Über die Altstadt wird schon lange gestritten
Eine Ausstellung des Instituts für Stadtgeschichte zeigt, daß die anhaltende Debatte nicht erst vor 60 Jahren begonnen hat

Schon vor der Zerstörung im Bombenkrieg hatte Frankfurt sein Altstadt-Ensemble nicht mehr gepflegt. Das zeigen Quellen des Stadtarchivs, die im Mittelpunkt einer Ausstellung im Karmeliterkloster stehen.

Frankfurt - „Das Alte stürzt..." titelt der Frankfurter Generalanzeiger vom 23. November 1926 und meldet den Zugriff der Spitzhacke auf die Stadtgeschichte: „Kleine Schildchen an einzelnen Häusern der Metzger- und Schlachthausgasse verkünden in den letzten Wochen, daß hier Häuser auf Abbruch abzugeben seien." Man liest von armen, kranken Kindern und einem „Entsiedelungsprogramm" in den Vitrinen des Karmeliterklosters, von „Straßendurchbrüchen" und „Dom-Freilegung" und ahnt, daß das Bangen und Ringen um die Altstadt kein neues Thema ist und auch nicht erst vor 60 Jahren begonnen hat.

Luft und Licht für die Kleine Fischergasse: Hier der Zustand von 1937, als zur Sanierung Anbauten, Schuppen und Hinterhäuser gefallen waren. Das Bild ist in der Papierausgabe der FR enthalten.

Helmut Nordmeyer, der für das Institut für Stadtgeschichte die Ausstellung unter dem Titel „Die Frankfurter Altstadt gestern, heute, morgen" zusammengestellt hat, spricht von „Überhöhung" des verlorenen historischen Quartiers in der aufgebrochenen Städtebau- Debatte. Die Dokumentation solle die Fakten zurechtrücken: „Nur bis ins 18. Jahrhundert hinein war in der Altstadt wirklich etwas los, dann kam der Abstieg." Da seien die Messen auf dem Römerberg bereits „zu bloßen Jahrmärkten verkümmert", sei auch der so pulsierende Handel auf den Mainkais bereits Vergangenheit gewesen: Mit der Börse waren die kleinen und großen Geschäfte in die Neustadt, nahe Roßmarkt und Hauptwache, umgezogen. Und während Frankfurt sich dort immer wieder in eine neue bauliche Haut hüllte, alte durch neue Häuser ersetzt wurden, blieb die Altstadt liegen, wie sie war. „Die Reichen suchten das Weite, zurück blieb ein Elendsviertel", analysierte der Frankfurt- Historiker.

„Schwarz eingeräucherte Häuser"

Auch für die „romantische Verklärung des Mittelalters" waren im Stadtarchiv Beispiele aus vergangenen Zeiten zu finden. Wer von auswärts in die Stadt kam, der schilderte den „gegenwärtigen Zustand der Freien Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn" bereits im 18. Jahrhundert ernüchternder: „Wenig Luft wird daselbst gespühret, und die Sonne wirfft ihre Stahlen gleichsam im Vorbeigehen hinein", hat ein Reisender namens Johann Bernhard Müller in die Annalen eingeschrieben.

Die „Wiederbelebungsversuche" des hiesigen Rats aber, arbeitet Nordmeyer heraus, setzten ein Zerstörungswerk in Gang, eines Stadtbildes, das hart umkämpft war. [Unklarheiten im Original]

Die Ausstellung widmet sich auch den Häusern Zur Goldenen Waage und Rotes Haus, deren Wiederaufbau diskutiert wird; beides Sehenswürdigkeiten, die als Postkartenmotive in die Welt gingen. Die Schau wirft ein Licht auf die Altstadt-Zerstörung in drei Nächten des Jahres 1944 und spiegelt schließlich die endlose Aufbau-Debatte, die im Sommer 1949 begann. Bis 1951 waren „78 Altstadt-Parzellen mit dem Mittel der Enteignung zu 21 Liegenschaften zusammen gezogen".  Claudia Michels

ALTSTADT IM WANDEL
 Die neue Ausstellung im Karmeliterkloster
über die Geschichte und Entwicklung der Frankfurter Altstadt ist bis zum 17. April zu sehen, der Eintritt ist frei. Das veranstaltende Institut für Stadtgeschichte / Stadtarchiv will damit Fakten zur Diskussion um die neue Bebauung zwischen Braubachstraße und Kunsthalle Schirn beitragen, wenn das Technische Rathaus abgebrochen ist.
 Öffnungszeiten: montags bis freitags von 8.30 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr. Ein kostenloses Begleitheft liegt aus. CLAU

Frankfurter Rundschau - 3.3.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Eine absolut notwendige Ausstellung, die hoffentlich der Aufklärung der Altstadt- Nostalgiker dient.

Der Kommunalpolitik in Frankfurt am Main wünschen wir eine ruhige Hand.