Parallelwelt hinter Mauern: Frankfurter Judengasse
CDU und Grüne wollen im Stadtbild an die einstige Judengasse und Judenmarkt erinnern

Von Anita Strecker

Der Frankfurter Rat hat gesprochen: Die Juden in der Stadt sollen in ein Ghetto außerhalb der Stadtmauern ziehen und ihre Wohnhäuser in der Altstadt räumen. Von den Handwerkszünften ausgeschlossen, sind die meisten Händler, wohnen an der Schirn rund um den Dom. Es ist das Jahr 1460 und der Beschluß das Ende eines 30-jährigen Ringens, Streitens, Bittens und Diskutierens um die Umsiedlung der Juden oder gar deren komplette Vertreibung. Selbst König Friedrich III. hatte wiederholt gedrängt, die Juden umzusiedeln und ihre Synagoge in der Altstadt zu zerstören, weil „durch das Geschrei der Juden in ihrer Synagoge" der Gottesdienst im Dom geschmäht würde.

Rund 100 Familien leben zu der Zeit in der 8000 Seelen-Stadt, die wegen ihres Handels und ihres Interesses an vermögenden Bürgern als einer der ältesten Siedlungsorte für Juden gilt. Aber jetzt soll damit Schluß sein, die Juden müssen weichen, die zuvor unter Auflagen und Restriktionen wenigstens geduldet waren. Einen 15.000 Quadratmeter großen Geländestreifen, 330 Meter lang und rund 50 Meter breit, hat der städtische Rat ausgewiesen. Gedacht für 10 bis 15 Familien, zieht sich das Ghetto von der Konstablerwache entlang der Staufenmauer und der Kurt-Schumacher-Straße bis zu den Stadtwerken. Das Gelände wird mit Mauern abgeschottet, drei Tore führen nach draußen, bleiben an Sonn- und Feiertagen aber geschlossen.Frankfurt_Judengasse_1868 - 471px-

Alle Spuren sind verwischt. Das Ghetto ist abgerissen, Judengasse und Judenmarkt in Börnestraße und Börneplatz umbenannt, den die meisten nur noch als Straßenbahn-Haltestelle kennen. Der Rest ist unter der Konstablerwache, der Kurt-Schumacher-Straße und den Stadtwerken verschwunden. CDU und Grüne wollen die Erinnerung wachrufen und Börneplatz samt Judengasse im Stadtbild sichtbarer machen, wie die kulturpolitischen Sprecherinnen beider Fraktionen, Alexandra Prinzessin von Hannover (CDU) und Heike Hambrock (Grüne) sagen. So solle eine Stele oder Tafel auf die Historie des Orts und den neuen Börneplatz hinweisen, der als Teil der Gedenkstätte für Holocaust-Opfer von der Straße her gar nicht zu sehen sei. „Auch im Eingangsbereich des Museums Judengasse läßt sich der Bezug zum Börneplatz beziehungsweise zum Judenmarkt nicht ableiten", rügt Hambrock. Alexandra Prinzessin von Hannover regt an, den Verlauf der Judengasse, wo er nicht überbaut ist, durch Markierungen im Straßenpflaster hervorzuheben, um die Geschichte der jüdischen Gemeinde lebendig zu halten.

1460 ist die Stimmung zunehmend feindselig. Juden dürfen keinen Grundbesitz mehr erwerben, nicht mehr in die Badehäuser, der Kontakt wird systematisch unterbunden, Frankfurt in Parallelwelten geteilt. Und beide Seiten wachsen. Bis zum 18. Jahrhundert schachteln sich fast 200 Häuser entlang der einzigen Mittelgasse, rund 3000 Menschen drängen sich im Ghetto, das mehr und mehr zum Altstadt-Slum verkommt. Denn wer kann, zieht hinaus, erkauft sich für teures Geld die Bürgerrechte und damit die Lizenz, sich in anderen Teilen der Stadt niederzulassen. 1811 immerhin hebt die Stadt den Wohnzwang auf.

Fast 50 Jahre später fordert der Gemeinderabbiner Leopold Stein, das heruntergekommene Quartier endlich abzureißen, was zwischen 1864 und 1885 auch geschieht. Die Judengasse wird in Börnestraße umbenannt, das neue Frankfurt will aufräumen mit Diskriminierung und Verfolgung. Zur Einweihung der neuen Synagoge 1860, die die alte Ghetto-Synagoge ersetzt, sind bereits Vertreter der Stadt anwesend. Als Zeichen von Aufgeklärtheit und Toleranz, die gerade sieben Jahrzehnte reicht.

Frankfurter Rundschau - 13.6.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Drangvolle Enge in der Judengasse des 19. Jahrhunderts. Das obige Bild vermittelt einen Eindruck. Restrukturierung von alten Gassen und Vierteln aus Prinzip? Auch den Gedanken sollte man sich sehr kritisch durch den Kopf gehen lasse.
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Löblich - daran zu erinnern, unter welchen elenden Bedingungen Frankfurter Juden ewig-lange vegetieren mußten. Auf Geheiß der christlich-bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft, dargestellt durch den stark antijüdischen Magistrat.
11.134 Frankfurter Juden bezahlten in der Nazizeit diesen Wahn mit ihrem Leben.

Nehmen Sie sich die Zeit, den ausgezeichneten Abriß in Wikipedia über die Frankfurter Judengasse zu studieren! Staunen Sie mit uns Nachgeborenen, zu welchen Ergebnissen religiöser Wahn und Rassenhaß führen.

Wollen Sie einen Blick werfen auf das damalige Judenviertel? Sehen Sie diesen Stadtplan-Auszug.