100 Jahre SPD in Bad Soden
Ortsverein ging durch wechselvolle Zeiten / Ferdinand Lassalle kam zur Kur / Ehrung für langjährige Mitglieder

41 Mitglieder in Bad Soden tauchen unter „Juni 1906" im Verzeichnis der SPD- Ortsvereine des Main-Taunus-Kreises auf. Die Sodener SPD interpretiert dies als ihr Gründungsdatum und feiert am Wochenende Jubiläum.

Bad Soden - Es ist die Zeit, als man in Preußen mit Millionen Flugblättern und Tausenden Versammlungen gegen das Drei-Klassen-Wahlrecht protestiert, als Berufsverbot für sozialdemokratische Lehrer besteht, als Herbert Wehner zur Welt kommt. Die SPD ist nach Mitgliederzahlen und Wählerstimmen die stärkste Partei im Reich. Mit dem katholischen Zentrum lässt sie wenig später den Nachtragsetat für die Kolonien platzen, woraufhin der Reichstag aufgelöst wird.

Die Partei ist dabei, sich von den Industriestädten auf kleinere, landwirtschaftlich ausgerichtete Orte auszubreiten. In Bad Solen findet sie Rückhalt bei Arbeitern, die sich Tag für Tag zu Fuß auf den Weg zur Arbeit in Höchst machen. Nachdem das Mitgliederverzeichnis für den 1. Juli 1905 lediglich einen einzigen Sozialdemokraten ausweist, sind es zum Juni 1906 mit einem Schlag 41. Das sei „mit Sicherheit der Gründung eines lokalen SPD-Vereins zuzuschreiben", urteilt Wolfgang Reuter in der Festschrift, die zur Jubiläumsfeier am Samstag, 30. September 2006, erscheint. Der ehemalige Offenbacher Oberbürgermeister ist Mitglied in der historischen Kommission der SPD und hält auch den Festvortrag in Bad Soden. Er hat die Spuren sozialdemokratischer Frühgeschichte vor der Ortsvereinsgründung gesichert: Unter anderem kommt Ferdinand Lassalle, Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, mit seiner Freundin 1861 zur Kur. Lassalle bereitet dabei eine Italienreise vor und bittet von hier aus den in London lebenden Karl Marx um ein Empfehlungsschreiben an den italienischen Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi. Die kleine Chronik in der Festschrift erwähnt aufrechte Männer wie den Schreiner Jakob Wenzel, der in Soden wohnt und seit 1913 das Höchster Gewerkschaftskartell führt. Zur Zeit der Weimarer Republik wird er stellvertretender Bürgermeister.

 

Schlüsselfigur MalinowskiJohann Malinowsi

Größeren Raum nimmt der Abschnitt über das Leben des 1883 geborenen Johann Malinowski ein. Schon 1904 wird der Schlosser wegen seiner politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit bei Arbeitgebern auf schwarzen Listen geführt und mehrfach entlassen. Seit 1906 ist er Sozialdemokrat.

1923 übernimmt er den SPD-Vorsitz und ist bis 1933 Gemeindevertreter. Zu Beginn der Nazizeit nimmt er an heimlichen Treffen von Sozialdemokraten teil, verbreitet Schriften und wird im Oktober 1935 mit 62 Genossen aus dem Main-Taunus-Kreis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" zu einem Jahr und sechs Monaten Lagerhaft verurteilt. Danach muss Malinowski wie schon zur Kaiserzeit mit Arbeitslosigkeit für seine Gesinnung büßen. Bei der ersten Kommunalwahl nach dem Krieg zieht Johann Malinowski wieder ins Ortsparlament ein, wird 1956 schließlich zum Ehrenstadtrat ernannt.Widerstand gegen die Nazis

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„Bis heute hat sich an den politischen Mehrheitsverhältnissen nicht viel geändert, außer dass die CDU bei der letzten Kommunalwahl erneut die absolute Mehrheit errang und die SPD auf unter 20 Prozent abrutschte..." Selbst aus einem Skandal und aus Misswirtschaft des politischen Gegners habe die SPD nicht nennenswert Kapital schlagen können. Da gewinnt das ausdauernde Engagement der Aktiven im rund 100 Mitglieder starken Ortsverein schon fast wieder heroische Statur - wenngleich auf einer anderen Ebene als in der Anfangszeit. Die Mitglieder, die in der Feierstunde am Samstag für langjährige Parteiarbeit geehrt werden sollen, sind denn auch durchweg Ortspolitiker: Ernst Meisel, seit 35 Jahren dabei, ehemals Ortsvorsitzender und Gemeindevorstands-Mitglied in Glashütten sowie Abgeordneter im Hochtaunuskreis. Ulrich Dillmann, ebenfalls 35 Jahre Sozialdemokrat, unter anderem von 1985 bis 2001 Fraktionschef im Stadtparlament. Wolfgang Rexer, 30 Jahre SPD, 1971 wie viele andere wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten, mit kurzer Unterbrechung seit 1981 Stadtverordneter. Hans-Joachim Dietrich, 30 Jahre in der SPD, seit 1981 Magistratsmitglied - bis auf fünf Jahre, in denen er Fraktionschef war - zehn Jahre lang Ortsvereinsvorsitzender und 2003 Bürgermeisterkandidat. Thomas Schön, 20 Jahre Mitglied, weil er „nicht bloß meckern wollte", inzwischen in der zweiten Wahlperiode Stadtverordneter. dl

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Frankfurter Rundschau – 29.9.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR