Streit um Ur-Homburger
Bad Homburg Historiker sind sich nicht einig

Von Günther Scherf

Wer ist der älteste Homburger? Gebührt die Ehre einem Herrn namens Wortwin oder eher einem Werner von Braunshorn? Und was haben die beiden mit Elvis Presley zu tun? Vor 25 Jahren feierte die Kurstadt ihr vermeintlich 1200-jähriges Bestehen. Daß jenes Datum falsch war, gilt inzwischen als sicher. Wie es um die Entstehung der Stadt tatsächlich bestellt ist, bleibt unter Lokalhistorikern strittig.

Die wichtigsten Quellen, auf die sich die Kontrahenten berufen, sind die gleichen: Lehensverzeichnisse aus jener mittelalterlichen Zeit, als die Herren von Eppstein im Taunus regierten. Amtliche Dokumente also, aus denen hervorgeht, wer wem welche Grundstücke und Güter zur Bewirtschaftung überlassen hat. Die freilich sind in lateinischer Sprache abgefaßt, und ihre Übersetzungen ins Deutsche lassen offensichtlich jede Menge Spielraum zum Interpretieren.

Rüdiger Kurth, Archäologe und pensionierter Geschichtslehrer, ist davon überzeugt, daß Ritter Wortwin der älteste Homburger ist. Er sei laut besagten Urkunden um 1180 Besitzer der Burg Hohenberg gewesen, deren Überreste 1962 bei Grabungen unter dem heutigen Schloßhof gefunden und im vorigen Jahr vom Frankfurter Archäologie- Professor Joachim Henning präzise datiert wurden. Nicht zufällig habe sich jener Burgherr „Wortwin von Hohenberg" genannt, „wie es in adligen Kreisen üblich war". Er, so geht es für Kurth eindeutig aus der Urkunde hervor, habe die ihm gehörende Burg zusammen mit einem Lehen, das vor ihm Werner von Braunshorn inne hatte, an Gottfried von Eppstein verkauft.

„Sehr gewagt" nennt indessen Stadtarchivarin Astrid Krüger die Schlußfolgerungen des pensionierten Geschichtslehrers Kurth. Der grammatische Aufbau jener Urkunde, die mit Beneficium Wortwini überschrieben ist und die die wechselnden Besitzer jener Burg und der Güter an ihrem Fuße auflistet, kenne nur ein Subjekt, nämlich Werner von Braunshorn. Es sei zwar nicht sicher, aber zumindest wahrscheinlicher, daß dieser der früheste Besitzer der Burg Hohenberg war, und damit der „älteste Homburger" genannt werden könnte.

Minnesänger war Grundherr

Daß Wortwin die Burg in seinem Namen führte, besage gar nichts, sagt Krüger: „Das ist kein Adels- oder Ritterprädikat, sondern eine Herkunftsbezeichnung", die auch noch viele andere Männer fühlten, deren Namen in den Lehensverzeichnissen jener Zeit stehen.

Unbestritten ist etwas anderes: Zu den Vorbesitzern, denen einst der Pfalzgraf die später Beneficium Wortwini genannten Güter als Lehen überließ, gehörte auch ein Friedrich von Hausen. Der wiederum war laut Kurth „wohl einer der berühmtesten Minnesänger des Hochmittelalters" oder, wie Kurth es auch formuliert, „ein Elvis des Hochmittelalters, wenn es denn legitim ist, ein Rockidol des 20. Jahrhunderts mit ihm parallel zu setzen". Wichtiger noch: Friedrich von Hausen sei mit Kaiser Barbarossa befreundet gewesen, habe ihn auf

dem dritten Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems begleitet und sei dabei in einer Schlacht gefallen. Kurth nennt in seinem Papier mit der Überschrift „Und Wortwin war es doch!!!" auch die Namen jener Pfalzgrafen, die als oberste Lehensherren die strittigen Güter in Homburg welchem Ritter auch immer überlassen haben: Konrad der Staufer (l 156 -1195, ein Halbbruder Kaiser Barbarossas) und Heinrich der Ältere (1195 -1212, der älteste Sohn Heinrich des Löwen). „Es ist wirklich erstaunlich zu sehen, wie das erst im Entstehen begriffene  Bad  Homburg schon damals durch seinen Begründer Wortwin von Hohenberg mit der großen Politik in Verbindung gestanden hat", schlußfolgert er weiter - und beharrt darauf, daß die Stadt ihren Gründer Wortwin angemessen würdigen müsse: „Es muß ja nicht unbedingt der Schloßplatz sein."

Dessen Umbenennung hatte Oberbürgermeisterin Ursula Jungherr (CDU) nämlich bereits abgelehnt. Auch deswegen, weil Kurths Thesen über Wortwin noch viel zu gewagt seien.

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Der Minnesänger und Homburg-Besitzer Friedrich von Hausen (um 1155 -1190) in einer Illustration des Kodex Manesse um 1310. wikipedia

Frankfurter Rundschau - 11.07.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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