Gegrillte Schweineschnuten
Cecilia Moneta erforschte die Reste des Saalburg-Dorfes - und fand Tavernen, Werkstätte, Heiligtümer

Von Klaus Nissen

Wo verabredeten sich die Hochtaunus-Bewohner im Jahre 200 auf ein Glas Wein? Bad Homburg gab es noch nicht. Aber den Saalburg-Gasthof. Der Vorgängerbau des heutigen Gastronomiebetriebs lag etwa 50 Meter bergauf, links von der heutigen Zufahrt zum Saalburg-Parkplatz. Die Fundamente eines langgestreckten Gebäudes entdeckten Louis Jacobi und sein Sohn Heinrich bei den Ausgrabungen vor gut hundert Jahren. Der Gasthof hatte zwei Steinkeller. In einem fanden die Archäologen zwei leere Amphoren, im Nachbarkeller sogar zehn. Mindestens zwei weitere Tavernen weist die Doktorandin Cecilia Moneta in ihrer jetzt als Buch vorliegenden Dissertation über das Saalburg-Lagerdorf nach. Die etwa 1200 Bewohner des römischen Kastelldorfes konnten richtige Kneipentouren unternehmen.

Die 1974 in Pisa geborene Italienerin hat ihren summa-cum-laude-Doktortitel redlich verdient. Finanziert vom Saalburg-Förderverein, vertiefte sich Moneta jahrelang in die Ausgrabungs-Tagebücher aus den Jahren 1850 bis 1934, entzifferte Heinrich Jacobis beinahe unlesbare Handschrift, sortierte Scherben und das in den Kellern und Brunnen gefundene Geschirr der Vicus-Bewohner. Daraus zog sie viele überraschende Erkenntnisse.

Das erste Lagerdorf wurde etwa ab dem Jahr 100 nach Christus vor dem Südtor entlang der Straße nach Nida (heute Heddernheim) angelegt. Es waren bis zu 37 Meter lange Streifenhäuser ohne Innenhöfe. „Hinten hatten sie Brunnen, Gärten und eigene Latrinen", berichtet Moneta. Die Häuser waren beheizbar. In ihnen lebten und arbeiteten die Angehörigen der bis zu 500 Soldaten aus der Zweiten Rätischen Kohorte.
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Die älteren Berufssoldaten wohnten wohl ebenfalls im Lagerdorf, wie der Landesarchäologe und heutige Saalburg-Chef, Egon Schallmayer, vermutet. Die ersten Soldaten und Lagerdorf-Bewohner kamen laut Moneta wohl aus Britannien. Darauf weisen Namens-Graffiti auf Scherben aus jener Zeit hin. Auch einige Germanen müssen im Dorf gewohnt haben. Es gab Handwerksbetriebe: Links der heute noch benutzten Straße vor dem Haupttor saß zum Beispiel ein Schuster und ein Schreiner, rechts davon fand man Gerätschaften einer antiken Arztpraxis.

Eher am Rande des Dorfes lagen die Heiligtümer: ein Kybele-Tempel und Andachtsorte zu Ehren gallischer Götter. Allerdings sei der Tempel des Jupiter Dolicheus rechts vom Kastell in Wirklichkeit eher ein Speicher gewesen, meint Moneta nach gründlicher Analyse. Und wo Jacobi einst die Grundrisse eines Mithras-Heiligtums erkannte und restaurierte, befand sich laut Moneta „nur" eine große Grabeinfassung. Ein von Jacobi wiederum als Grabeinfassung betiteltes Mauergeviert war nach Ansicht der Doktorandin das Fundament einer Grillstation. Die Römer hätten sich gern aus Garküchen verpflegt, ergänzt Schallmayer. „Gegrillte Schweineschnuten müssen eine Delikatesse gewesen sein."

Gab es auch ein Lagerbordell? Dazu fand man keinen Hinweis. Solche Dienstleistungen seien in den Gasthäusern angeboten worden, meint der stellvertretende Saalburg-Direktor Carsten Amrhein.

LEBEN AM KASTELL

Vor etwa 1900 Jahren entstand ein kleines, wohl von Briten bewohntes Dorf südlich des Saalburg-Kastells. Ab etwa 125 nach Christus wurde es erweitert und umfaßte später bis zu 1500 Menschen auf 15 Hektar östlich, südlich und westlich des Kastells. Im Jahre 233 überfielen die Alemannen das Dorf und brannten es nieder. Die Bewohner flüchteten ins Kastell und zogen dann nach Mainz oder Heddernheim.

Ein 684 Seiten starkes Buch über die Ausgrabung des Lagerdorfs bietet der Verlag Philipp von Zabern für 69 Euro an. Es ist im Saalburg-Laden erhältlich.

Neues vom Vicus erzählt die Autorin Cecilia Moneta bei einer Führung am Samstag, 30. Oktober, ab l4 Uhr. nes

Frankfurter Rundschau - 26.10.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Zur derzeit gängigen Zeitangabe “nach Christus”:
Was meint ein Autor eigentlich damit? 100 Jahre nach “Null”? Nach etwa 10? Nach etwa 35? Oder ist das die übliche Beliebigkeit  der heutigen Zeit?
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