Strähnchen vom Haupt des Kaisers
Sensationsfund auf dem Acker: Historiker präsentieren Reste eines Trajan-Standbildes

Von Claudia Michels

Die Haartracht macht den Kaiser. „So einen geteilten Pony hatte nur er", analysierte Andrea Hampel, Leiterin des Frankfurter Denkmalamts. Unter allen römischen Kaisern hat sich nur Trajan so akkurat frisiert, der Statthalter in Germanien war. Ihm zu Ehren, das glaubt man jetzt zu wissen, stand im römischen Garnisonsstädtchen Nida auf Frankfurter Boden ein riesiges Denkmal, Bruchstücke sind gefunden. „Ein Kaiser für Frankfurt!" rief Landes-Archäologe Egon Schallmayer bei der Vorstellung am Donnerstag aus. Und alle kamen, zu sehen und zu hören. Ministerin Eva Kühne-Hörmann und Oberbürgermeisterin Petra Roth lobten den Zuwachs an hessischer Identität. Die doppelte Haarsträhne aus Bronze, Kaiser Trajans Spur auf Frankfurter Boden, haben Ausgräber im August aus einem Nieder-Eschbacher Feld geholt. Und weitere 56 Bronzeteile steckten in dem Acker - vom Herrscher zeugt seitdem noch eine Prägung der Falten seines Mantels. Von seinem in Bronze gegossenen Pferd blieb ein Stück Trense, ein Muskel, eine Ferse. Diese und vielleicht noch mehr Teile wissen die Experten zu einem 4,50 Meter hohen Reiterstandbild zusammenzusetzen.

Bei der Vorstellung der Kaiserehre hatte man aus der Saalburg Porträtbüsten der Kaiser Augustus (63 vor bis 14 nach Christus) und Trajan (53 bis 117 n.C.) zur Anschauung herbeigeschafft. Ein Standbild des Augustus, dem Eroberer Germaniens, ist ja bereits seit dem Fund eines Pferdekopfes in Waldgirmes belegt. Dieser Bronze-Schädel, bewacht von einem Aufpasser mit weißen Handschuhen, lag in einer Museumsvitrine. Die Puzzleteile, die vom Abbild des Trajan blieben, fanden sich an einer Denkmal-Attrappe aus Pappe farbig markiert. Trajan hat man aus dem Anlaß als „einen der guten Kaiser" gelobt. Er ließ den Limes bauen, er richtete die römische Zivilverwaltung ein. Mit dem Wissen von den beiden Reiterstatuen, mit diesem „sensationellen archäologischen Nachweis", läßt sich „im rechtsrheinischen Hessen ein Bogen über die ganze Römerzeit spannen", lautete die Einschätzung. Trajan 001

Ein Sondengänger hat die Bronzestücke in der Gemarkung Nieder-Eschbach entdeckt

Umso mehr, als ganz nah bei den Denkmalresten ein Münzschatz aus sehr gut erhaltenen römischen Silberlingen gefunden worden ist. 107 Geldstücke, und eines davon, sagte der Numismatiker David Wigg-Wolf, ließe sich auf das Jahr 260 n. Chr. datieren, auf die Zeit, da sich Rom aus Germanien zurück zog. Sein Eigentum zu vergraben, sei üblich gewesen, „ als es noch keine Banken gab". Ein römischer Soldat aus Nida hatte seine Ersparnisse versteckt, aber nicht mehr abgeholt. Vermutlich sei er gestorben.

Alles in allem zeugen die Fundstücke, die da im Acker aufgetaucht sind, „vom Ende einer Epoche", erläuterte Peter Fasold vom Frankfurter Archäologischen Museum. „Jegliche Ordnung wurde aufgegeben", die Standbilder der Römer von den siegreichen Germanen zerstört. Die Vermutung ist, daß die Eindringlinge rings um das Trajan-Denkmal Feuer legten; es finden sich Schmelzspuren am Metall. Im Feuer kippte die Statue und platzte: „Denen ging es nur um das Material, das teilten sie dann auf." Ein Trupp dieser Plünderer könnte es dann gewesen sei, der „die Kiste mit Schrott an der wichtigen Straße von der Römerstadt Nida nach Okarben vergrub".

Auslöser dafür, daß diese für Frankfurt und Hessen spannende Geschichte ans Licht kam, war Roberto Carelli, ein Sondengänger. Der arbeitet seit längerem bei seinem Hobby, in Wald und Feld historische Objekte aufzuspüren, mit dem Denkmalamt zusammen. Das Denkmalamt allein, sagte Andrea Hampel, könnte bei all den geplanten Neubauten in der Gegend nicht alles abdecken. Zumal „ein Riesenberg von echtem Schrott auf den Äckern" liege.

An jenem Augusttag also, erzählte Carelli, ein Mann mit einem lockigen Pferdeschwanz, sei er mal nicht in den Wald, sondern übers Feld gelaufen. Die Teile hätten unter seiner Sonde „alle in einer Linie gelegen"; er glaubt, einen früheren Straßengraben dort ausgemacht zu haben. Jetzt steht ihm, dem ehrlichen Finder, laut Denkmalschutzgesetz die Hälfte des Wertes zu. Der größte Wert ist aber „ein ideeller", das ist ihm wie den Experten klar. Für Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann stand der „unschätzbare wissenschaftliche Wert" im Vordergrund. Aus der römischen Kaiserzeit habe es bisher in Frankfurt keine Funde gegeben. Von solchen Statuen kenne man nördlich der Alpen „nicht mehr als vier oder fünf".

Zu den Ausgrabungen von Nieder-Eschbach läuft jetzt ein Forschungsprojekt an, an dem neben Stadt und Land auch der Bund beteiligt ist. Nach der Restaurierung will man versuchen, „eine internationale Ausstellung zu erreichen", wie Landesarchäologe Schallmayer ankündigte. Peter Fasold vom Frankfurter Archäologischen Museum fand „einen kleinen Wermutstropfen" in all dem Glück. Nämlich den Umstand, daß bereits Kaiser Augustus' Pferdekopf ausgegraben wurde. Die Frankfurter waren leider nicht die ersten auf kaiserlicher Spur. Doch würden jetzt „beide Kaiser gemeinsam untersucht".

Frankfurter Rundschau - 10.12.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR