Opfer von Neid und Justizwillkür
Eine Schau im Heimatmuseum Dotzheim will „Räuber" Leichtweiß rehabilitieren

Von Mirjam Ulrich

Seine Frau hielt zu ihm, bis zuletzt. Da war Heinrich Anton Leichtweiß längst kein ehrbarer Bürger Dotzheims mehr, sondern er saß im Zuchthaus. Ein Räuber soll Leichtweiß gewesen sein, ein Wilddieb obendrein, das nahm ihm der Landesherr, Fürst Carl Wilhelm zu Nassau und Saarbrücken, besonders übel. Für so einen brauchte es keinen Prozeß, kein rechtskräftiges Urteil. Sie kerkerten ihn einfach so ein, bis zu seinem Tode. Dabei hatte für Heinrich Anton Leichtweiß alles so gut angefangen. Am 20. September 1757 heiratete er die 20-jährige Christiane Luise Nicolay, Tochter des Dotzheimer Schultheißen Johannes Nicolay. Durch die Ehe wurde der 34-Jährige Bürger Dotzheims.

Eigentlich stammte er aus Jugenheim, dort kam er 1723 zur Welt. Sein Vater war Jäger im Dienste des Fürsten Carl von Nassau-Usingen. Der junge Leichtweiß wuchs in Mensfelden und Kirberg auf und erlernte das Bäcker- und das Bürstenmacherhandwerk.

In Dotzheim brachte er es rasch zum Wirt des Gasthauses „Zum Engel". Ein Jahr nach der Hochzeit hatte ihm Christiane eine Tochter geboren, das erste von zwölf Kindern. Die Dotzheimer ließen ihr Brot bei ihm backen. Sogar zum Schultheiß wurde er 1767 vorgeschlagen, aber Fürst Carl von Nassau lehnte ab, er fand es „unschicklich, einem Gastwirt das Amt zu übertragen". Statt dessen betätigte sich Leichtweiß als „Gemeinderechner", fungierte von 1786 an als „Herrschaftlicher Gelderheber". Er trieb die Gemeindegelder ein und rechnete sie gewissenhaft mit dem Oberamt Wiesbaden ab.

„Aus dieser bürgerlichen Wohlanständigkeit fiel Leichtweiß in den Orkus", sagt Klaus Kopp vom Heimatverein Dotzheim. Der Verein sucht nach den Spuren von Wiesbadens berühmt-berüchtigtem Räuber und hat dazu auch Wiesbadener Schüler aufgerufen. Die daraus entstandene Ausstellung wird am Sonntag eröffnet.

„Wahrscheinlich ein Racheakt"

Mit der Schau wollen die Heimatforscher Heinrich Anton Leichtweiß rehabilitieren, der aus nichtigem Anlaß mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. 1788, im Alter von 65 Jahren, soll er in den Keller eines Nachbarn eingebrochen sein. „Wahrscheinlich war die Anzeige ein Racheakt aus nachbarschaftlicher Mißgunst", vermutet Kopp. „Man sagt, Leichtweiß habe ein Vermögen von 4.000 Gulden besessen." Leichtweiß landet am Pranger auf dem Marktplatz, danach im Zuchthaus am Michelsberg. Auf ein halbes Jahr lautete das Urteil des Hofgerichts, doch Fürst Carl Wilhelm ließ es verdoppeln. Christiane setzte sich mehrfach für die Freilassung ihres Mannes ein, umsonst. Nach der Haft ging Leichtweiß in die Wälder. „Vermutlich ernährte er sich auch vom Wildfang", sagt Kopp, ein Räuber sei er aber nicht gewesen. Eine Räuberbande habe es auch nicht gegeben und keine Räuberbraut. Alles Legende. „In der Romantik wurde die Geschichte völlig verfremdet. Aus einem Justizfehlurteil wurde eine Räubergeschichte." Die Höhle im Nerotal wurde zum Ausflugsziel für gelangweilte Kurgäste ausgebaut.

Leichtweiß war 69 Jahre alt, als er 1792 aufgegriffen und wegen Wilderei eingekerkert wurde. Ohne Prozeß, dafür bis zu seinem Tode am 12. März 1793. Seine Frau Christiane starb ein Jahr später mit 57 Jahren.

„Auf Spurensuche" eröffnet am Sonntag, 26. August, 11 Uhr, im Heimatmuseum Dotzheim, Römergasse 13. Geöffnet ist bis 18. November, sonntags von 10 bis 12, mittwochs 17 bis 19 Uhr.

Frankfurter Rundschau – 22.8.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR