Bewegende Aufnahmen
Kelkheim: Ausstellung zeigt Fotos von Kindern in der Nachkriegszeit

Von Stephan Degenhardt

Es ist ein beklemmendes Foto. Zwei kleine Jungen, vielleicht acht Jahre alt, schauen auf das zerbombte Frankfurt. Sie blicken auf verschwommene Ruinen und Trümmer, aus denen ihre Zukunft erwachsen soll.

Fotos, die bewegen, finden sich viele in der Ausstellung „Kindheit in der Nachkriegszeit". Seit dem 8. September sind sie im Kelkheimer Museum zu sehen. Alle Bilddokumente stammen aus dem Besitz des Kelkheimer Historikers John Provan. Der gebürtige Amerikaner durchforstete in den vergangenen Jahren die Archive der US-Kasernen in Deutschland und barg einen historischen Schatz: Fotografien aus den Nachkriegsjahren, die die abziehenden US-Streitkräfte eigentlich achtlos haben vernichten wollen.

Jungen spielen mit Panzern

Die erstmals ausgestellten Aufnahmen wurden direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von US-Soldaten der Fernmeldetruppe gemacht. Sie sollten den Zustand des zerstörten Deutschlands dokumentieren. „Die Fotografen wollten nichts verschönern", sagt John Provan, dessen Vater selbst bei der US-Armee in Deutschland stationiert war.

Die Kinder auf den Fotos sind heute zwischen 70 und 80 Jahre alt. „Die Bilder zeigen unsere Eltern und Großeltern und das Elend, in welchem sie aufgewachsen sind", sagt Beate Matuschek, Kulturreferentin der Stadt Kelkheim. Die Ausstellung beleuchte speziell die Kindheit nach 1945, damit sich heutige Kinder und Jugendliche mit dem Thema identifizieren und in die Fotos hineinfühlen könnten.

Für die Ausstellung wählte Historiker Provan Aufnahmen von 1945 bis 1955 aus - von der Stunde Null über die Berliner Luftbrücke bis zum Wirtschaftswunder. Sie spiegeln den Bewußtseinswandel der Deutschen in den Nachkriegsjahren wider, den gerade die Amerikaner beflügelten. Kamen die GIs 1945 als Feinde, wurden sie bald zu Freunden.Bewegende Aufnahmen

Direkt nach Kriegsende zeigt ein Foto noch zwei Jungen, die mit Panzern spielen, während ein US-Soldat über ihnen eine Telefonleitung verlegt. „Geradezu pervers", findet Provan das Foto. Nur ein bis zwei Jahre später lichtete ein Fotograf einen deutschen Jungen ab, der zufrieden auf einem der berühmten amerikanischen „Care-Pakete" sitzt und eine Tafel Schokolade ißt.

Die US-Einheiten bemühten sich, die deutschen Kinder zu beschäftigen und so vom Geist des Nationalsozialismus zu befreien. Die GIs stellten für fast zwei Millionen Kinder Basketbälle, Musikinstrumente oder Bastelmaterial zur Verfügung. Fotos zeigen, wie sich US-Organisationen um die Ausbildung der Jugendlichen kümmerten. Und durch den Radiosender AFN, der eigentlich die stationierten GIs unterhalten sollte, lernten deutsche Jungs und Mädels die amerikanische Musik und Sprache kennen.

Historiker Provan leistet übrigens eine wahre Sisyphusarbeit. Über 120.000 Bilddokumente aus den Militärarchiven hat er schon eingescannt. Über 200.000 lagern noch in seinen Kisten.

Die Sonderausstellung im Museum Kelkheim dauert bis zum 17. Oktober.

Freudentränen über eine Tafel Schokolade: ein Bild aus dieser Zeit!

Frankfurter Rundschau - 22.9.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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