Schuften für den Feind
Wie Lokalhistoriker Bernd Ochs ein vergessenes Arbeitslager wiederentdeckt hat

Von Andreas Kraft

Heute befinden sich gegenüber des Rolls-Royce-Werks ein paar Wohnhäuser. Während des zweiten Weltkriegs jedoch stand zwischen Hohemarkstraße und Dornbachstraße das größte Zwangsarbeiterlager im Vordertaunus. 1943 lebten dort mehr als 200 Menschen. Sie kamen aus Holland, Frankreich, Tschechien oder der Ukraine. Doch Oberursel hat das Lager heute fast vergessen. „Das Camp King ist vielen präsent", sagt Lokalhistoriker Bernd Ochs, „aber an das Arbeitslager erinnert sich kaum jemand."

Auch er selbst stieß eher zufällig darauf, als er vor gut fünf Jahren mit Georg Uhlig sprach. Der gelernte Maschinenschlosser lernte das Lager erst nach dem Krieg kennen. Als Gefangener der Amerikaner half er dabei, die Maschinen der Klöckner-Humboldt-Deutz AG zu demontieren, die als Wiedergutmachung für die von Deutschland verursachten Kriegsschäden ins Ausland gingen. Weil Uhlig gut Englisch sprach, freundete er sich auch mit einigen Wachen an. Ein Soldat schenkte ihm Fotografien des Lagers, der Kommandant besorgte ihm sogar einen Job in Bad Homburg.

Doch mit den anderen Häftlingen hatte Uhlig nach der Entlassung nie wieder Kontakt. Bevor Uhlig im Januar 2004 starb, protokollierte Ochs dessen Erinnerungen. Doch dem Lokalhistoriker reichte das nicht. Er wollte mehr über das Lager wissen. So stöberte er in Archiven: im Rolls-Royce-Museum, im Brandkataster, im Staatsarchiv in Wiesbaden. „Es ist schwer, über diese Zeit zu forschen", so Ochs. „Es wurde wenig festgehalten und viel vernichtet." Doch Ochs war offenbar hartnäckig genug. Er hat die wenigen gesicherten Fakten über das Lager zusammengetragen. Wer seinen Artikel in der jüngsten Ausgabe der Mitteilungen des OberurseSchuften - Uhlig001ler Geschichtsvereins liest, bekommt einen Eindruck vom Lager.

So steht etwa in der Baugenehmigung für die Baracken, die das Unternehmen vom Frankfurter Gewerbeaufsichtsamt bekam, daß in den Schlafräumen für jeden Arbeiter zehn Kubikmeter Luft vorzusehen seien und für jeden Ausländer fünf Kubikmeter. In den Aufenthaltsräumen, so die Auflagen, müsse für jeden Arbeiter ein Quadratmeter vorgesehen werden, für Ausländer 0,75 Quadratmeter.

In den großen Baracken kamen so 120 Zwangsarbeiter unter, zwölf Mann pro Zimmer. Zudem teilte ein drei Meter hoher Bretterzaun das Lager. Vorne waren die „ausländischen Zivilarbeiter" untergebracht, die angeworben wurden und dann ihre Rechte verloren, hinten die Kriegsgefangenen.

Rings um das Lager stand ein drei Meter hoher Stacheldrahtzaun, der einen halben Meter tief in der Erde verankert war. 80 Zentimeter dahinter ein so genannter Warndrahtzaun. Doch die Namen der Menschen, die dahinter gefangen gehalten wurden und gegenüber in der Motorenfabrik arbeiten mußten, sind verloren. Bernd Ochs konnte sie nicht finden.

Frankfurter Rundschau - 4.3.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR