Ewige Mahnung: Neue Stolpersteine in Hofheim zeugen von Nazi- Opfern.

Erinnerung mit Hindernissen
Die Verlegung von Gedenksteinen erregt die Gemüter

Ende des nächsten Jahres sollen in Wallau die ersten Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus verlegt werden - wie es scheint aber nicht in völligen Einvernehmen mit Hausbesitzern und Anwohnern. „Verschiedene Leute haben sich beschwert, daß sie vorher gar nicht gefragt worden sind. Widerstand gegen das Projekt gibt es aber nicht", sagte Jürgen Eckhardt vom Vorstand Heimat- und Geschichtsverein Wanaloha der Frankfurter Rundschau. Eckhardt kritisiert, daß „alles von oben bestimmt" worden sei. Das Projekt als solches sei unstrittig. „Es muß an die Vergangenheit erinnert und es darf nichts vergessen werden." Seinen Angaben nach sollen in Wallau rund 30 Steine verlegt werden, allein elf im Bereich der einstigen Synagoge in der heutigen Bachgasse.

Der Wallauer Erwin Born will bei dem Projekt jetzt als Ansprechperson fungieren. Der Hobby-Historiker und Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins will auf Nachfrage über die Geschichte der Juden in dem Stadtteil informieren und zudem Paten für die Stolpersteine ans Stadtarchiv vermitteln.

Ortsbeirat nicht eingebunden

„Jüdisches Leben in Wallau ist ein großes Thema", sagte der Ortsvorsteher des Ortsbeirates, Benjamin Hauzel (CDU). Im Dritten Reich sei in Wallau „viel passiert und viel zerstört" worden. Das Projekt Stolpersteine sei „eine gute Sache" - allerdings sei der Ortsbeirat nicht eingebunden worden.

Die Hofheimer Stadtverordneten hatten vor einem Jahr einstimmig beschlossen, daß der Künstler Gunter Demnig in der Kreisstadt Stolpersteine verlegen soll. Die meisten Stolpersteine sollen nach Angaben der Stadtverwaltung in der Kernstadt und in Wallau verlegt werden. 1938 lebten in Hofheim noch 30 Juden, in Wallau mehr als 20. In Vernichtungslager gebracht wurden die ersten Hofheimer Juden im Juni 1942.Erinnerung an schlimme Zeiten

Gunter Demnig läßt die ersten Steine in den Boden ein. Bild: Ilona Surrey

Seit April erinnern in der Hofheimer Innenstadt die ersten Stolpersteine an die Opfer. So befinden sich unter anderem in der Bärengasse 5 drei Stolpersteine für Irene Mayer, ihre Großmutter Bertha Nachmann und ihren Onkel Friedrich Nachmann. Sie wurden deportiert und überlebten die NS-Zeit nicht.

Auch vor der Boutique in der Burgstraße 6a sind fünf Gedenksteine. Dort hatte die Familie Oppenheimer eine Metzgerei. In der Pogromnacht 1938 wurden im Haus der Oppenheimers die Fensterscheiben eingeworfen. Trotz der Übergriffe blieb die Familie in Hofheim. Die Eltern Hermine und Adolf Oppenheimer wurden 1942 nach Treblinka gebracht und starben im Konzentrationslager. Auch der älteste Sohn Karl und seine Frau Hedwig wurden Opfer der NS-Verfolgung. Nur der Tochter Recha gelang die Flucht in die USA. 1990 starb sie in New York.

Der für Emma Kopp im Rödersteinweg verlegte Stein mußte mittlerweile wegen eines Fehlers wieder herausgenommen werden. Ein neuer Text muß erarbeitet und abgestimmt werden.

Der nächste Termin für die Verlegung von Stolpersteinen ist am 16. Februar 2009 wieder in der Innenstadt.      rmu


Die Historikerin Anna Schmidt
, die die Geschichte Hofheims zwischen 1933 und 1945 erforscht hat, wird am 18. November, 20 Uhr, im Stadtmuseum einen Vortrag zum Thema „Ausgrenzung der jüdischen Einwohner und Arisierung ihrer Immobilien nach der Pogromnacht 1938" halten.

Gunter Demnig ist der Initiator der Aktion Stolpersteine. Mit diesen Mahnmalen erinnert der Künstler an das Schicksal von Menschen, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. In rund 300 Städten und Gemeinden hat Demnig rund16 000 Steine gesetzt in Deutschland, Österreich, Ungarn, den Niederlanden und Tschechien. Finanziert werden die Stolpersteine durch Spenden, Sammlungen und Patenschaften.

Zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 2005 wurde Demnig in Berlin mit dem „Obermayer German Jewish Award" ausgezeichnet. Den Verdienstorden der Bundesrepublik erhielt Demnig für sein Projekt Stolpersteine am k. Oktober 2005.

Die Gedenksteine sind zehn mal zehn Zentimeter große Betonquader, in die eine Messingplatte eingelassen ist. Darauf sind jeweils Name, Geburts- und Todestag eines Opfers der Nazi-Verbrechen eingraviert. Die Steine werden auf Gehwegen vor den Häusern verlegt, in denen die verschleppten und ermordeten Menschen gewohnt haben. Mehrere tausend Stolpersteine hat der Künstler bislang in zahlreichen Städten Europas verlegt.

Insgesamt 84 Stolpersteine für NS-0pfer soll es in Hofheim und den Stadtteilen geben. Hofheim war die kreisweit erste Kommune, die bei dem Projekt mitmachte. Es werden noch Paten gesucht, die 95 Euro pro Stein zahlen. Das Stadtarchiv informiert unter Telefon 0 61 92 /96 65 50.

 

Märkte brachten Juden nach Wallau
Familien siedeln seit dem 15. Jahrhundert in der Stadt / Trümmer der Synagoge verbrannt

Erstmals ist ein jüdischer Bewohner in Hofheim im Jahre 1426 bezeugt, drei bis fünf Familien waren es wohl Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1536 wird die erste jüdische Familie urkundlich in Wallau erwähnt. Im Laufe der Jahre zogen immer mehr Juden nach Wallau. Dieser Zuzug ist nach Angaben des Heimat- und Geschichtsvereins wahrscheinlich auf die im Jahr 1672 eingeführten Vieh- und Krammärkte zurückzuführen.

Die ehemalige Synagoge wird den Quellen nach bereits im Jahr 1701 erwähnt. Sie stand in der ehemaligen Enggasse. In den Jahren 1886 und 1920/21 wurde sie jeweils umgebaut und renoviert. Im Jahr 1938 wurde die Synagoge im Innern vollkommen zerstört. Trümmer der Einrichtung sowie der Leichenwagen wurden auf dem Sportplatz verbrannt. Bis zur Verfolgung lebten 24 Juden in Wallau, 1939 waren es noch zwölf, von denen neun 1942 deportiert wurden.

Ein weiteres Zeichen jüdischen Lebens ist der heute noch erhaltene Friedhof an der Langenhainer Straße. Es ist einer der ältesten jüdischen Begräbnisstätten in Hessen. Schon lange vor dem 30-jährigen Krieg wird er in Dokumenten erwähnt. Der jüdische Friedhof hat eine Größe von 3142 Quadratmeter, er beinhaltet 185 Gräber. Es besteht ein älterer Teil, der über 200 Jahre alt sein dürfte und eine ansehnliche Anzahl sehr alter, teilweise unleserlicher Grabsteine aufweist. Der neuere Bereich datiert etwa aus dem Jahr 1842, die letzte Bestattung fand im Jahre 1940 statt. Im Friedhof steht ein Gedenkstein für die jüdischen Gefallenen im Ersten Weltkrieg und eine Tafel mit den Namen von 34 verschollenen Gemeindemitgliedern.  Rmu

Frankfurter Rundschau - 9.10.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR