Neues Wiesbadener US-Militärgelände schon seit Jahrtausenden bewohnt

Von Waltraut Rohloff

Wo vor rund 2000 Jahren römische Soldaten aus Mainz trainierten, wo Bauern zur Versorgung der Legionäre Vieh hielten und Felder bewirtschafteten, werden sich bald US-amerikanische Soldaten und ihre Familien ansiedeln. Bei den Voruntersuchungen für das südlich der Domäne Mechtildshausen und der Airbase Wiesbaden-Erbenheim geplante Neubaugebiet hat sich eine alte Vermutung der Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege bestätigt: Teile des neuen Militär-Terrains mit Blick auf das einstige römische „Headquarter" Mainz werden auf archäologisch bedeutsamen Grund und Boden errichtet.

Dachplatten aus Schiefer, eine Gewandnadel, ein Ziegel mit dem Abdruck einer Hundepfote, eine Münze: spektakuläre Funde haben die Archäologen bisher nicht gemacht bei den Ausgrabungen. Seit September untersuchen sie drei Abschnitte südlich des US-Militärflugplatzes. Die Funde bestätigen jedoch erste Erkenntnisse, daß schon vor und auch nach den Römern das Gelände nahe der Elisabethenstraße, einer bedeutenden römischen Fernstraße, besiedelt war, sagt Landesarchäologe Egon Schallmayer. Und zwar in der frühen Keltenzeit und im Frühmittelalter.

Grabungsleiter Claus Bergmann und Schallmayer sind aber mehr an den Römern interessiert und vor allem an detaillierteren Erkenntnissen über das Leben römischer Soldaten in Rheinhessen. Vor dem Grabungsbeginn hatten die Forscher mit Luftaufnahmen den Untergrund des Areals analysiert. Mit diesen Informationen habe man dann zielgerichtet nach Fundamenten römischer Behausungen suchen können. Römische Gutshöfe gebe es zwar viele, erforscht jedoch seien in Hessen nur wenige, sagt Bergmann. Vor allem über die Wirtschaftsgebäude fehlten Informationen.

Die Siedlung aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus könne Aufschluß darüber geben, welche Art von Viehzucht, Landwirtschaft und Obstanbau die Römer auf dem Gelände betrieben. Die drei bisher entdeckten drei Steingebäude der „villa rustica" sollen bis Ende des Jahres vor Ort untersucht werden. Der Platz, wo das römische Gutshaus stand, liegt nicht in dem mehr als zwei Hektar großen Grabungsgebiet. Dieses ist klar umrissen: Gegraben wird nur dort, wo auch neu gebaut wird. Möglicherweise wird auch die frühmittelalterliche Siedlung noch untersucht.

Bis Ende April 2010 darf gegraben werden. Dann müssen die Teams und Bergmann laut Vertrag mit den US-Militärs das Gebiet räumen. Die US-Armee baut für die Umstrukturierung ihrer Truppen in Deutschland für 84 Millionen Euro in Wiesbaden ein „Führungs- und Kommandocenter Europa". Spatenstich soll am 1. Dezember sein.

Das Gebäude sei für mehr als 1000 Mitarbeiter ausgelegt und erhalte moderne Kommando-, Kontroll- und Kommunikationseinrichtungen. Als Bauzeit seien drei Jahre veranschlagt. Das Führungs- und Kommandocenter der Zusammenlegung ist Kernstück des Hauptquartiers der US-Armee in Europa und anderer Einheiten in Wiesbaden. Im Frühjahr, so die bisherige Planung, soll mit dem Bau der US-Siedlung begonnen werden: 324 Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäuser. Die Kosten dafür bezifferte die Pressestelle der Garnison mit 133 Millionen US-Dollar.

Frankfurter Rundschau - 19.11.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR