75 Jahre SPD-Fraktion im Kreistag des Main-Taunus-Kreises
Von der Entstehung des Kreises bis zum demokratischen Neubeginn 1946
DIETER REUSCHLING

Im Jahr 2003 feierte der Main-Taunus-Kreis am 1. April den 75. Jahrestag seiner Gründung. Der erste Kreistag des 1928 durch das Land Preußen neu gebildeten Kreises wurde am 10. Juni 1928 gewählt. Er trat am 28. Juni 1928 im Kreishaus in Frankfurt-Höchst erstmals zusammen. Mit 9 von 26 Kreistagsabgeordneten stellte die SPD damals die stärkste Fraktion. Sie blieb die einzige Partei, die seitdem bis heute im Kreistag vertreten ist.

Die Kreistage der Vorgängerkreise

In den Landkreisen, aus denen der Main-Taunus-Kreis hervorgegangen ist, hat es auch schon vor seiner Gründung SPD-Fraktionen gegeben. Es waren die Landkreise Höchst, Wiesbaden und Teile der Landkreise Obertaunus, Untertaunus und Usingen. Allerdings gab es während der Kaiserzeit bis 1918 durch die hohen Hürden, die das Dreiklassenwahlrecht bei Kommunalwahlen in Preußen setzte, für Sozialdemokraten nur sehr geringe Chancen, in den Kreistag zu kommen. Erst in der Weimarer Republik zogen bei den ersten demokratischen Wahlen 1920 in alle Kreistage Sozialdemokraten ein. Für den Kreis Höchst waren es zum Beispiel bei der Wahl am 23.8.1920 aus dem heutigen Main-Taunus-Kreis der Geschäftsführer Jakob Wenzel aus Bad Soden und der Krankenkontrolleur Johannes Krauß aus Kriftel. Im Kreistag des Kreises Höchst errangen 1920 die (Mehrheits-) SPD 9 Sitze und die damals noch eigenständige Unabhängige SPD (USPD) 6 Sitze, mit zusammen 15 von insgesamt 29 Sitzen also die absolute Mehrheit gegenüber den bürgerlichen Parteien.

Den Mehrheitsverhältnissen im Kreistag entsprechend berief der preußische Innenminister 1921 den Sozialdemokraten Josef Zimmermann (1871-1929) zum ersten Landrat des Kreises Höchst während der Weimarer Republik. Bei den Kreistagswahlen am 29.11.1925 blieb die SPD mit 11 von 26 Sitzen stärkste Fraktion; zusammen mit 4 Abgeordneten der KPD blieb eine linke Mehrheit erhalten. Als Josef Zimmermann 1926 zum Polizeipräsidenten von Frankfurt berufen wurde, folgte ihm der Sozialdemokrat Wilhelm Apel als Landrat des Landkreises Höchst. Er wurde später der erste Landrat des 1928 neu gebildeten Main-Taunus-Kreises.

Wilhelm Apel (* 14.2.1873 in Bad Frankenhausen, # 16.11.1960 in Frankfurt) war von Beruf Zigarrenmacher und schon früh in der sozialdemokratischen Bewegung aktiv. Von 1906 bis 1910 arbeitete er als Redakteur der „Nordhausener Volkszeitung", wurde 1910 Parteisekretär in Erfurt und nach den ersten Kommunalwahlen in der Weimarer Republik 1920 Landrat im thüringischen Landkreis Schleusingen. Am 22.4.1926 trat er sein Amt als Landrat in Höchst an und musste sich schon bald mit der Frage des Fortbestandes des Landkreises höchst auseinandersetzen.

Die Entwicklung der Gebietsreform

Eine wesentliche Ursache für die damalige Diskussion über eine Gebietsreform - der ersten nach der preußischen Kreisreform von 1886 – war die Entscheidung der Farbwerke Hoechst im Jahr 1925, dem Großkonzern IG Farben mit Firmensitz in Frankfurt beizutreten. Damit fielen für die Kreisstadt Höchst ein Viertel der Gewerbesteuer und die Hälfte der Kapitalertragssteuer weg, die künftig nach Frankfurt flössen. Die Stadt Höchst begann im Sommer 1927 „schweren Herzens", mit der Stadt Frankfurt über eine Eingemeindung zu verhandeln. Auch Griesheim, Nied, Schwanheim und Sossenheim, die zum Kreis Höchst gehörten, wollten aus finanziellen Gründen nach Frankfurt. Zur gleichen Zeit wurde auch die Eingemeindung von Dotzheim, Frauenstein, Georgenborn, Erbenheim, Bierstadt, Kloppenheim und Rambach in die Stadt Wiesbaden geplant und damit der Bestand des Restkreises Wiesbaden in Frage gestellt, nachdem schon am 3.10.1926 die „Auskreisung" der Kommunen Biebrich, Schierstem und Sonnenberg und ihre Eingemeindung nach Wiesbaden in Kraft getreten war.

In einer 56-seitigen Denkschrift vom Juni 1927, in der er die wirtschaftliche Lage, die Infrastruktur und die Verwaltung des Kreises ausführlich darstellte, trat Wilhelm Apel für den Erhalt des Kreises Höchst ein, weil er als industriell geprägter Landkreis für sich lebensfähig sei. Für den Fall, dass die preußische Staatsregierung und der Landtag die Eingemeindungswunsche Frankfurts erfüllen sollten, schlug Apel in seiner Denkschrift aber schon eine große Losung für den Zusammenschluss der Restkreise Höchst und Wiesbaden sowie der Kommunen des Untertaunus-Kreises vor, die über die Bahnlinie Höchst-Idstein-Limburg an die Kreisstadt angebunden waren. Dazu sollten die unter französischer Besatzung stehenden Kommunen der Landkreise Usingen und Obertaunus kommen, die den Hilfskreis Königstein bildeten.

Da für Apel neben der wirtschaftlichen Verknüpfung mit Höchst auch die verkehrliche Anbindung an die Kreisstadt ein zentrales Argument für seinen Vorschlag war, sollte Höchst Sitz der Kreisverwaltung bleiben. Seine Analyse der Gebietsreform und seine Vorschlage für „den neuen Kreis Höchst" wurden im September 1927 im „Höchster Kreisblatt" veröffentlicht. Die Karte auf der vorhergehenden Seite zeigt diesen weitgehenden Vorschlag Apels vor dem Hintergrund der heutigen Kreisgrenzen.

Im Land Preußen regierte eine Koalition aus SPD, Zentrum und der linksliberalen DDP, die sog Weimarer Koalition. Die SPD war bei der Landtagswahl am 7 12 1924 als stärkste Partei bestätigt worden und stellte den Ministerpräsidenten (Otto Braun) und den für die Verwaltungsreform zuständigen Innenminister. Seit Oktober 1926 war dies Albert Grzesmski, der für eine konsequente Demokratisierung der Verwaltung und ihre Modernisierung eintrat. Dazu gehörte für ihn auch die Zusammenlegung kleinerer Landkreise, da es in Preußen mit insgesamt 420 Landkreisen zu viele gab. Dies führte er u.a. im September 1927 vor der Hauptversammlung des preußischen Landkreistages aus. Landrat Apel konnte sich bei seinen Bestrebungen zur Kreisreform also der Unterstützung seines Parteifreundes Grzesinski sicher sein.

Allerdings stellte sich bald heraus, dass der Innenminister den weitgehenden Vorstellungen Apels nicht im vollen Umfang folgen wollte. In dem l. Gesetzentwurf über „die Erweiterung des Stadtkreises Frankfurt und die Neueinteilung von Landkreisen im Regierungsbezirk Wiesbaden" vom 21.12.1927 waren Kommunen aus dem Untertaunus-Kreis und dem Kreis Usingen nicht für den neuen Main-Taunus-Kreis vorgesehen, ebenso nicht Königstein und Kronberg aus dem Obertaunus-Kreis. In den folgenden Wochen fanden intensive Beratungen über den Gesetzentwurf statt, der Gemeindeausschuss des am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Preußischen Staatsrates bereiste die betroffenen Kreise, die Kreistage nahmen Stellung und die betroffenen Kommunen wurden angehört. Ihre Voten waren sehr unterschiedlich. Während beispielsweise Kommunen des Untertaunus-Kreises wie Niedernhausen und des Kreises Usingen wie Reifenberg, Seelenberg oder Oberems für den Main-Taunus-Kreis plädierten, favorisierten andere die Eingemeindung nach Frankfurt (Neuenhain, Hattersheim) oder nach Wiesbaden (Wallau, Wildsachsen, Nordenstadt u.a.).

Die endgültigen Beratungen über den Gesetzentwurf im preußischen Landtag, denen auch eine Bereisung des umstrittenen Gebietes durch den Gemeindeausschuss vom 26 -29.2.1928 vorausgegangen war, führte zu einer Kompromisslösung, die in dritter Lesung des Gesetzes am 20.März 1928 beschlossen wurde. Aus dem Landkreis Wiesbaden kamen außer den Gemeinden aus Apels Vorschlag noch Naurod und Auringen hinzu, nicht aber Igstadt, aus dem Untertaunus-Kreis nur die Gemeinden Bremthal, Niederjosbach, Vockenhausen, Niedernhausen und Königshofen, nicht aber die heutigen Kommunen Idstein und Waldems, aus dem Hilfskreis Königstein insgesamt 15 Gemeinden, nicht aber Seelenberg, Königstein, Kronberg, Steinbach und Stierstadt Wenn auch seine Vorschlage vom preußischen Landtag nicht vollständig übernommen wurden, so hatte Wilhelm Apel doch einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung des ab dem 1.4.1928 neu gebildeten Main-Taunus-Kreises. Er wurde dabei aber auch durch die SPD-Kreistagsfraktionen der hauptsächlich betroffenen Landkreise unterstützt, die nicht nur im Kreis Höchst, sondern auch im Kreis Wiesbaden (8 von 23 Abgeordneten im Jahr 1927) und im Obertaunus-Kreis (10 von 26 Abgeordneten) jeweils die stärksten Fraktionen stellten.

Der erste Kreistag des Main-Taunus-Kreises

Nach der Gründung des Main-Taunus-Kreises wurde der Kreistag am 10 Juni 1928 neu gewählt. Er trat erstmals am 28.Juni 1928 im Kreishaus in Höchst zusammen. Bei der Wahl errangen die SPD 35,1 % der Stimmen und 9 von 26 Sitzen, das Zentrum 26,9 % (7 Sitze), die Arbeitsgemeinschaft der Bauern 16,7 % (4 Sitze), die Liste Handwerk und Gewerbe 10,9 % (3 Sitze), KPD 5,4 % (l Sitz), DDP 3,2 % (l Sitz) und Evangelische Arbeitsgemeinschaft 1,8 % (l Sitz). Obwohl die SPD klar stärkste Partei blieb, stand sie im neuen Kreistag etwa im Verhältnis 40 zu 60 % doch einer bürgerlichen, wenn auch zersplitterten Mehrheit gegenüber. Wahlstrategisch betrachtet war die Bildung des neuen Kreises für die SPD also kein Gewinn. Erklärbar ist die Entwicklung auch dadurch, dass die industriell geprägten städtischen Regionen mit Höchst und Biebrich weggefallen waren, und damit ein größeres Stammwählerpotenzial für die SPD, und dass die Zahl der ländlich geprägten Gemeinden mit ihrem konservativeren Wählerpotenzial gegenüber dem Kreis Höchst zugenommen hatte.

Die 9 Mitglieder der l.  SPD-Kreistagsfraktion des Main-Taunus-Kreises waren:

