Perfide NS-Bürokratie war Raub Fiskus der Nazi-Diktatur „verwertete" Eigentum deportierter Juden / Akten berichten von Profiteuren auch in Hanau
Mit klassischer Musik und rund 60 Gästen eröffnete (am 8.10.06) im Neustädter Rathaus am Marktplatz die Wanderausstellung „Legalisierter Raub - Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933-1945" des Frankfurter Fritz- Bauer-Institutes.
von Ute Vetter
Hanau - „Bedrückend und gleichzeitig erhellend" nannte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) in seiner Rede die Ausstellung, die helfe, ein düsteres, zwölfjähriges Kapitel der Stadtgeschichte aufzuarbeiten. Die Schau habe nicht nur hessische, sondern auch Hanauer Bezüge und zeuge von der „alltäglichen Ausplünderung" der Juden zu dieser Zeit. Die Beamtensprache von Protokollen etwa der Finanz- und Zollbehörden gebe Zeugnis von der „erst materiellen, dann auch physischen Vernichtung der Juden". Alles sei systematisch eingebettet gewesen in die gute geölte Kriegsmaschinerie der Nationalsozialisten.
Kaminsky rief die Bürger dazu auf, wer einstiges jüdisches Eigentum besitze und davon wisse, es zurückzugeben. Er erklärte, man prüfe derzeit die Rückübertragung eines damals durch die Stadt erworbenen Hauses an die die jüdische Gemeinde.
Häuser waren begehrtes Gut
„Tausche 7-Zimmer-Wohnung in bombenbedrohter Stadt gegen kleine jüdische Villa in Kurort" oder: „Deutsche Volksgenossen auf Wohnungssuche" - das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus in Deutschland ist dank der Wanderausstellung des Fritz-Bauer- Instituts um eine allzu oft verdrängte Variante reicher: Alle Deutschen profitierten von der Vertreibung der Juden. Zu den begehrtesten Gütern aus jüdischem oder „nicht-arischem" Besitz zählten Häuser, Wohnungen, Obstgärten und Äcker. In den Kriegsjahren fanden täglich sogenannte „Versteigerungen" oder „Auktionen" statt, fast immer direkt vor den Häusern oder Wohnungen der frisch deportierten, ausgewanderten oder geflohenen Juden. Zwei bisher bundesweit einmalige Fotos davon stammen aus der Gegend von Hanau - die Historiker des Fritz-Bauer-Instituts wissen bisher aber nur, daß sie der Stadtfotograf Franz Weber 1942 aufgenommen hat. Sie hoffen auf Details etwa durch Zeitzeugen.
Akribisch geführt zeugen Vermögens- und andere Listen davon, wie die NS- Bürokratie, speziell der Fiskus und getreue Beamten, jüdisches Eigentum auf Reichsmark und -pfennig verkauften und den Gewinn großteils einsackten. Jeder Teller, jeder Eimer, jede Lampe brachte Geld. Und die lieben Nachbarn griffen gern zu. Auch die Elite interessierte nicht, woher was kam: Der Darmstädter Oberfinanzpräsident Hans Werth forderte 1944 „Judenhausrat" für das ausgebombte Präsidium an.
Frankfurter Rundschau – 9.10.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR
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