Schau über 400 Jahre Zeitungsgeschichte
Gutenbergmuseum in Mainz widmet sich „unerkannter Kulturmacht" / Vom Posthorn bis zur Satelliten-Übertragung
VON MICHAEL GRABENSTROER

400 Jahre Zeitungsgeschichte dokumentiert das Mainzer Gutenbergmuseum in einer Ausstellung. 90 Prozent der Exponate stammen aus der Sammlung Stiftung Deutsches Zeitungsmuseum des Zeitungswissenschaftlers Martin Welke. Sie bleiben dauerhaft im Gutenbergmuseum.

Mainz – 10. Juli 2005 - Zeitungen entziehen sich weitgehend der musealen Darstellung. Nichts ist für den Museums-Normalbesucher unattraktiver als eine unter Glas aufbewahrte schwarz-weiße Seite, die sich nicht einmal umblättern lässt. Vor rund 80 Jahren gab es in Köln den letzten Versuch, die Geschichte der Zeitung darzustellen. In Mainz wird er nun erneut unternommen. Der Zeitungswissenschaftler Martin Welke hat eine seiner Sammlungen dem Mainzer Gutenbergmuseum gestiftet, das damit eine Lücke der Darstellung der Druckgeschichte schließen kann. Denn ohne Gutenberg, den Erfinder Druckkunst, gäbe es keine Zeitung, die in den vergangenen 400 Jahren die Welt mit verändert hat.

Die Ausstellung „Schwarz auf Weiß", die erstmals dem Zeitungswesen im Weltmuseum der Druckkunst einen größeren Raum einräumt, greift zurück auf „handfeste Exponate", sagt Kurator und Sammler Martin Welke. Das Signalhorn des Postillons liegt neben einem Morsegerät. Unter der Decke hängt eine Satelliten-Nachbildung. Zeitung-Machen war stets auf die technisch schnellste Übermittlung von Neuigkeiten und Nachrichten angewiesen. Handgreiflich auch das Auslieferungsfahrrad der Berliner Zeitung oder ein Oldtimer aus den 30er Jahren. Zeitungsproduktion, das vermittelt die Ausstellung anschaulich, war immer eine Mischung zwischen Nachrichtenbeschaffung, redaktioneller Aufarbeitung, technischer Umsetzung und schnellen Vertriebsstrukturen. Felder, die die Schau in Mainz jedenfalls andeutungsweise abdecken kann.

Rund eine halbe Million Euro kostet die Schau im Gutenberg-Museum. Davon wird die Hälfte durch Sponsoren aufgebracht. Anlass ist das 400-jährige Bestehen der Zeitung. Im Straßburger Stadtarchiv fand Welke mit seinem französischen Kollegen Jean-Pierre Kintz den Nachweis für das Ursprungsjahr. Seinerzeit wollte der Straßburger Buchbinder Johann Carolus vom Magistrat das Monopol, seine Zeitungen gedruckt verbreiten zu können. „Weil es mit dem Abschreiben zu langsam ging" hatte er sich eine Druckerei zugelegt. Das Monopolbegehren wurde in der Dezember-Sitzung des Jahres 1605 vom Straßburger Magistrat abgeschlagen. Das gilt der Zeitungswissenschaft als ältester Nachweis einer gedruckten Zeitung. Das Original gibt es nicht mehr. Die Originalbittschrift hängt im Mainzer Museum als Geburtsurkunde für 400 Jahre Zeitung - eine Leihgabe aus Straßburg.

Bei der Ausstellungseröffnung bedauerte Welke, dass das Zeitungswesen in der Forschung noch immer ein „Aschenbrödel-Dasein" führe. Pressefreiheit und Demokratieentwicklung müssten als Synonym verstanden werden. Deshalb zeige die Ausstellung auch ein breites Feld zwischen der Zensur und dem Ruf nach Pressefreiheit auf, der immer auch mit dem Ruf nach mehr demokratischen Rechten verbunden war.

Für den Mainzer Ausstellungsmacher Welke ist Presse die „unerkannte Kulturmacht", die - so formulierte es der Kurator und Sammler - stets ein „Bannerträger der Wahrheit, aber auch ein Vorkämpfer der Lüge" war. Das Thema Zeitung, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD), sei als „Medium der ersten Medienrevolution" für die Stadt ein wesentliches Thema. Gedruckt wurden schließlich nicht nur Bücher sondern, so Beutel, „in weit größerem Umfange auch Zeitungen".

Schwarz auf Weiss - 400 Jahre Zeitung bis 30 Dezember, Mainzer Gutenbergmuseum, geöffnet täglich außer montags 9 bis 17 Uhr, sonntags 11 bis 15. Eintritt für Erwachsenen fünf Euro. Statt Katalog gibt es im Foyer eine Ausstellungszeitung.

 www.400-jahre-zeitung.de

Frankfurter Rundschau 11.7.05
11.7.05