Gedenken an Familie Friedmann
Stolpersteine in der Hellmundstraße 37 verlegt / Verwandte aus Israel und Amerika zu Gast

Von Waltraut Rohloff

Arjeh Friedmann aus Holon (Israel) will dabei sein, wenn für Mitglieder seiner Familie „Stolpersteine" verlegt werden. Vor zwei Jahren war er bereits in Wiesbaden, als vier Steine vor dem Haus Scharnhorststraße 48 ins Pflaster eingelassen wurden, um so der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Gestern stand er „sehr gerührt" vor dem Haus Nummer 37 in der Hellmundstraße. Heute wird er in Frankfurt dabei sein, wenn weitere Stolpersteine verlegt werden.

Stolpersteine für Familie Friedmann

Andreas Siegmund (rechts) ist Pate des Stolpersteins für Sure Lisa Friedmann, einer Tante Arjeh Friedmanns (links).

Mit den Stolpersteinen auf Gehwegen werde die Vergangenheit in den täglichen Gang einbezogen, würdigt Arjeh Friedmann die Aktion. Zusammen mit seinem Verwandten David Melvin aus New Jersey (USA) schaut er in sich gekehrt zu, wie Ertan Tezcan vom Bauhof unter der Klingelleiste für Vorder-, Mittel- und Hinterhaus die Steine einhämmert. Die Erinnerungssteine für Sure Lisa Friedmann und ihren Sohn Rudi sind im Wiesbadener Stolpersteine-Verzeichnis mit den Nummern 133 und 134 registriert. Die Patenschaft für die Steine in der Hellmundstraße haben Sabine und Andreas Siegmund übernommen.

Sure Lisa Friedmann war eine Tante von Arjeh Friedmann und Rudi war ein Cousin von David Melvin. Mutter und Sohn waren Angehörige einer großen und weit verzweigten Familie. Ein Jahr lang haben Arjeh Friedmann und Georg Schneider vom Aktiven Museum Spiegelgasse intensiv nachgeforscht.

Von 21 Familienmitgliedern sind nur vier der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten entkommen. Sure Lisa Friedmann, eines von sechs Kindern der aus der Ukraine nach Wiesbaden zugewanderten Eheleute Jakob und Ida Friedmann, wurde zusammen mit ihrem Sohn und 350 weiteren jüdischen Familien aus Wiesbaden am 10. Juni 1942 nach Lublin deportiert. Rudi kam im Alter von 20 Jahren am 21. August 1942 im Konzentrationslager Majdanek ums Leben. Sure Lisa Friedmann (54) wurde in Sobibor vergast.

Von 1932 bis 1941 wohnten Jakob und Ida Friedmann mit ihren Kindern im ersten Stock des Hinterhauses in der Hellmundstraße 37. Zuvor lebten sie im Hirschgraben 16, in der Yorkstraße 8, Bertramstraße 20, Goebenstraße 19 und in der Faulbrunnenstraße 7. Nach dem Tod der Eltern (1939 starb der Vater, 1941 die Mutter) lebten noch elf Familienmitglieder in Wiesbaden und sechs in Frankfurt.

Moritz Friedmann, Vater von Arjeh Friedmann und jüngster Bruder von Sure Lisa, ist dem Vernichtungsprogramm entkommen. Jeder Stolperstein, der verlegt wird, ist für Arjeh Friedmann „ein wichtiger Tag", weil die bemerkenswerte Geste an ein „furchtbares Geschehen" erinnert. Zum Abschluß der gestrigen Aktion zitierte Friedmann einen gängigen Satz seines Vaters Moritz: „Ein bißchen spät ist es ja schon, aber es ist etwas dabei herausgekommen."

 

DAS PROJEKT

135 Stolpersteine des Projekts von Gunter Demnig wurden seit 2005 in Wiesbaden verlegt; Ende August sind die nächsten Termine geplant.

Der Ortsbeirat Rheingauviertel hat jüngst beschlossen, zehn Patenschaften zu übernehmen. 61 jüdische Bewohner des Rheingauviertels sind in Vernichtungslagern getötet worden.

Die Patenschaft für einen Stein kostet 105 Euro; 95 Euro bekommt Demnig, zehn Euro das Aktive Museum Spiegelgasse für deutsch-jüdische Geschichte.

Frankfurter Rundschau – 25.4.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR