Von Kirdorf in die Welt
Geschichtsverein erzählt die Schicksale von 151 Auswanderern
Von Andreas Kraft

Mit der Lebensqualität im Taunus kann heute kaum eine andere Gegend in Deutschland mithalten. Aber vor 150 Jahren gab es eine Menge Gründe, Bad Homburg zu verlassen. Die Kartoffelkrankheit machte das Mittagessen für viele Familien unbezahlbar. Die neuen Fabriken in England nahmen etwa den Leinwebern die Arbeit. Und die preußischen Offiziere klopften bei allen jungen Männern an die Tür, um sie zu drei Jahren Militärdienst zu verpflichten. Die Geschichten aus der Neuen Welt klangen da wie die Verheißung vom Paradies. So verließen auch etliche Kirdorfer den Schatten ihres Doms und suchten meist ihr Glück auf der anderen Seite des Atlantiks.

Das Schicksal der Auswanderer hat jetzt die Arbeitsgemeinschaft Unser Kirdorf in einem Buch zusammengetragen. Elf Jahre lang haben unter anderem Cäcilia Hett und Stefan Ohmeis über die Menschen geforscht, die zwischen 1786 bis 1943 aus dem Bad Homburger Stadtteil ausgewandert sind. Alle haben die Stadtteil-Historiker sicher nicht gefunden, aber in all den Jahren haben sie mit viel Fleiß 151 Kirdorfer in aller Welt ausfindig gemacht.

Dafür haben sie in den Kirdorfer Kirchenregistern nach Familien gesucht, die plötzlich verschwunden waren. Sie haben Schiffslisten studiert, die in Hamburg, in Bremerhaven oder auf Ellis Island in New York liegen. Und sie haben natürlich die Kirdorfer gefragt und so auch alte Briefe aus der neuen Heimat bekommen. Doch ohne das Internet, wären sie an die Fülle der Informationen, die jetzt in dem Buch zu finden sind, wohl nie herangekommen. „Das hat sich als eine wahre Goldgrube erwiesen", sagt Ohmeis. Zum Teil kamen so ganze Familiengeschichten zusammen. Etwa die von den Denfelds. Der 1822 geborene Franz Denfeld, von Beruf Schuhmacher, war ein großer Anhänger der Revolution. Als die in Frankfurt scheiterte, wollte er nicht länger auf Demokratie und Menschenrechte verzichten und wanderte aus. Am 2. Juli 1849 kam er in New York an. Fortan nannte er sich Frank und zog weiter nach Massachusetts. Seine Frau kam zwei Jahre später nach. Ihr Sohn Rodert Edward, das dritte der 13 Kinder, studierte Jura in Boston und gründete später in Duluth eine Schule - die heute Denfeld-High-School heißt.

Good bye Kirdorf. Das Buch:

Für 15 Euro im Heimatmuseum, Am Kirchberg ,
bei Papier Nielsen, Bachstraße 11,
oder im Textilhaus Bous, Louisenstraße 4-6


Der alte Fettkönig
Buch über „Schelme, Charme und Champagner'
Von Olaf Veite

Zuerst rattert Bad Homburgs letzte Straßenbahn durch dieses Buch und nimmt den Leser mit auf die Fahrt von Gonzenheim bis zum Marktplatz. Auf die legendäre „25" folgen 18 weitere Geschichten und Anekdoten, die Eva Schweiblmeier unter dem Titel „Schelme, Charme und Champagner" herausgegeben hat.

Die Autorin ist in Bad Homburg aufgewachsen und lebt mittlerweile in der Wetterau - ihre „Liebeserklärung" an die Kurstadt ist im Wartberg-Verlag erschienen. Auf 80 Seiten leben vergangene Zeiten und Gestalten erneut auf. Da veräußert der „ungekrönte Fettkönig von Homburg" in den Nachkriegsjahren unrechtmäßig Butter und Quark, präsentiert sich Oberbürgermeister Karl Horn als „knurrender Hund", und die Jugend tobt zur „Katzenmusik" durchs Ponderosa im Gotischen Haus. Man erfährt allerhand über die Kirdorfer Spitznamen ("Geigen-Otto", „Märtins-Marie") oder über den möglichen Altstadt-Abriß, der 1968 in Planung war.

Kaum zu glauben: Einstmals war die Stadt eine „Kino-Hochburg" mit 100 Kinoplätzen je 1000 Einwohner - jeder Homburger vergnügte sich mindestens einmal pro Woche in einem der sechs Lichtspielhäuser. In der legendären „Kurbel" in Kirdorf sollen spielzeugbewaffnete Besucher mit den Westernhelden um die Wette geballert haben. Illustriert werden die Erzählungen von historischen Fotografien - ein besonderer Reiz des Bandes.

Die Ausgabe ist - gebunden - im Buchhandel zu elf Euro erhältlich
und trägt die ISBN-Nummer 978-3-8313-1908-4.

Frankfurter Rundschau – 4.12.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR