Nur eine Linde blieb übrig
Neues Buch dokumentiert die Geschichte des Schafhofs / Zuerst Kornkammer, dann Landschulheim, heute Edel-Reitstall

Von Olaf Veite

Siebenhundert Jahre alt ist der Schafhof am Rande Kronbergs. Ein weitgespanntes Panorama tut sich auf: Große Schafherden ziehen durch den Talgrund, später suhlen sich Schweine am Bachufer und irgendwann trotten auch die Milchkühe mit prallen Eutern zum abendlichen Stall.

Heute beherrschen edle Pferde das Bild - noch immer ragt im Hintergrund das Burggemäuer in den Himmel, noch immer fliegen Vögel, gluckst der Bach. Und Kraftfahrzeuge donnern über die nahe Schwalbacher Straße.

Von Römern und Reitern

„Im Wandel der Zeit" heißt es im Untertitel eines neuen Buches, das sich der Geschichte dieses markanten Ortes annimmt. Der Bogen spannt sich von den Bandkeramikern und Römern zum modernen Reitsportbetrieb der Pächter Linsenhoff/Rath. Exkurse vertiefen historische Erscheinungen. Da geht es um Rodungen, die wirtschaftliche Bedeutung der Schafwolle oder die Kronberger Malerkolonie.

Anno 1327 taucht der Hof erstmals unter anderem Namen in einer Urkunde auf: Am 30. November wird Hartmut von Kronberg von Kuno von Münzenberg „mit dem Zehnten zu Fronrode" belehnt. Das Hofgut muß also schon vor diesem Datum existiert haben. Nur ein paar Jahre später wird bekannt gegeben, daß der Burgfrieden von Kronberg „bis Fronrode" reicht. Schafe treten 1436 auf den Plan, als ein Vertrag Schafzucht und Weiderechte regelt.

Im Mittelalter kam den vierbeinigen Wollieferanten eine enorme Bedeutung zu. Häute und Wolle waren begehrte Rohstoffe für die Herstellung von Kleidung und Schuhwerk. Das delikate Fleisch der Tiere kam erst viel später auf den bürgerlichen Tisch. Bis ins beginnende 19. Jahrhundert zogen die herrschaftlichen Schafherden über die Weideflächen von Eschborn und Kronberg - und genossen nicht selten Vorrang gegenüber den kleinbäuerlichen Belangen. Im Jahre 1704 gehören 1700 Tiere zum Bestand. Der Hof ist mit seinen jährlich 28 Maltern Korn und 28 Gulden Zinsen eines der einträglichsten aller kurmainzischen Besitztümer. Dreißig Jahre später gilt das Gut als „katholische Enklave" im evangelischen Stadtgebiet.

Verheerender Blitzschlag

Viele Besitzerwechsel bestimmen das Geschick im 19. Jahrhundert. Kronberg wird 1802 Hessen-Nassau zugeschlagen und der Schafhof staatliche Domäne. Die seit Jahrhunderten betriebene Zucht endet in dieser Zeit. Der Übergang von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechselbewirtschaftung raubt den Herden ihre traditionellen Futterflächen. 1863 löst ein Blitzschlag „morgens um 6 Uhr" ein verheerendes Feuer auf dem Schafhof aus. An diesem 22. Juli brennt bis auf das Wohnhaus alles nieder. Nachdem um 1880 noch hundert Kühe gehalten wurden, widmen sich die Pächter wenige Jahre danach dem Obstanbau und den Ackerfrüchten.

Mit der Übernahme durch das Sankt Katharinen- und Weißfrauenstift aus Frankfurt bricht 1899 eine neue Episode an. Während des Ersten Weltkriegs sind 48 Mastschweine, sechs Zuchtsauen und ein Eber auf dem Hof zu Hause. Zwischen 1920 und 1932 nutzt die Frankfurter Anna-Schule das leere Pächterhaus als Landschulheim.

Die Brunnen sind schon länger zur Trinkwassergewinnung nicht mehr nutzbar - die ewige Berieselung durch Jauche hat das wertvolle Naß ungenießbar gemacht. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts präsentieren sich die Gebäude in desolatem Zustand.

Schließlich pachtet Liselott Linsenhoff 1970 das Anwesen. Pächter- und Gesindehaus müssen abgebrochen werden, innerhalb eines Jahres wird ein Trainingszentrum für den Reitsport aus dem Boden gestampft. Teile der alten Scheune und zwei Stallflügel mit ihren gußeisernen Säulen bleiben erhalten.

Ann Kathrin Linsenhoff, die derzeitige Hausherrin, hat gepflanzt, renoviert und so ein Schmuckstück geschaffen. Die älteste Zeugin der Schafhof-Historie steht bis heute inmitten des ehemaligen Dreiseitgehöfts: die mehr als 200 Jahre alte Linde; deren Holz allen Stürmen der Zeit getrotzt hat.

Das Buch „Der Schafhof in Kronberg. Im Wandel der Zeit" hat 208 Selten und kostet 24,90 Euro. Die ISBN-Nummer lautet:78-3-7973-1056-9.

Frankfurter Rundschau - 24.1.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR