Der Pessimist

Von Lia Venn

Die Stadt Frankfurt am Main feiert ihren Philosophen Schopenhauer mit Veranstaltungsmarathon bis Januar 2011

Man stelle sich nur einmal kurz vor: Arthur Schopenhauer hat es sich im Haus Schöne Aussicht Nummer 16 auf seinem Sofa bequem gemacht, vor dem Fenster schiebt sich der Main Richtung Rhein und der knarzige Philosoph verfolgt im Fernsehen eine der einschlägigen nachmittäglichen Talkshows. Die Kommentare, die er abgeben würde, wären ein bissiges Meisterwerk. Horkheimer war es, der über Schopenhauer sagte: „Er macht deutlich, daß Philosophie dafür da ist, sich nicht dumm machen zu lassen." Das Zitat übermittelt Kulturdezernent Felix Semmelroth im Literaturhaus bei der Vorstellung des Programms zum Schopenhauer-Herbst anläßlich des 150. Todestag des Philosophen am 21. September.

Das Plakat zu den Veranstaltungen zwischen 22. September und 30. Januar ist vielleicht schon der einen oder dem anderen aufgefallen. Wie ein Spinnennetz schaut Schopenhauer weiß liniert aus schwarzem Grund. Das Frankfurter Atelier Markgraph hat es ersonnen und Michael Fleiter vom Institut für Stadtgeschichte erklärt: „Es bezieht sich auf Schopenhauers Bild seiner Philosophie, die wie das 100-torige Theben sei." Mit Zugängen von allen erdenklichen Seiten. Schopenhauer kam in Dresden zur Welt, wählte aber Frankfurt als Heimat. „Weil er die Stadt lebenswert fand und als Mittelpunkt Europas bezeichnete", sagt Semmelroth. Und will dem Philosophen auch nicht widersprechen. Ihn beeindruckt Schopenhauer offensichtlich nicht nur wegen des Interkulturellen seiner Philosophie - er brachte fernöstliches Denken ins Deutsche -, sondern auch, weil er das „folgende Denken in der Stadt, die Frankfurter Schule, so beeinflußt hat". Matthias Koßler, Präsident der Schopenhauer-Gesellschaft, bezichtigt die akademische Philosophie in Deutschland eines „Mangels an Würdigung Schopenhauers". Er gehöre mit Nietzsche zu den weltweit am meisten gelesenen Philosophen, nur nicht hierzulande. „Es ist ein skandalöser Zustand, daß es keine wissenschaftlich haltbare Ausgabe SchopenArthur Schopenhauerhauers gibt."

Der Internationale Kongreß, den die Schopenhauer-Gesellschaft vom 22. bis 24. September veranstaltet, soll das ändern, und: „Wir erhoffen uns eine Aufwertung Schopenhauers im kulturellen Selbstverständnis der Stadt." Carolina Romahn, Leiterin des Kulturamtes, hat eine Idee: „Goethe gibt es überall, unser Ziel ist es auch, daß in Souvenir-Läden Schopenhauer-Büsten stehen."

Schopenhauer hat seine Umgebung „mit viel Lust gekränkt", sagt Michael Fleiter. „Man hat ihm nicht verziehen, es ist das Phänomen des Überbringers schlechter Nachrichten." Schopenhauer brachte ins bis dahin eher harmoniesuchende Denken den Pessimismus. „Das Schicksal ist grausam und die Menschen sind erbärmlich", befand er. In seinen Aphorismen, die Romahn, Fleiter und Koßler als Einstiegs-Literatur empfehlen, gibt Schopenhauer aber auch Tipps zum Trotzdem-Überleben. Man solle sich auf sich selbst verlassen und etwaige Gegner mit rhetorischen Tricks aushebeln, wenn das nichts helfe „grob" werden, sie beschimpfen und beleidigen. So faßt es hr-2-Redakteur Ruthard Stäblein zusammen.

„Die Schopenhauer-Veranstaltungen in den nächsten Monaten sind eine einmalige Gelegenheit, das Bild von ihm zu entstauben", faßt Fleiter zusammen. Und siehe da: „Der Ortsbeirat hat zugestimmt, das Dreieck an der Alten Brücke, wo von der Schönen Aussicht die Fahrgasse abgeht, Schopenhauer-Platz' zu nennen", wie Semmelroth noch ankündigt.

Die Hinwendung zum vermeintlichen Grantler hat schon begonnen.

PROGRAMM ZUM GEDENKENArthur_Schopenhauer_by_Wilhelm_Busch

Zum 150. Todestag Arthur Schopenhauers am 21. September haben unter Regie des Kulturamts mehr ais 20 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen ihrem Profil gemäß dazu beigetragen, Schopenhauers Vielseitigkeit und seinen Einfluß aufzuzeigen. Dieser erstreckt sich neben der modernen Philosophie etwa auch auf die Psychoanalyse und die Literatur.

Mit Ausstellungen, biografischer, philosophischer und komischer Art, in Lesungen, Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Führungen und Konzerten können sich die Bürger über den Philosophen informieren.

hr2-Kultur sendet am Dienstag, 21. September, um 12.05 Uhr den Beitrag „Am Tisch mit Alfred Schmidt, ,Schopenhauerianer1".

Die Junge Deutsche Philharmonie bietet am 25. und 26. September, 14-18 und 15-16 Uhr im Kreuzgang des Karmeliterklosters Musik: Auf Liegen lauscht man Alexander Zemlinsky und kann die „Musik als die höchste Form menschlicher Selbsterfahrung11 erleben, so wie Schopenhauer es beschreibt. ave

Das ganze Programm unter www.schopenhauer-frankfurt.de und www.stadtgeschichte-frankfurt.de

Frankfurter Rundschau - 20.9.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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