1. Jakob Wenzel, Geschäftsführer, Bad Soden

2. Andreas Schwarz, Schiffer, Florsheim

3. Georg Dornauf, Direktor, Kelkheim

4. Johannes Krauß, Kassensekretär, Kriftel

5. Joseph Kramer, Maurer, Hochheim

6. Otto Bauer, Burgermeister, Niederhöchstadt

7. Nikolaus Messer, Kassenangestellter, Hofheim

8. August Limbarth, Dachdecker, Naurod

9. Philipp Meister, Schulhausmeister, Sulzbach

Die SPD-Kandidaten waren offensichtlich entsprechend den Bevölkerungsanteilen der früheren Kreise nach Proporz aufgestellt worden, aus dem Kreis Höchst mit dem größten Bevölkerungsanteil kamen 4 Abgeordnete (Platze l, 4, 7 und 9), aus dem Kreis Wiesbaden 3 Abgeordnete (Platze 2, 5 und 8) und aus dem Obertaunus-Kreis 2 Abgeordnete (Platze 3 und 6). Die 3 Spitzenkandidaten standen schon bei den vorhergehenden Kreistagswahlen am 29 11 1925 in ihren damaligen Kreisen an führender Stelle der SPD-Kandidatenlisten, Jakob Wenzel auf Platz l im Kreis Höchst, Andreas Schwarz auf Platz 2 im Kreis Wiesbaden und Georg Dornauf auf Platz 2 im Obertaunus-Kreis. Für die vorwiegend sachorientierte Politik im neuen Kreistag spricht, dass die Bildung des Kreisausschusses (KA) einstimmig beschlossen wurde. Von 6 Mitgliedern erhielt die SPD 2 Mandate, das Zentrum 2, die Bäuerliche AG l und die Liste Handwerk und Gewerbe l. Für die SPD wurden Jakob Wenzel, Bad Soden, und Georg Dornauf, Kelkheim, Mitglieder des KA, Jakob Wenzel wurde von der Fraktion auch zum ersten Fraktionsvorsitzenden bestimmt. Für sie und für den am 16.7.1928 verstorbenen SPD-Abgeordneten Johannes Krauß, Kriftel, ruckten Heinrich Weiß, Marxheim, Heinrich Stohr, Schwalbach und Jean Wilhelm, Niedernhausen nach. Als Kreisdeputierte, d.h. Vertreter des Landrates, wurden für das Zentrum Bürgermeister Jakob Lauck, Kelkheim, und für die DDP Dr. Leonhard Dichmann, Kelkheim, gewählt. Der Kreistag entschied am 17.12.1928 auch einstimmig, dem preußischen Innenminister den kommissarisch amtierenden Wilhelm Apel als ersten Landrat des Main-Taunus-Kreises zur Berufung vorzuschlagen, was dieser auch tat.

Kreispolitik am Ende der Weimarer Republik

Die folgenden regulären Kreistagswahlen am 17.11.1929 brachten gegenüber dem Ergebnis von 1928 keine wesentlichen Änderungen. Statt sieben kandidierten jetzt elf Parteien und Interessengruppen. Spitzenkandidat der SPD war jetzt Georg Dornauf, Kelkheim, da Jakob Wenzel am 25.4.1929 nach längerer Krankheit verstorben war. Die beiden größten Parteien erhielten die gleiche Anzahl der Sitze wie vorher SPD 9 (34,0 % der Stimmen) und Zentrum 7 (25,0 %) von 26, d.h. die SPD blieb stärkste Partei, die Mehrheit im Kreistag war aber bürgerlich orientiert. Die NSDAP schaffte mit 2,5 % der Stimmen und einem Abgeordneten erstmals den Sprung in den Kreistag. Als Stellvertreter des Landrates (l Kreisdeputierter) wurde Georg Dornauf am 18 12 1929 wiedergewählt. Geboren am 22 4 1857 in Bad Soden wurde er als gelernter Schmied schon früh in der SPD aktiv. Ein Polizeibericht für den Landrat des Kreises Höchst fuhrt ihn 1910 als einen „Hauptagitator" der SPD Kelkheim auf. Nach einer Kaufmannslehre wurde er später kaufmännischer Direktor des (jüdischen) Sanatoriums Kohnstamm in Kronberg. Seit 1921 war er kommunalpolitisch tätig als Kreistagsabgeordneter und Mitglied des Kreisausschusses im Obertaunus-Kreis. Er blieb es auch im Main-Taunus-Kreis bis zum Verbot der SPD durch die Nationalsozialisten 1933. Georg Dornauf starb 1945 im Alter von 88 Jahren in Kelkheim.

Die ersten Jahre des neuen Kreises waren zunächst von der Reorganisation und Zusammenführung der Verwaltung aus den Vorgängerkreisen und der Vermögensauseinandersetzung mit den benachbarten Städten und Landkreisen geprägt. Die Folgen der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf den Kreishaushalt wurden aber bald zum beherrschenden Thema der Kreispolitik. Den sinkenden Steuereinnahmen standen durch die hohe Arbeitslosigkeit stark steigenden Ausgaben für Wohlfahrtspflege und Wohnungsfürsorge gegenüber. Nach den Verwaltungsberichten des Kreises stieg allem die Zahl der „Wohlfahrtserwerbslosen" im Kreis vom Juli 1931 bis zum Dezember 1932 von 747 auf l 788, d. h. um das 2,4-fache. Dazu kam zunehmende Radikalisierung des politischen Lebens durch links- und rechtsextreme, antidemokratische Parteien, insbesondere durch die erstarkende NSDAP. Wie es Prof. Dr Rainer Koch in seinem Festvortrag zum Kreisjubiläum am l.4.2003 im Kreishaus eindrucksvoll dargestellt hat, war Landrat Apel ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten, der alle vom Land Preußen vorgegebenen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfte, um sie und ihre Gliederungen im Main-Taunus-Kreis einzuschränken und ihre Ausbreitung zu behindern.

Es ist deshalb nur folgerichtig, dass schon kurz nach der sog. Machtergreifung im Reich am 30.l.1933 der von ihnen kommissarisch eingesetzte preußische Innenminister Hermann Göring Landrat Apel am 13 Februar 1933 beurlaubte, d.h. praktisch fristlos aus seinem Amt entfernte. Am Tag darauf wurde Wilhelm Apel 60 Jahre alt. Es bleibt bemerkenswert, mit welcher Konsequenz und wie schnell es den Nationalsozialisten gelang, die Schaltstellen der Macht zu besetzen und ihre politischen Gegner bis in die Provinz aus ihren Ämtern zu entlassen.

Die turnusgemäße Kreistagswahl am 12.3.1933 wurde wie die Reichstagswahl eine Woche vorher noch durchgeführt, um den Schein der Legalität zu wahren. Trotz massiver Behinderungen der anderen Parteien (zum Beispiel wurde das Verteilen von Flugblättern verboten) erreichte die NSDAP bei dieser Kreistagswahl nicht die absolute Mehrheit (41,2 % und 11 von 26 Sitzen). Bei der Reichstagswahl am 5.März 1933 bekam sie im Reich 43,9 % der Stimmen. Zweitstärkste Partei im Kreistag wurde die Zentrumspartei mit 23,3 % der Stimmen und 6 Sitzen, gefolgt von der SPD mit 21,6 % und ebenfalls 6 Sitzen

Der neu gewählte Kreistag trat nur noch zweimal zusammen, u.a. um den Kreisausschuss zu wählen. Für die SPD wurde Georg Dornauf, Kelkheim, nochmals in den Kreisausschuss gewählt Am 22.Juni 1933 wurde die SPD im Reich verboten. Schon vier Tage später erhielten alle SPD-Kreistagsabgeordneten von Landrat Dr Janke die Aufforderung übersandt, „sich mit sofortiger Wirkung Ihres Mandates als Kreistagsabgeordneter, Kreisausschussmitglied usw. zu enthalten, weil Ihre weitere Betätigung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt." Bei Nichtbefolgung wurde Verhaftung angedroht. Der restliche Kreistag blieb aber nur noch kurze Zeit im Amt. Am 17.7.1933 wurden die Zuständigkeiten des Kreistages durch Gesetz auf den Kreisausschuss übertragen, der Kreistag damit aufgelost.

Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit

Landrat Wilhelm Apel wurde nach seiner Amtsenthebung mehrfach verhaftet und verhört, sicher auch wegen seiner beiden Söhne Paul (1896-1965) und Wilhelm jr. (1906-1969). Sie waren in der SPD aktiv und arbeiteten in Höchst und im Main-Taunus-Kreis an führender Stelle im „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" und in der „Eisernen Front", den politischen Kampfverbänden zur Verteidigung der Weimarer Republik, die die SPD mit anderen Parteien bzw. mit Gewerkschaften und Arbeitersportorganisationen gebildet hatte. Paul Apel wurde ab März 1933 wiederholt in Schutzhaft genommen, sein Bruder Wilhelm emigrierte im Juni 1933 ins Saarland und später nach Frankreich, wo er bis 1945 blieb. Paul Apel versuchte mit anderen Parteimitgliedern, auch aus dem Main-Taunus-Kreis, eine illegale SPD-Bezirksorganisation Hessen-Sud aufrechtzuerhalten. Er wurde Ende 1935 verhaftet, vom Volksgerichtshof zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und danach im Konzentrationslager Dachau gefangen gehalten.

Am Widerstand gegen die Nationalsozialisten, den sie durch Verfolgung büßen mussten, waren auch verschiedene Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion beteiligt. Heinrich Weiß, Marxheim, Kreistagsabgeordneter von 1928-1929 und von 1931-1933, verlor seinen Arbeitsplatz als Gewerkschaftsangestellter beim Verband der Eisenbahner und wurde mehrmals durch die Gestapo verhaftet, zuletzt Juli 1944. Peter Nida (*10.10.1884, # März 1945) aus Hattersheim war Gewerkschaftssekretär beim Fabrikarbeiterverband im Büro Höchst, in der „Eisernen Front" aktiv und war von 1929-1933 Kreistagsabgeordneter der SPD, als zweiter Kandidat nach Georg Dornauf. Er wurde am 17.6.1933 von den Nazis in „Schutzhaft" genommen und am 27.8.1933 aus der Haft entlassen, nachdem er sich verpflichtet hatte, an keinen „hoch- und landesverräterischen Umtrieben" teilzunehmen. Er beteiligte sich aber an den illegalen Aktivitäten der Gruppe um Paul Apel, wurde am 15.10.1935 verhaftet und verurteilt. Vom April 1941 an wurde er im Konzentrationslager Dachau gefangen gehalten, wo er kurz vor Kriegsende im März 1945 im Alter von 60 Jahren verstarb. Peter Nida, Kreistagsabgeordneter des Main-Taunus-Kreises bis zum Verbot der SPD 1933, hat seinen Widerstand gegen die NS-Diktatur mit dem Leben bezahlt.

Landrat Wilhelm Apel zog im Jahr 1944 in seine thüringische Heimat, in die Stadt Zella-Mehlis. Dort setzten ihn die Sowjets nach der Befreiung 1945 als Burgermeister ein. Als sie die Gleichschaltung von SPD und KPD immer starker betrieben und Sozialdemokraten verfolgten, floh Wilhelm Apel im Herbst 1945 in den Westen, nach Frankfurt, wo er im Alter von 87 Jahren 1960 verstarb. Zu seinem 80. Geburtstag am 14.2.1953, 20 Jahre nach seiner Amtsenthebung als Landrat des Main-Taunus-Kreises durch die Nationalsozialisten, erhielt Wilhelm Apel das Bundesverdienstkreuz, überreicht von seinem Sohn Wilhelm Apel jr., der inzwischen „Beauftragter des Landes Hessen beim Bund" war, also ein Amt innehatte, das seit 1999 mit dem Titel eines Staatsministers Jochen Riebel, CDU, begleitet.

Demokratischer Neubeginn

Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde das politische Leben auch im Main-Taunus-Kreis durch die amerikanische Besatzungsmacht eingeleitet, die durch die NS-Zeit unbelastete Persönlichkeiten in die politischen Ämter einsetzte. Dr. Walter Weber wurde so 1945 kommissarischen Landrat und Heinrich Weiss, SPD, sein Stellvertreter. Er wurde in der Nachkriegszeit einer der prägenden Kommunal- und Landespolitiker des Kreises. In vier Kommunalwahlen von 1948 bis 1960 war er Spitzenkandidat der SPD, von 1948 bis 1956 ehrenamtliches Mitglied des Kreisausschusses und von 1956-1960 als erster Kreisbeigeordneter wieder Stellvertreter des Landrates. Nach der Kommunalwahl 1960 legte er sein Mandat als Kreistagsabgeordneter nieder, um sich auf seine Aufgaben als Landtagsabgeordneter zu konzentrieren: Seit der ersten Landtagswahl in Groß-Hessen am 1.12.1946 vertrat er bis zu seinem Tod am 5.11.1966 als direkt gewählter Abgeordneter den Main-Taunus-Kreis im Hessischen Landtag.

Die erste Kreistagswahl nach der NS-Diktatur fand am 28. April 1946 statt, bei der SPD, CDU, LDP und KPD kandidierten. Spitzenkandidat der SPD war Heinrich Weiss, Hofheim-Marxheim, gefolgt von Adam Treber aus Hochheim, der dort von den Amerikanern als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt worden war. Er gehörte zu dem Kreis der illegalen SPD um Paul Apel; in seiner Gastwirtschaft „Zur Eintracht" in Hochheim fanden konspirative Treffen der Gruppe statt. Adam Treber wurde deshalb schon im August 1933 verhaftet und saß bis Mai 1936 im Gefängnis. Zur Gruppe um Paul Apel gehörte auch Heinrich Dosse aus Bad Soden, der ebenfalls verhaftet und 1936 zu 21/2 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Bei der ersten Kreistagswahl kandidierte er auf Platz 12 der SPD-Liste. Der mit Personen verbundene Hinweis auf die antifaschistische Tradition der Partei war eine der Botschaften, mit der die SPD die Wähler bei dieser Wahl zu gewinnen suchte. Das Wahlergebnis war für sie eher enttäuschend: sie erhielt 37,3 % der Stimmen gegenüber der erstmals kandidierenden CDU, die mit 49,4 % die absolute Mehrheit nur knapp verfehlte. Da die LDP (7,2 %) und KPD (6,1 %) das damals geltende Quorum von 15 % nicht erreichten, waren im ersten Kreistag nach dem Krieg nur CDU mit 18 und SPD mit 13 Abgeordneten vertreten. Im Vergleich zu der vorhergehenden, letzten regulären Wahl 1929 hatte sich an den politischen „Lagern" im Kreis nichts wesentliches geändert: Das bürgerliche Lager erreichte knapp 57 %, aber mit dem großen Unterschied zu früher, dass es der CDU gelungen war, die vorher zersplitterten bürgerlichen Parteien und Interessengruppen fast ganz auf sich zu vereinen. Als erster Landrat wurde Dr. Joseph Wagenbach, CDU, gewählt, der sein Amt am 1.7.1946 antrat und nach 2 Wiederwahlen 1948 und 1954 es bis zum 25.5.1966 fast 20 Jahre ausübte. Bei der Kreistagswahl 1948 blieb die CDU stärkste Fraktion. In den folgenden 6 Wahlen von 1952 bis 1972 wurde sie aber von der SPD überflügelt, und 1966 wurde mit Dr. Valentin Jost wieder ein Sozialdemokrat zum Landrat gewählt, der dieses Amt bis 31.12.1977 ausübte.

Quellen
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Apel, Wilhelm: Der Kreis Höchst am Main jetzt und nach dem Ausscheiden der Landgemeinden Griesheim, Nied, Schwanheim und Sossenheim sowie der Stadt Höchst a.M. aus dem Kreisverbande. Höchst a. M., 18.6.1927
- Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1985
- Jost, Valentin (Hrsg.): Main-Taunus-Almanach 1967+1968. Frankfurt-Höchst 1968
- Jost, Valentin (Hrsg ): Main-Taunus-Almanach '77. Frankfurt-Höchst 1977
- Koch, Rainer: Der Main-Taunus-Kreis von 1928 bis zur Gebietsreform. Vortrag im Kreishaus am 1.4.2003 und Frankfurter Rundschau, Lokalteil R5,11.4.2003, Seite 42. - - - SPD-Kreistagsfraktion des Main-Taunus-Kreises (Hrsg.): 75 Jahre SPD-Fraktion im Kreistag des Main-Taunus-Kreises. 1928-2003: Eine Dokumentation. Hofheim, 2003.
- Verwaltungsberichte des Kreisausschusses des Main-Taunus-Kreises für die Jahre 1928 bis 1935.
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 425

Tageszeitungen:
-
Höchster Kreisblatt
- Freie Presse, Höchst (bis 1933)
- Volksstimme Wiesbaden (bis 1933)
- Main-Taunus-Anzeiger, Hofheim (1946-1948)

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2004 - mit freundlicher Erlaubnis des Autors
30.6.05