Im Fieber der Großstadt
Der Historiker Thomas Bauer ist Offenbacher, hält aber die Geschichte Frankfurts hoch

Von Claus-Jürgen Göpfert

Er schreibt seine Bücher noch mit der Hand. Er schafft aus winzigen Buchstaben große Textgebirge, immer in Brunnenheften, kariert, Format DIN A 4. Seit zwei Jahrzehnten. Bei ihm geht es um „die Geburt Goethes und die Entwicklung der Geburtshilfe in Frankfurt am Main". Oder um „Hunger und Sport in der Nachkriegszeit". Oder um den „Frankfurter Fußball 1933 bis 1945". Und jetzt um 100 Jahre Frankfurter Festhalle. Der Historiker Thomas Bauer hat sich „für immer an Frankfurt gekettet". Die Geschichte der Stadt fasziniert ihn. Läßt ihn nicht mehr los. Der 48-Jährige ist gebürtiger Offenbacher.

In seiner Jugend hatte der Sohn eines „Kürschnermeisters mit Abitur" noch „mit Frankfurt gar nichts am Hut". Er tat das, was viele Offenbacher Jugendliche in den 70er Jahren taten. Besuchte die Rockkonzerte in der Stadthalle. „Lou Reed, Simple Minds - wir haben immer Schlupflöcher gesucht, um ohne Eintritt reinzukommen." Sein letztes großes Konzert, vor zwei Jahren „Depeche Mode", erlebte er in der Festhalle. Natürlich. 20 Jahre hat der Offenbacher dann in Sachsenhausen gelebt, seit zwei Jahren, nun ja, wohnt er in Dreieich. „Der Liebe wegen." Ach so.

Jetzt sitzt er vorm Cafe in der Textorstraße in der Sonne und bekennt: „Ich bin ein völlig überzeugter Frankfurter - ich wüßte nicht, wo ich sonst existieren könnte." Berlin? Ach was, die Bundeshauptstadt ist ihm „zu groß, zu unübersichtlich".

Während des Studiums in Frankfurt - Deutsch und Geschichte, Lehrfach - „hat es mich gepackt". An der Universität haben sie ihn gefragt, ob er „völlig verrückt" sei, Lehrer werden zu wollen. Er brauchte Geld. Er wurde Volontär im Historischen Museum. 1990 war das. Beim damaligen Direktor Rainer Koch schrieb er seine Examensarbeit. Über die „Armenfürsorge in der frühen Neuzeit". In Frankfurt natürlich.

1994 gehörte er zum Team, das sich um die 1200-Jahr-Feier Frankfurts kümmerte. Für die Universitäts-Laufbahn war es da schon zu spät: „Damit hatte ich nichts am Hut - das war mir zu sehr Elfenbeinturm." Und die Themen mancher Dissertationen! „Einfach furztrocken."

Langsamer Schreiber

Nein, er will etwas anderes. Wichtig ist ihm „das breite Publikum". Er hält viele Vorträge. Er freut sich einfach, „wenn ich Leute kriege, die mit Geschichte normalerweise nichts zu tun haben". Er möchte „unterhaltsam Geschichte vermitteln". Er ringt mit sich selbst darum, daß seine Bücher „gut lesbar" sind. Schreiben fällt ihm schwer. „Ich bin kein Schnellschreiber, ich muß mich quälen."

Bauer hat viel Verständnis dafür, daß Leute das Technische Rathaus verfluchen, den Abriß des Betonklotzes an der Braubachstraße wollen: „Das kann der Altstadt nur guttun." Gut, der Wissenschaftler in ihm „schmunzelt, wenn ich sehe, wenn die Leute die Römerberg-Ostzeile fotografieren". Weil es nur rekonstruiertes Fachwerk ist, nichts gewachsenes. Aber er sieht ein, „daß es emotionale Haltepunkte für die Menschen braucht". Und genau die könnten mit der Altstadt-Bebauung entstehen. Wichtig sei nur, daß zwischen Dom und Römer „keine Potemkinschen Dörfer" gebaut werden, pure Fassaden, Häuser ohne Funktion.

Ein gebürtiger Offenbacher also, der für Frankfurt fiebert. Bauer hält das für normal. „Bei der Skyline hat sich auch viel verändert - noch in den 80er Jahren waren die Hochhäuser für viele die Katastrophe schlechthin, heute sind sie total positiv besetzt."

Frankfurter Rundschau - 23.6.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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