Kampf ums Kloster
Kritik an ungenügender Präsentation der Welterbe-Stätte / Kommission für Lorsch  jetzt soll über Verbesserungen beraten

Von Michael Brauer

Der Weg führt einen großen Namen, aber am Ziel wartet Kleingeisterei: Die Nibelungenstraße führt durchs südhessische Lorsch zum Unesco-Weltkulturerbe Kloster Lorsch. Der Besucher hat das Juwel der Anlage - die frühmittelalterliche Torhalle - noch nicht erreicht, da hält ihn ein Schild auf: „Wege sind ausschließlich Fußgängern, Krankenfahrstühlen und Betriebsfahrzeugen der Verwaltung vorbehalten." Es folgen Maßregeln und Verbote, die die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, die auf dem Schild verantwortlich zeichnet, gern den Besuchern mitteilt. Kein großer Auftritt für ein Weltkulturerbe. Wo doch jedes Jahr gut 240 000 Besucher dorthin pilgern.

Um denen einen erhabenen Eindruck des Erbes zu vermitteln geschieht nicht viel. Zwischen Torhalle und Basilika prangt völlig deplaziert ein arg ramponierter Marmor-Sarkophag zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Und der bröckelnde Putz im Eingangsbereich der Torhalle kündet auch nicht unbedingt von glänzender Vergangenheit. Aber es geht nicht nur ums Optische. Rund um die ehemaligen Klostermauern rumort es inzwischen überdeutlich, weil dessen Reste nach Ansicht vieler, die sich dem historischen Erbe verbunden fühlen, nicht entsprechend ihrer Bedeutung präsentiert werden. Einen besseren Auftritt der in Europa höchst bedeutenden karolingischen Abtei wünschen sich viele.

Seit Jahren liegen Vorschläge zur besseren Präsentation der Anlage auf Halde

„Da könnte viel mehr passieren", ärgert sich Lorschs Bürgermeister Klaus Jäger. Ihm fehlt bessere Orientierung für die Besucher ebenso wie Möglichkeiten, die Funde aus Lorsch zu zeigen. „Seit Jahren beschäftigen die sich mit Konzepten", schimpft er auf die Landesbürokratie und besonders die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen mit Sitz in Bad Homburg. Dieser Institution ist die Welterbe-Stätte in Lorsch untergeordnet, und bei ihr liegen seit Jahren Vorschläge zur besseren Präsentation der Klosteranlage auf Halde.

Der Leiter der Welterbe-Stätte Kloster Lorsch, Hermann Schefers, kann nur mit den Schultern zucken auf die Frage, warum diese Pläne nicht realisiert werden. Die Mittel, die nötig wären, sind bisher einfach nicht in Sicht und so muß Schefers blutenden Herzens zu anderen Orten in Hessen schauen, wo das Geld offensichtlich nur so sprudelt.

Ausstellungen der Lorscher Handschriften gibt es seit 2003 nicht mehr

In Bad Nauheim beispielsweise, im dortigen Sprudelhof: Für die Renovierung der Jugendstilanlage des vornehmen Kurortes sind insgesamt 50 Millionen Euro Landesmittel vorgesehen; 1,7 Millionen allein in diesem Jahr. Der Blick Schefers fällt aber auch auf die nur wenig von Lorsch entfernte Grube Messel. Das dortige Unesco-Weltnaturerbe bekommt ein neues Besucherzentrum. Hier hat sich das Land Hessen mit fünf Millionen Euro verpflichtet.

Dabei hatte es 1991 so verheißungsvoll angefangen - in dem Jahr als das Kloster Lorsch die erste Unesco-Welterbestätte in Hessen wurde. 1995 wurde das sehr durchdachte Klostermuseum eingerichtet. Das ist in Trägerschaft der Stadt Lorsch, des Landesmuseums Darmstadt und der Schlösserverwaltung, der auch die Klosteranlage unterstellt ist. Allerdings sind in dem Gebäude an der Torhalle auch noch ein Volkskundemuseum und ein Tabakmuseum untergebracht und die sind wesentlich größer als das bescheidene Klostermuseum. Auf dringend benötigte Erweiterung wartet man in Lorsch bisher vergeblich.

Auch die Lorscher Handschriftenausstellungen bei denen prachtvolle, frühmittelalterliche Bände aus dem Bestand der ehemaligen Klosterbibliothek gezeigt wurden und die bisher im Zweijahresrhythmus stattfanden, sind eingeschlafen. Sie bescherten dem Weltkulturerbe einen enormen Besucherstrom. Doch seit 2003 hat keine Ausstellung mehr gegeben.

Die Kritiker lasten all diese Unzulänglichkeiten dem quasi „geteilten" Kulturerbe, der daraus resultierenden Landesbürokratie und dem nicht erkennbaren politischen Willen zu Verbesserungen an. Seit Jahren bemühen sie sich um eine Änderung der Rechtsform der Lorscher Anlage und wünschen sich eine Stiftung oder eine Betreibergesellschaft, die die Teile bündeln und für ein einheitliches Management vor Ort sorgen könnte.

Von der gemeinsamen Trägerschaft von Land, Stadt Lorsch, Kreis Bergstraße und dem Förderverein Kuratorium Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch versprechen sich die Befürworter mehr Handlungsfreiheit zum Nutzen des Weltkulturerbes. Ernst- Ludwig Drayß, Vorsitzender des Kuratoriums, ist ob der langen Jahre der Stagnation inzwischen deutlich gereizt: „Wenn alle Beteiligten vor Ort eine einheitliche Trägerschaft und effiziente Organisationsform für das Weltkulturdenkmal fordern, dann ist es absurd wenn das Ministerium hierauf nicht eingeht und dies sogar zu verhindern sucht." Im Ministerium für Wissenschaft und Kunst ii Wiesbaden selbst gibt man sich bedeckt: Dasei sehr wohl ein Arbeitskreis, der sich mit der Trägerschaf des Klosters befasse und aus Mit gliedern der Behörden und den Interessensgruppen bestehe, heiß es. Allein, Ergebnisse hätte de noch nicht vorzuweisen.

„Ich bin für mehr Eigenverantwortung vor Ort wie bei anderen Kulturerbestätten in Hessen und auch in Deutschland", sagt der ehemalige Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst, Professor Joachim-Felix Leonhard, der in Lorsch aufgewachsen ist. Eine Stiftung böte mehr Anreiz für bürgerschaftliches Engagement und auch sei dadurch die Bereitschaft, Spenden für das Weltkulturerbe zu tätigen, wesentlich höher.

„Über eine Änderung der Betriebsform kann man sprechen, aber sie ändert nichts an dem Grundproblem in Lorsch", entgegnet der Direktor der Hessischen Schlösserverwaltung, Karl Weber. Die fachliche Kompetenz, eine Welterbe-Stätte zu betreuen, gestehe das Gesetz allein der Schlösserverwaltung zu. Weber diagnostiziert vielmehr eine mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der Stadt Lorsch und des Kuratoriums. Ende diesen Monats soll eine Kommission über nötige Schritte zur Verbesserung der Präsentation des Klosters beraten. Insgesamt seien, so Weber, für das Kloster Lorsch in den nächsten Jahren 1,5 Millionen Büro an Landesmitteln vorgesehen.

Frankfurter Rundschau  - 18.2 .08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR