Archivar spürt der NS-Zeit nach
Kelkheim: Museum befaßt sich mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Von Barbara Helfrich

Eine Judenverfolgung hat es laut Stadtarchivar Dietrich Kleipa in Kelkheim und seinen Stadtteilen nicht gegeben. Denn in keinem der sechs Orte hätten zur Zeit des Nationalsozialismus Juden gelebt. Lediglich aus dem 18. und 19. Jahrhundert gebe es vereinzelt Überlieferungen zu jüdischen Einwohnern. Eine jüdische Gemeinde wie etwa in Bad Soden habe es in Kelkheim und den später eingemeindeten Orten jedoch nie gegeben.

Kleipa hat für das Kelkheimer Museum einen neuen Abschnitt in der Stadtgeschichte aufgearbeitet, die Zeit zwischen 1903 und 1950. Auf einer der Tafeln ist nachzulesen, wie die Stadt von der Entrechtung der Juden in der NS-Zeit profitierte. 1939 baute eine so genannte Judenkolonne für ein halbes Jahr an der Straße von Münster nach Zeilsheim. Die Männer hatten zuvor ihre Stellen in Frankfurt verloren und mußten nun zum Hilfsarbeiterlohn arbeiten.

„In Kelkheim konnte der Nationalsozialismus wegen des Einflusses der Franziskaner nur langsam Fuß fassen", ist auf einer anderen Tafel zu lesen. Kleipa belegt dies mit dem Ergebnis der letzten freien Wahl: 1933 erhielten die Nationalsozialisten demnach in Kelkheim 34 Prozent der Stimmen, in Bad Soden dagegen 64 Prozent. Die Gestapo schloß 1939 das Franziskanerkloster, das 1909 eröffnet worden war. Den Mönchen wurde verboten, sich in einem Umkreis von 50 Kilometern um Kelkheim niederzulassen. Nach dem Krieg kehrten die Franziskaner nach Kelkheim zurück.

Hunderte Brand- und Sprengbomben zerstörten im Februar 1945 mehr als 40 Wohnhäuser, Schreinerwerkstätten und Scheunen. Auch Fischbach und Ruppertshain waren betroffen, elf Menschen starben. Angriffsziel der englischen Bomber sei Kelkheim nicht gewesen, so Kleipa. Die Stadt habe „Fehlwürfe" abbekommen. Eigentlich waren die Bomben für Wiesbaden bestimmt.

Die Eingliederung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge ist ein weiteres Thema im neuen Teil der Stadtchronik. Sie ist im Treppenhaus des Kelkheimer Museums untergebracht und beginnt 5000 vor Christus.

Der neue Abschnitt über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hat 18 Informationstafeln und 14 Bilder. Sie erzählen unter anderem vom Aufbau des Strom-, Kanal- und Wassernetzes. Zu sehen sind auch Kinder, die im Ersten Weltkrieg Laub sammelten, womit Pferde an der Front gefüttert wurden.

Auf dem obersten - noch freien -Treppenabsatz soll nach den Plänen des Museumsvereins die Stadtgeschichte von 1950 bis 1977 erzählt werden. Wann der letzte Abschnitt hinzukommen wird, hängt jedoch nach Angaben der Museumssprecherin Inge Voigt vom Geld ab.

 

ÖFFNUNGSZEITUND PREISE

Das Kelkheimer Stadtmuseum in der Frankfurter Straße 21 ist mittwochs von 15 bis 17 Uhr geöffnet, sonntags von 15 bis 18 Uhr. In den Schulferien ist es geschlossen.

Der Eintritt kostet für Erwachsene zwei Euro, für Kinder, Jugendliche und Studenten einen Euro.

Die Geschichte des Möbelhandwerks ist einer der Schwerpunkte der Ausstellung. Neben der Stadtgeschichte bis 1950 werden auch die sechs Stadtteile in Vitrinen vorgestellt.

Frankfurter Rundschau – 25.01.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR