wird, 100 Jahre nach der Grundsteinlegung des Instituts.

Tony Werntgen heißt eigentlich Antonie und betreibt Anfang des 20. Jahrhunderts ein Immobiliengeschäft in Frankfurt. Darüber kommen sie und ihr Sohn mit der gerade entstehenden Luftfahrt in Kontakt - und sind fasziniert. Als sie das Institut eröffnen, ist Bruno Werntgen gerade 16 Jahre alt. Eine große Halle wird auf dem Gelände errichtet, untergebracht sind eine Versuchsstation, eine Lehranstalt und die Fabrikation. Vom Frühjahr 1910 an konstruiert Tony Werntgen dort motorbetriebene Ein- und Doppeldecker. Weitere Bauten kommen dazu, ebenso Personal.

Hopsende Pioniere

Gen Himmel mit selbst konstruierten Propellermaschinen: Bruno und Tony Werntgen.

Bald gleiten und hüpfen über den 1,5 mal ein Kilometer messenden Platz nicht nur Tony und Bruno Werntgen; das Institut bietet sogar Flugkurse an, explizit auch für Damen.

Zumindest die Dorfjugend zogen die Übungen und Probeläufe an die Teichmühle. „Mein Vater war als Bub selbst dabei, wenn sie die Propeller anwarfen", sagt August Will. Dann habe er am Zaun gestanden und etliche Ölspritzer von den losruckelnden Maschinen  abbekommen.  Ansonsten aber hielt sich die Begeisterung der Köpperner in Grenzen. Allen voran hatte der Pfarrer nur Spott für das Institut übrig, wie Will in seinem 2004 erschienenen Buch „Unser Köppern von A-Z" vermerkte. Von „seltenen kläglichen Flugversuchen" sprach der Kirchenmann und höhnte über „eine lächerliche Reclame", weil sie die Teichmühle als Heimstätte deutscher Flugtechnik bezeichnete.

Was sie laut Will aber durchaus war. So waren die Hopser zuweilen bis zu 600 Meter weite Flüge in mehr als zehn Metern Höhe. „Wir waren glückselig über diese Erfolge", schrieb Tony Werntgen. „Aber den Taunusbauern bedeutet das nichts." Zumal, da die Apparate oft in deren Felder rauschten und sie verwüsteten. „Bevor wir das Flugzeug abrollten, mußte erst der Flurschaden bezahlt werden." Und dafür mußten die Werntgens mitunter tief in die Tasche greifen.

Wohl weniger diese, aber dafür andere finanzielle Rückschläge führen Ende 1910 dann zum Konkurs des Instituts. Mutter und Sohn ziehen mitsamt ihrem Gerät zunächst nach Köln und dann nach Bonn-Hangelar, wo sie ein neues Unternehmen aufbauen - dem jedoch auch kein langes Dasein beschieden ist. Bruno Werntgen stürzt am 25. Februar 1913 mit einer Eigenkonstruktion tödlich ab. Mutter Tony stirbt verarmt am 5; Januar 1954 im Rheingau.

Nichts erinnere in Köppern bislang an die Werntgens, kein Straßenname, kein Denkmal, keine Tafel, moniert Will. „Dabei kommt mir ihr Schicksal ein wenig vor wie das von Philipp Reis." Auch sie hätten etwas erfunden, was andere weiter entwickelten und dafür berühmt wurden.


DAS DENKMAL

Der Gedenkstein für das 1909 gegründete Deutsche Flugtechnische Institut Köppern wird am Samstag um 11 Uhr von Stadtrat Norbert Fischer und Ortsvorsteher Michael Becker an der Teichmühle in Köppern enthüllt.

Der Verein „Lebendiges Köppern" initiierte die Setzung des 1,80 Meter hohen Ehrensteins aus Quarzit. Möglich wurde das Denkmal durch Spenden, vor allem der Flughafenbetreiberin Fraport.

Frankfurter Rundschau - 3.7.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

 

Immerhin:
Auf Wikipedia finden wir einen kleinen, einen ganz kleinen Beitrag über Bruno Werntgen, den jüngsten Piloten Deutschlands, leiden keinen Hinweis auf seine Mutter, die Flugzeugkonstrukteurin und -erbauerin. Dazu ein Bild des Denkmal für Bruno Werntgen.
 Bitteschön:
Werntgen - 180px-Bn-nordfriedhof-werntgen

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