Zeitzeuge erinnert

Zeitzeuge erinnert an Greuel
Veranstaltungen anläßlich des Gedenktages für die NS-Opfer richten sich auch an Jugend

Von Bastian Beege

Sie zählt heute zu den bekanntesten Widerstandsgruppen des Dritten Reiches: Im Juni 1942 begannen die Mitglieder der „Weißen Rose" damit, in ganz Deutschland Flugblätter zu verteilen. Darin verurteilten sie die Greueltaten Hitlers und riefen offen zum Kampf gegen das NS-Regime auf. Im Februar 1943 wurden die beiden Köpfe der Gruppe, Hans und Sophie Scholl, von der Gestapo verhaftet und kurz darauf hingerichtet.

Die Geschichte der Geschwister Scholl ist nur eines von unzähligen tragischen Schicksalen, die am bundesweiten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Dienstag, 27. Januar, im Zentrum der Erinnerungen stehen. „In Wiesbaden wird die Weiße Rose zudem eines von insgesamt sechs Schwerpunktthemen sein", teilte Kulturdezernentin Rita Thies (Die Grünen) am Montag bei der Vorstellung des Programms rund um den Gedenktag mit. In Ausstellungen, Filmen, Lesungen und Vorträgen können sich Besucher rund um Verfolgung und Widerstand im Dritten Reich informieren. Mit Herbert Westenburger wird zudem ein NS-Zeitzeuge jüdischer Abstammung schildern, wie er persönlich die schrecklichen Jahre während seiner Jugend erlebt hat (26. Januar, 19.30 Uhr, im Bonhoefferhaus, Fritz-Kalle-Straße 38-40).

„Die Veranstaltungen sollen auch ins Bewußtsein rufen, was mit einer Demokratie passieren kann, wenn man nicht wachsam ist", so Thies. „Auch wenn unsere Demokratie demnächst ihren bereits 60. Geburtstag feiert - wir müssen sie jeden Tag auf''s Neue verteidigen."

Zum zehnten Mal hat die Stadt Wiesbaden anläßlich des Opfer-Gedenktages ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. „Die Resonanz der Öffentlichkeit ist jedes Jahr sehr gut", freut sich Chef-Organisator Axel Ulrich vom Stadtarchiv. „Bei unseren Veranstaltungen ist für jeden etwas dabei, sie richten sich zum Teil gerade auch an Jugendliche."

Ulrich ist im Stadtarchiv zuständig für die Gedenk- und Erinnerungsarbeit - eine Aufgabe, die nicht immer einfach ist: „Ich stoße hier häufig auf Geschichten, die einfach grauenhaft sind." So seien allein aus Wiesbaden während der Nazi-Herrschaft rund 1100 Juden ermordet worden. Dazu kämen noch über 200 Opfer politischer Verfolgung und Euthanasie.

Trotz dieser schrecklichen Bilanz legt Ulrich Wert darauf , daß die Veranstaltungen rund um den Gedenktag nicht nur an die Todesopfer erinnern: „Wir wollen auch zeigen, daß viele Leute ihre Stirn gegen die Nazis erhoben haben."

Zum Beispiel der deutsche Wehrmachtssoldat Karl Plagge, der 250 Juden das Leben rettete, indem er sie in sein Arbeitslager holte und somit vor den Übergriffen der SS schützte. Die Geschichte Plagges erzählt die Ausstellung „Karl Plagge - ein Gerechter unter den Völkern" im Aktiven Museum Spiegelgasse (Spiegelgasse 1). Eröffnung ist am Sonntag, 18. Januar , um 11.30 Uhr.

Max Kessel

Ein Stein in der Oberen Webergasse erinnert ans Schicksal des Milchhändlers Max Kassel.

 

PROGRAMM

Ursula Krechel liest aus „Shanghai fern von wo" am Mittwoch, 2L Januar, im Presseclub, Wilhelmstraße 19.

Helmut Homfeld erinnert an das Leben im Warschauer Ghetto am Sonntag, 25. Januar, im Rathaus.

Inge Jens informiert über die Bewegung Weiße Rose am Donnerstag, 5. Januar, im Rathaus.

Die meisten Veranstaltungen sind kostenlos. Nähere Infos gibt es unter www.wiesbaden.de.

 

Gedenken an Verfolgte
Künstler Demnig verlegt weitere 55 Stolpersteine

An 75 Standorten wurden in Wiesbaden und den Vororten bereits Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig verlegt. Mit den kleinen, goldenen Namensplatten im Pflaster vor Häusern soll an jüdische Mitbürger erinnert werden, die in der Nazi-Zeit verfolgt wurden.

Am 22. und am 27. Januar 2009 werden vor 21 Häusern in der Innenstadt, in Biebrich, Bierstadt, Erbenheim, Nordenstadt und Breckenheim weitere 55 Stolpersteine verlegt. Damit gibt es in der Landeshauptstadt dann 234 dieser Erinnerungstäfelchen.

Das Aktive Museum Spiegelgasse (AMS) unterstützt und begleitet dieses Projekt für „lebendiges Gedenken". Am Donnerstag, 22. Januar, lädt das AMS zu einem Informationsabend mit Gunter Demnig und Stolperstein-Paten in das Georg-Buch-Haus, Wellritzstraße 38, ein. Byb

Frankfurter Rundschau - 13.1.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR