Stolpersteine für alle NS-Opfer
Initiative will künftig auch an Sinti und Roma erinnern / Buch zur Aktion vorgestellt

Von Mario Thurnes

Allein in Wiesbaden haben die Nazis 1500 Juden ermorden lassen. Den Verfolgten einen Namen und eine Geschichte zu geben, das hat sich die Aktion Stolpersteine zum Ziel gemacht. 331 Erinnerungssteine werden bis Jahresende im Wiesbadener Pflaster liegen. Die Grünen-Fraktion im Rathaus hat jetzt das Buch „Stolpersteine in Wiesbaden" herausgebracht. Auf knapp 200 DIN-A4-Seiten werden die Steine dokumentiert, die zwischen 2005 und 2008 verlegt worden sind.

An der Herausgabe des Buches waren die Wiesbadener Bürger beteiligt, die in einer Arbeitsgruppe das Projekt vor Ort begleiten. Für jeden Stolperstein gibt es einen Paten, der mit 95 Euro einen Stein finanziert. Der Stein trägt die wichtigsten Daten wie etwa den Geburtstag des Ermordeten.

179 Stolpersteine ließ der Arbeitskreis in dem Zeitraum verlegen, den der Band abdeckt. Soweit Material dafür vorhanden ist, werden die Verfolgten im Buch mit Fotos und Texten vorgestellt.

Für das Buch nehmen die Grünen kein Geld. Die Schulen der Stadt erhalten je zwei Exemplare zur Arbeit im Unterricht. Auf Nachfrage ist es in den Geschäftsstellen der Grünen und im Aktiven Museum Spiegelgasse erhältlich. Erschienen ist es in einer Auflage von 1500 Exemplaren.

Den nächsten Band planen die Herausgeber schon für 2010. „Wir werden in diesem Jahr fast so viele Steine verlegen wie in den vier Jahren davor", sagt Karlheinz Schneider, der Vorsitzende des Museums-Trägervereins. Das Ziel sei, allen 1500 ermordeten Juden mit einem Stein zu gedenken. Auch danach müsse das Projekt nicht beendet sein. Schneider kann sich vorstellen, auch Widerstandskämpfer, Sinti und Roma mit Steinen zu würdigen. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Stolpersteine, Georg Schneider, sagt: „Es ist denkbar, daß wir zudem an Menschen erinnern, die von den Nazis zwar nicht ermordet aber verfolgt wurden."

Große Zustimmung

Den Stolpersteinen ist laut Karlheinz Schneider nur eine Grenze gesetzt: „Wenn dem Künstler die Lebenskraft dafür ausgeht." Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig betreibt das Projekt in allen Ländern, in denen die Nazis Menschen verfolgt haben. 17.000 Steine hat er schon verlegt.

Karlheinz Schneider begrüßt die große Zustimmung, die es zu dem Projekt in Wiesbaden gebe. Zu den 331 Steinen seien erst drei Einwände eingereicht worden. Da die Steine allerdings im öffentlichen Pflaster liegen, haben Anwohner kein Einspruchsrecht.

Die Stolpersteine gehen in Wiesbaden auf eine Initiative der Grünen und der SPD zurück. Den entsprechenden Beschluß verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2004 einstimmig. „Allein hätten wir das Projekt aber nicht stemmen können", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Hubert Müller. Zuerst gewannen die Parteien das Stadtarchiv und das Aktive Museum Spiegelgasse hinzu. Dann bildete sich ein Arbeitskreis. Hubert Müller freut sich über diese Entwicklung: „So ist dies nicht nur ein Projekt der Politik, sondern der Bürgerschaft."

Das Buch ist bei den Grünen im Rathaus erhältlich, Schloßplatz 6, 65183 Wiesbaden, Telefon 0611-30 52

Frankfurter Rundschau - 14.8.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR