75 Jahre Main-Taunus-Kreis
Streiflichter aus der Kreisgeschichte
BERT   WORBS

Gründung in schwieriger Zeit

Das „Gesetz über die Erweiterung des Stadtkreises Frankfurt am Main und die Neueinteilung von Landkreisen im Regierungsbezirk Wiesbaden" vom 28. März 1928 markiert die Geburtsstunde des Main-Taunus-Kreises. Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 1928 wurde eine Gebiets-Körperschaft etabliert, die in historischer, struktureller und politischer Hinsicht unterschiedliche Kommunen zusammenführte und die in ihrer Zusammensetzung in den 75 Jahren bis heute noch zahlreichen Veränderungen unterworfen sein sollte.

Hintergrund für die Neugliederung der Landschaft zwischen Main und Taunus war die geplante Eingemeindung mehrerer Kommunen des damaligen Landkreises Höchst in die Stadt Frankfurt am Main. Mit den Gemeinden Griesheim, Sossenheim, Schwanheim, Nied und der Kreisstadt Höchst mit ihren Stadteilen Sindlingen, Zeilsheim und Unterliederbach verlor der Landkreis Höchst nahezu zwei Drittel seiner Einwohner. Eine Neugliederung war deshalb geboten.

Bevor das Gesetz allerdings im preußischen Abgeordnetenhaus verabschiedet werden konnte, war der Zuschnitt des künftigen Main-Taunus-Kreises durchaus umstritten. Vor Ort wurde lebhaft diskutiert und gestritten. Einige Gemeinden, die nach den ersten Entwürfen dem neuen Kreis angehören sollten, wehrten sich gegen diese Pläne (z.B. Auringen, Breckenheim, Delkenheim, Igstadt, Medenbach, Naurod, Nordenstadt, Wallau, Wildsachsen, Hochheim, Altenhain, Eppenhain, Neuenhain und auch Hattersheim), andere forderten massiv die Eingliederung (z.B. Vockenhausen, Niedernhausen, Königshofen, Oberreifenberg, Niederreifenberg, Seelenberg, Oberems, Niederems, Wüstems). Die jeweilige Interessenlage war jedoch durchaus unterschiedlich und ermöglichte so kein einheitliches Vorgehen.

Erst am 22. März 1928 fiel die endgültige Entscheidung. Der Main-Taunus-Kreis umfasste 49 Städte und Gemeinden mit insgesamt 62.940 Einwohnern. Neben den Kommunen, die heute noch zum Kreisgebiet gehören, waren dies: Delkenheim, Nordenstadt, Breckenheim, Medenbach, Auringen, Naurod, Niedernhausen, Königshofen, Schloßborn, Glashütten, Oberems, Oberreifenberg und Niederreifenberg. Der bisherige Landrat des Kreises Höchst, Wilhelm Apel, wurde erster Landrat des neuen Kreises. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die inzwischen nach Frankfurt eingegliederte Stadt Höchst Kreisstadt wurde.

Als Grunde für diesen ungewöhnlichen Status werden  in  der  Literatur genannt, dass sich Höchst in 40 Jahren als Kreisstadt bewährt habe, und kein kostspieliger Umzug der Verwaltung notwendig sei. Die Zeit der Kreisgründung war geprägt von den wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen der späten Weimarer Republik. Die politische Radikalisierung war bereits deutlich spürbar. Die nationalsozialistische Machtergreifung 1933 veränderte das gesellschaftliche Zusammenleben und die politischen Strukturen im Main-Taunus-Kreis ebenso nachhaltig wie im gesamten Deutschen Reich. Auch hier wurde die Machtergreifung von weiten Kreisen der Bevölkerung begrüßt. Widerstand oder eine Verweigerungshaltung gegenüber  den neuen  Machthabern gab es nur vereinzelt; auch dann nicht, als mit den Novemberpogromen 1938 die Verbrechen des Regimes offensichtlich wurden.

Ernst Janke und Franz Brunnträger - Die Landräte in der Zeit des Nationalsozialismus

Nachdem im Februar 1933 der Sozialdemokrat Wilhelm Apel als Landrat aus dem Amt vertrieben worden war, amtierte von 1933 bis 1939 Dr. Ernst Janke. Janke verkörperte jenen Typus des national  gesinnten  preußischen  Verwaltungsbeamten, der sich in den demokratischen Strukturen der Weimarer Republik nicht wiederzufinden vermochte. Janke arrangierte sich nicht nur mit den Nationalsozialisten, er bekundete auch seine Absicht, nach Beendigung eines Aufnahmestopps in die Partei einzutreten. Seine Äußerung gegenüber dem Innenministerium, er stehe "ganz auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung", belegt seine Versuche, sich des Wohlwollens der NSDAP zu versichern. Dr. Franz Brunnträger wurde schon 1933 von NSDAP-Gauleiter Sprenger als Landrat favorisiert; dieser konnte sich jedoch damals noch nicht mit seinem Personalvorschlag durchsetzen. Nachdem Ernst Janke 1939 in den Ruhestand eingetreten war, wechselte Brunnträger in das ursprünglich angestrebte Amt, das er bis zu seiner Verhaftung am 1. April 1945 ausübte. Im Gegensatz zu Janke war Franz Brunnträger kein Beamter, sondern arbeitete als promovierter Chemiker in der IG-Farbenindustrie. 1930 in die NSDAP eingetreten, machte er eine steile Parteikarriere, war Ortsgruppenleiter in Höchst und Kreisleiter im Main-Taunus-Kreis. Seine Bereitschaft, ideologisch motivierte Anordnungen umzusetzen, war groß. Die in einem Brief an die Burgermeister vom 19. Juni 1941 enthaltene Aussage "Ich lege Wert darauf, dass der Main-Taunus-Kreis, dessen Juden-Bestand sich schon erheblich vermindert hat, in absehbarer Zeit völlig judenfrei wird, und erwarte, dass auch Sie alles Erforderliche dazu beitragen. Vor allem sind die Juden selbst zur baldmoglichen Auswanderung fortgesetzt und schärfstens anzuhalten", charakterisiert ihn in seiner Amtsführung.

Das alte Kreishaus in Höchst. (Foto: Sammlung Main-Taunus-Kreis)

Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg

In der Zeit nach dem Kriegsende und dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft hatten sich die Landräte Dr. Walter Weber (1945 - 1946) und Dr. Joseph Wagenbach (1946 - 1966) neuen Problemen zu widmen. Der politische und gesellschaftliche Neubeginn, die Aufnahme der Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten und die Linderung der akuten Wohnungsnot, der Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur, waren Herausforderungen, mit denen Joseph Wagenbach vor allem zu Beginn seiner 20-jährigen Amtszeit konfrontiert wurde. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der folgenden Jahre ging mehr und mehr ein deutlicher Strukturwandel einher.Waren bis dahin noch weite Teile des Kreisgebietes vor allem landwirtschaftlich geprägt, trat diese mehr und mehr in den Hintergrund. Handel und Gewerbe bestimmten das wirtschaftliche Leben; anhaltender Siedlungsdruck brachte neue Baugebiete und erhöhte die Einwohnerzahl. Die Schaffung der notwendigen Infrastruktur, der (Neu-) Bau von Schulen waren wichtige Elemente in der Arbeit der Kreisgremien. Als Joseph Wagenbach 1966 die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Dr. Valentin Jost übergab, hatte der Main-Taunus-Kreis über 160.000 Einwohner (Stichtag 30. Juni 1966: 161.516), eine Zahl die sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlich erhöhen sollte.

Gebietsreform und Umzug der Kreisverwaltung

Die kommunale Gebietsreform, die in den 70er Jahren die weitgehend heute noch existierenden Verwaltungsgrenzen schuf, prägte einen Großteil der Amtszeit von Landrat Dr. Jost. Der Kreistag des Main-Taunus-Kreises beschloss am 31 März 1970, die Landesregierung darum zu bitten, einen „Modellplan zur Gemeindegebietsreform" zu erstellen. Im Oktober wurde dieser Modellplan vorgelegt und war somit eine erste Grundlage für die Diskussionen und Entscheidungen der folgenden Jahre. Es wurde an dieser Stelle zu weit fuhren, auf die Einzelheiten einzugehen, einige Diskussionspunkte seien jedoch beispielhaft aufgeführt. . Den Widerspruch des Main-Taunus Kreistages fand vor allem der Plan, die beiden Teile der Gemeinde Reifenberg aus dem Kreis auszugliedern und einem neu zu bildenden Taunuskreis zuzuordnen. Auch war man bemüht, die Städte Königstein und Kronberg in den Main-Taunus-Kreis zu ziehen. In diese Zeit der Diskussionen und teilweise kurzfristigen Zwischenlösungen gehört auch das Intermezzo der Gemeinde Rossert, die für zwei Jahre als Zusammenschluss von Ruppertshain und Eppenhain Bestand hatte.

Am Ende stand im Jahre 1977 der Main-Taunus-Kreis in seiner heutigen Gestalt. Schloßborn, Glashütten (mit Oberems), Ober- und Niederreifenberg waren 1972 in den Hochtaunuskreis eingegliedert worden. Die oben erwähnten Beschlüsse des Kreistages - symbolträchtig auf dem Feldberg gefasst - hatten also keine Berücksichtigung gefunden. 1977 wurden Niedernhausen und Königshofen in den Rheingau-Taunus-Kreis, sowie Auringen, Breckenheim, Delkenheim, Medenbach, Naurod und Nordenstadt in die Stadt Wiesbaden eingegliedert.

In der Amtszeit von Landrat Dr. Bernward Löwenberg (1978 - 1989) konnte der ungewöhnliche Zustand mit der „Kreisstadt außerhalb des Kreises" beendet werden. Ab 1. Januar 1980 wurde Hofheim am Taunus offiziell Kreisstadt des Main-Taunus- Kreises. Der Umzug der Verwaltung erfolgte 1987 nach Fertigstellung des neuen Kreishauses auf dem Hochfeld. In diesem neuen äußerlichen Rahmen war und ist es ein Anliegen der Nachfolger von Landrat Dr Löwenberg, der Landräte Jochen Riebel (1990 -1999) und Berthold R. Gall (seit 1999) den Main-Taunus-Kreis in der Region weiter fortzuentwickeln.

Standortbestimmung und Ausblick

Die Lage des Kreises innerhalb des Ballungsraumes, die Nähe zum Banken- und Wirtschafts-Standort Frankfurt am Main, die Lage an bedeutenden Kreuzungspunkten auch der modernen Verkehrswege, sind heute am Beginn des dritten Jahrtausends weiterhin wichtige Standortfaktoren, von denen der Kreis und seine Städte und Gemeinden nachhaltig profitieren. Jedoch auch die Kehrseiten dieser Entwicklung, ein chronisch überlastetes Straßennetz und die Lärmbelastung durch den nahen Rhein-Main-Flughafen sind Bestandteil sowohl der jüngsten Geschichte als auch der Gegenwart.

Die Diskussion über unterschiedliche Ansätze einer Regionalreform zeigt, dass in den nächsten Jahren weitreichende Entscheidungen getroffen werden, von denen auch der Main Taunus Kreis nicht unberührt bleiben wird. In den bisher 75 Jahren seiner Geschichte ist der Main-Taunus-Kreis schon des öfteren mit Fortentwicklungen und Veränderungen konfrontiert worden,  hat aber dabei seinen Charakter weitgehend bewahren und festigen  können. Das Gewicht des Kreises innerhalb der Region wird sicherlich auch in Zukunft eine Rolle spielen. Geschichte und Gegenwart des Main-Taunus-Kreises werden im Jubiläumsjahr 2003 Gegenstand mehrerer Veranstaltungen sein. Als Höhepunkte sind eine Ausstellung zur Geschichte des Kreises und ein Tag der offenen Tür im Kreishaus geplant.

Anmerkungen
(1) Die Rolle der beiden Landräte in  der NS-Zeit wurde im Auftrag des Main-Taunus-Kreises durch eine Geschichtswerkstatt der VHS aufgearbeitet und in einer Dokumentation dargestellt.
(2) Ausführlich dargestellt sind die Vorgänge um die Gebietsreform im Main-Taunus-Almanach 1977. Im aktuellen Jahrbuch beschäftigt sich der Beitrag von Herrn Dr Picard mit den Geschehnissen m Eppstein.

Literatur zur Kreisgeschichte

    Walter Eigner, Fünf Jahrzehnte Main-Taunus-Kreis,  in Rad und Sparren, 6. Jg. Heft 1(9), 1980, S. 42 – 47
    Gerd S. Bethke,  Main-Taunus-Land, Historisches Ortslexikon, (= Rad und Sparren, Nr. 26, 1996)
    Kreissparkasse des Main-Taunus-Kreises (Hrsg), Menschen und Mächte - Geschichte und Geschichten zwischen Main und Taunus, Hofheim 1986
    Main-Taunus-Almanach 1967/1968
    dto., 1977
    Jahrbücher des Main-Taunus-Kreises 1993 – 2002

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2003 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors
23.7.05