Frankfurts Kern
Zur Kaiserkrönung erweiterten die Stadtregenten jedes Mal den Römer, dieses weit verzweigte Ensemble

Von Matthias Arning

An kritischen Stimmen hat es damals nicht gemangelt. Einen Anschluß an Preußen, glaubten nicht wenige in Frankfurt schon vor dem Preußisch-Österreichischen Krieg 1866, dürfte der Stadt gut tun. Wirtschaftlich wie politisch. Von anderen Impulsen ganz zu schweigen. Im Oktober annektierten die Preußen die drei Monate besetzte Stadt. Das stolze Gemeinwesen verlor seine Unabhängigkeit, und „konnte doch vieles gewinnen". Zumindest ist Helmut Nordmeyer davon überzeugt. „Denn doll", da empfiehlt der Historiker, sich besser nichts vorzumachen, sei es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um die Stadt bestellt gewesen. Vom Boom der Messe habe man nichts mehr spüren können. Impulse für Veränderungen seien mit Preußen verbunden gewesen. Etwa beim Umbau des Römers, der 1896 „nach ewiger Diskussion" begann.

Damit das Rathaus seinen provisorischen Charakter verlieren würde. Und um den Debatten über einen Neubau endlich die Grundlage zu entziehen. Die grundlegende Entscheidung stand: Der Römer würde als Ensemble von insgesamt elf Gebäuden weiter entwickelt. Mit Hilfe der Preußen. „Wilhelm II. hängte sich da rein", berichtet Nordmeyer, der im Historischen Museum für den Bereich Sammlung verantwortliche Mann. Wäre es nach dem Kaiser gegangen, „hätte man in der Mitte der Stadt eine neogotische Pracht entfaltet". Ist nichts draus geworden. Vielleicht besser so. Und über gewisse Verstimmtheiten der Hoheit, darüber sei nichts bekannt, sagt Nordmeyer.

„Die große Veränderung" des Ensembles brachte dem Römer „die Fassade, die wir heute kennen". Und das Ende der Bemühungen, mit dem Zukauf weiterer Patrizierhäuser das Rathaus weiter expandieren zu lassen an der Stelle, an der die Frankfurter einst ihren Handel vom Main aus in Richtung Liebfrauenberg betrieben.

Am Anfang des Ensembles stand die Überlegung, in der Stadt der Krönungen einen angemessenen Ort bürgerlicher Repräsentanz zu schaffen. Ein Ort, der anderes bieten sollte als das frühere Rathaus an der Stelle des heutigen Domturms. Es sollte etwas sein, das den Adeligen mehr Respekt abnötigte. Ein Ort inmitten der Stadt, an einem zentralen Platz also. Ganz so wie in norditalienischen Städten.

Das stattliche Patrizierhaus von Konz und Hinz Kölner ergänzt um das ebenfalls der Familie gehörende Gebäude Goldener Schwan, dieses sich rückwärtig an den Römer anschließende Haus, bildete von 1405 an das Fundament des künftigen Gebäudekomplexes. Das heute dazu gehörige Haus Laderam, auch Alt-Limpurg genannt, und das angrenzende Haus Silberberg dienten Patriziern seit dem 15. Jahrhundert als Versammlungslokal. „Während andere Städte klotzten", weiß Nordmeyer, „blieb Frankfurt Stückwerk". Erst 1878 sei das Ensemble komplett gewesen.

1944 sei vom Rathaus nach den Luftangriffen nicht mehr viel übrig geblieben. Mit dem Beginn des Krieges hat man die Gemälde der Kaiser, die eine Tradition der Krönung in Frankfurt von Konrad I. im zehnten Jahrhundert begründeten, in ein Depot ausgelagert. In den rekonstruierten Kaisersaal, der über zwei Geschosse reicht, und sich heute zu besonderen Ehrungen für verdiente Bürger und erfolgreiche Sportler öffnet, kehrten die Bildnisse 1955 zurück. Gleich gegenüber des Kaisersaals hat die heutige Stadtregentin Petra Roth ihr großzügiges Büro.

Die Kaiserkrönungen, erzählt Historiker Nordmeyer, seien immer wieder Anlaß gewesen, am Römer „etwas zu machen". Etwa zur Krönung Josephs II. im Jahr 1765. Damals erwies sich der Sachsenhäuser Brückenturm als zu niedrig, um die Karossen des künftigen Kaisers passieren zu lassen. Man brach sie ab. Und nahm später das Motiv in einer Kopie des Turms wieder auf, die bis heute den Eckpfeiler auf der Rückseite des Römers zur Bethmann-Bank hin bildet. „Langer Franz" heißt der Turm, benannt nach Oberbürgermeister Franz Adickes.

Und so, sagt Nordmeyer am Ende eines morgendlichen Spaziergangs durch das Ensemble, das man als Römer bezeichnet, „denkt man an verschiedenen Stellen des Rathauses immer wieder - Mittelalter." Stimmt aber gar nicht. Neuzeit, 19. und 20. Jahrhundert. Woraus man lernen kann, daß „es bei Bebauungen keinen Stillstand geben kann". Eine Lehre aus der Geschichte, die mancher Altstadt-Debatte gut tun kann.
 

RÖMER - FRANKFURT FÜR ANFÄNGER

In der Goldenen Bulle hat Karl IV. im Jahr 1356 Frankfurt offiziell zum Ort der Königswahl bestimmt. Damit war klar: Das Rathaus, das an der Stelle des späteren Domturms stand, reichte für Aufgaben dieser Dimension nicht mehr aus.

Das neue Rathaus, das die Frankfurter errichten wollten, sollte gleichzeitig Stätte für den Reichstag und die Königswahl, der Sitz der Stadtverwaltung und Kaufhaus in Zeiten der Messe sein.

Den Römer, ein überaus stattliches Wohnhaus, erwarben die Frankfurter 1405 von Konz und Hinz Kölner am Marktplatz, einem Ort, über den der gesamte Handel von den am Main liegenden Schiffen zum Liebfrauenberg hinauf abgewickelt wurde.

Das Haus Goldener Schwan, das sich an den Römer rückwärts anschloß, erwarb der Rat als zweites Haus. Bis 1908 kauften die Stadtregenten elf Patrizierhäuser zusammen, die heute das Ensemble Römer ausmachen.

Frankfurter Rundschau – 29.11.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Mit Preußen in die Zukunft: na bitte, ging doch!