Ein Kalender der Druiden
Im Archäologischen Park Glauberg eröffnet eine europaweit einzigartige Anlage

Von Jutta Rippegather

Sie ragen elf Meter aus dem Boden, sind gruppenweise angeordnet - ohne erkennbare Systematik. 16 dicke Eichenpfosten sind diese Woche in die Wetterauer Erde gesetzt worden. Ein astronomisches Bauwerk, dessen Vorgänger vor 2500 Jahren Druiden ermöglicht haben soll, den Beginn des neuen Jahres oder andere Festtage vorauszusagen. Die Anlage oberhalb des Fürstengrab-Hügels auf dem Glauberg ist die neue Attraktion des Archäologischen Parks Glauberg: ein rekonstruiertes keltisches Kalenderbauwerk, das laut hessischem Landesdenkmalamt europaweit einmalig ist.

Reste von Balken gefunden

Die Archäologen hatten lange über den Zweck der massiven Balken gerätselt, auf deren Reste sie bei Grabungen in den 90er Jahren gestoßen waren. Dann kam Bruno Deiss und hat sie mit seiner Theorie überzeugt. Der Professor am Institut für Theoretische Physik und Astrophysik in Frankfurt am Main geht davon aus, daß die 16 baumlangen Pfähle als Peilmarke dienten, um die Zyklen von Sonne und Mond genau bestimmen zu können, daß sie eine ähnliche Funktion hatten, wie das englische Stonehenge. An der Rekonstruktion kann er seine Theorie in den kommenden Jahren beweisen.

Benutzer des Kalenders sollen die keltischen Gelehrten gewesen sein, die Priester. Sie galten als Hüter der Zeit, was ihnen Ansehen und Macht verlieh. Mit Hilfe des Konstrukts sagten sie bestimmte religiöse Tage voraus, damit das Volk sich vorbereiten konnte. Oder wann die beste Zeit für Aussaat und Ernte war. Möglich ist dies, weil sich der Punkt, an dem Sonne und Mond aufgehen, von Tag zu Tag verschiebt. Zur Sommersonnenwende geht die Sonne ganz weit im Nordosten auf, zur Wintersonnenwende im Südosten.

An drei verschiedenen Stellen haben die keltischen Gelehrten die Stellung von Sonne und Mond bestimmt, sagt Dreiss und betont, daß sämtliche Erklärungen für die 16 Balken bislang noch blanke Theorie sind. „Es konnten also drei Menschen zur selben Zeit beobachten." Ob sie Druide hießen, wie Cäsar sie nannte? Ob sie wallende Gewänder und lange Barte trugen? Goldsicheln mit sich führten? Keiner kann das sagen.

Eins ist hingegen sicher: „Der Kalender war kein Observatorium, das wissenschaftlichen Zwecken diente", sagt Deiss. Er müsse dem Ahnenkult gedient haben. Wo die Balken standen und jetzt wieder stehen, haben die Wissenschaftler viele Beweise für eine überregional bedeutende keltische Kultstätte gefunden - für einen Heiligen Bezirk. „Die Gelehrten gingen hier in Zwiesprache mit den kosmischen Objekten, das war eine Kulthandlung", sagt der Astrophysiker. Auf diesem Weg erforschten die Druiden den Willen der Götter.

Marken am Horizont

Der Wissenschaftler geht davon aus, daß die Priester die Anlage so plaziert hatten, daß die Sonne zur Sonnenwende zum Beispiel exakt hinter der Bergspitze der Hardeck aufgeht - sie mußten sich nur an einen bestimmten Fixpunkt stellen. Der 15 Kilometer entfernte Berg Eichelkopf wiederum ist die Marke für Anfang November, die Halbzeit zwischen der herbstlichen Tag- und Nachtgleiche und der Wintersonnenwende. Das Kalenderbauwerk, das am l. September mit einem Fest eingeweiht wird, ist nur vorläufig die Hauptattraktion des Archäologischen Parks. In eineinhalb Jahren soll das Kelten-Museum oberhalb fertig sein. Es wird auch das Exponat beherbergen, das die von reizvoller Landschaft umgebene historische Stätte von einem Tag auf den anderen berühmt gemacht hat: den Keltenfürsten mit den großen „Ohren", seinem Kopfschmuck, eine 1,86 Meter große Statue aus Sandstein, die in den 90er Jahren in einem der Fürstengräber entdeckt wurde.

 

ARCHÄOLOGISCHER PARK GLAUBERG

Der Glauberg liegt 32 Kilometer nordöstlich von Frankfurt a.M. in einem Landschaftsschutzgebiet der hessischen Wetterau. Er ist ein letzter Basaltausläufer des Vogelsbergs und 271 Meter hoch.

Archäologische Untersuchungen
erfolgten bereits im 19. Jahrhundert. Intensiv wird das Plateau seit dem Jahr 1985 erforscht.

Eine Sensation brachten die Ausgrabungen der Fürstengräber aus dem Jahr 500 v.u.Z. zutage. Wissenschaftler entdeckten dort unter anderem eine Statue aus Sandstein, Schmuck und andere Grabbeigaben.

Rekonstruiert sind der Fürstengrabhügel, weitläufige Grabenwerke und die in Richtung Südosten führende Prozessionsstraße.

Frankfurter Rundschau – 24.8.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR