Das Ende der jüdischen Gemeinde
Bad Homburg Gedenken an den 65. Jahrestag der Deportation von 44 Juden

Von Günther Scherf

Seit einem Jahr trug Rudolf Neugaß den gelben Davidstern. „Er war gebrandmarkt, wurde gedemütigt, drangsaliert und angegeifert", schreibt der Heimathistoriker Wolfgang Zimmermann. Eine „markante Persönlichkeit" sei der 65 Jahre alte Bankprokurist aus der Obergasse vorher gewesen, ein „geistvoller Mäzen, vielbelesen, stets hilfsbereit, wohlmeinend und anspruchslos". Beträchtliche Summen habe er für soziale und wissenschaftliche Zwecke gespendet. Doch am Ende - so Zimmermann weiter in der im Jahr 2000 gemeinsam mit dem Maler Heinz Mais erstellten Broschüre „Rund um die Synagoge", war Neugaß „nur noch ein Schatten seiner selbst". Am 18. November 1942 wurde er im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Rudolf Neugaß war einer von 18 Bad Homburgern, die die Nazis vor 65 Jahren, am 28. August 1942, in die Vernichtungslager deportierten, weil sie Juden waren - oder dafür erklärt wurden. Zu diesen 18 gehörten der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde Bad Homburg, Louis Rothschild (78) und seine Frau Melanie (61), sowie der Kantor Moses Herz.

Zweieinhalb Monate zuvor, am 10. Juni 1942 hatte die erste Gruppe von Opfern auf Geheiß des Nazi-Regimes die Heimatstadt Bad Homburg verlassen müssen. Julius Stein beispielsweise, gerade 13 Jahre alt, und seine Schwester Bertha, nur ein Jahr älter. 44 Bad Homburger wurden im Jahr 1942 deportiert. Nur eine Frau überlebte: Rosa Lind aus Ober-Eschbach kehrte aus der Hölle zurück. Für die jüdische Gemeinde aber war jener 28. August das Ende.

Louis Rothschild und seine Frau jenem Tag aus ihrem Haus Louisenstraße 97 abgeholt und nach Frankfurt gebracht. Am 1. September ging die Fahrt weiter ins KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien. Den Fahrpreis sollten die Deportierten - laut Merkblatt der Gestapo - „nach Möglichkeit" selbst bezahlen. Ferner sollte jeder Deportierte möglichst im Besitz von 50 Reichsmark sein und Reiseverpflegung für zwei Tage mitnehmen.

Laut Heinz Grosche, dem Autor der „Geschichte der Juden in Bad Homburg 1866 -1945", glaubten einige Opfer der Deportation, sie würden in Theresienstadt in ein Altersheim geschickt. Ein Briefwechsel zwischen dem Bad Homburger Robert Altschul, der Frankfurter Devisenstelle und der Dresdner Bank belegt einen vermeintlichen „Einkauf in das Altersheim Theresienstadt". Anfang Oktober wurde Altschuls Vermögen zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen. Im Oktober 1942 füllte die Devisenstelle ein Formblatt aus: „Evakuierung auf Mappe vermerkt. In Judenkartei eingetragen. Die Sicherungsanordnung ist erledigt. Akte weglegen."

Die jüdische Gemeinde Bad Homburg zählte einst mehr als 600 Mitglieder. Im März 1848 verfügte Landgraf Gustav, daß in Hessen-Homburg „in orts- und staatsbürgerlicher Beziehung... fortan kein Unterschied zwischen unseren christlichen und jüdischen Untertanen (mehr) stattfinden" solle. 18 Jahre später wurde die Synagoge auf dem Gelände der heutigen Volkshochschule geweiht. Bad Homburger Gefolgsleute Hitlers brannten sie 1938 nieder.

Seit November 1988 steht dort ein von dem Bildhauer Hendrikus Godding entworfenes Denkmal: Mehr als 80 Namen von Kindern, Frauen und Männern sind auf den drei Bronzetafeln in der Nachbildung eines dreibogigen Synagogenfensters aus Sandstein zu lesen. „Es sind Namen von Menschen, die als Bürger unter uns lebten", sagte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Assmann bei der Enthüllung, „Kaufleute, Handwerker, Arbeiter, Ärzte oder Rechtsanwälte, die - bis nationalsozialistischer Rassenwahn sie zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammenpreßte - häufig nur eines gemeinsam hatten: daß ihre Vorfahren Juden waren."

Synagoge Bad Homburg81402

Die Bad Homburger Synagoge nach der Zerstörung 1938 - Symbol der Vernichtung jüdischen Lebens durch die Nazis.

 

GEDENKEN

Zur Erinnerung an den 65. Jahrestag der Deportation von Juden aus Bad Homburg und Umgebung in das Konzentrationslager Theresienstadt veranstaltet die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit am Dienstag, 28. August, um 19.30 Uhr in der Volkshochschule Bad Homburg, Elisabethenstraße 4-8, einen Gedenkabend.

Angelika Rieber, Klaus Rohde und Margret Nebo berichten von den Schicksalen einzelner Familien, Johannes Becker und Tanya Okolowska spielen Klavier und Violine.

Frankfurter Rundschau – 22.8.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR