Für Kaiser, Reich und Vaterland
Krifteler im Ersten Weltkrieg
WILFRIED KREMENTZ
 

Auf dem Krifteler Friedhof befinden sich einige Soldatengräber des Ersten Weltkrieges. Am Hauptweg steht der eindrucksvolle Grabstein des Vizefeldwebels und Offiziersanwärters Emil Harsche. Dieser war am 2. Oktober 1917 im Alter von 21 Jahren in Flandern an den Folgen einer Halsverwundung durch einen Granatsplitter gestorben. Seine Leiche wurde nach Kriftel überführt, wo er am 3. Januar 1918 beigesetzt wurde. Der benachbarte Grabstein ist einfach und schlicht. Unter dem Eisernen Kreuz ist folgende Inschrift zu lesen: „Karl Röder, Flieger, 1897-1918". Karl Röder war im Städtischen Krankenhaus in Höchst an Tuberkulose gestorben, die er sich im Krieg zugezogen hatte. Ein anderer imposanter Grabstein zeugt von dem Soldaten Josef Reichwein, der im Alter von 31 Jahren am 20. Januar 1916 im Städtischen Krankenhaus Höchst gestorben war. Er hatte im Februar 1915 in den Vogesen einen Lungenschuß erhalten. Der Grabstein trägt folgende Inschrift:


NICHT GERN BIN ICH VON EUCH GESCHIEDEN
DOCH DES HERRN WILLE MUSS GESCHEHN
DORT IN JENEN SELIGEN HÖHN
GIBTS FÜR UNS EIN WIEDERSEHN

Zwei weitere Gräber enthalten Widmungen für die im Krieg gefallenen Söhne. So sind auf dem Grabstein der Eltern die Brüder Joseph und Heinrich Stierstädter genannt. Joseph Stierstädter war am 3. Juli 1915 im Alter von 21 Jahren in einem Schützengraben in den Karpaten gefallen und sein Bruder mit 20 Jahren am 4. Mai 1916 bei Verdun.

Unter einem von Laub umrahmten Eisernen Kreuz findet sich die Widmung für Georg Heil, der am 6. November 1916 im Alter von 26 Jahren in Rumänien gefallen war.

Joseph Stierstädter

Joseph Stierstädter, gefallen am 3. Juli 1915 in den Karpaten (Foto: privat)

 

Der Kriegsbeginn

Am 1. und 2. August 1914 brachte das Kreisblatt jeweils Sonderausgaben heraus. Der Krieg war ausgebrochen und eine Vielzahl von Bekanntmachungen waren die Folge. Alle Militärpflichtigen hatten sich sofort zu melden, der Landsturm wurde aufgerufen, die Pferdeaushebungsvorschrift kam zur Anwendung und der das 18. Armeecorps kommandierende General von Schenck verbot die Veröffentlichung militärischer Angelegenheiten. Sabotage wurde unter Todesstrafe gestellt.

Der 2. August war der erste Mobilmachungstag. Schon am Abend des 1. August wurden aus Kriftel fünfzehn Mann der Ersatzreserve I nach Mainz beordert. Sie mußten zunächst bei Ausbesserungsarbeiten an den Festungswerken in Mainz helfen sowie bei der Herstellung von Munition in Budenheim.

Wenige Tage danach wurde vermeldet, daß die Zusammenziehung der Einberufenen und ihre Beförderung an die angewiesenen Platze tadellos verlaufen sei. Voller Hingabe und Begeisterung seien alle der Gestellungs-Order gefolgt und die Stimmung unter den Einberufenen wäre sehr gut. Im Herbst sei der Krieg siegreich zu Ende, hatte Kaiser Wilhelm versprochen Doch schon Anfang September wurde der bis dahin schnell vorgetragene Angriff der deutschen Truppen an der Marne, nur fünfzig Kilometer von Paris entfernt, gestoppt. Danach erstarrten die Kampfe an der Westfront in einem harten, beide Seiten zermürbenden Stellungskrieg.
 

Aus dem Kreisblatt

Kurz nach Kriegsbeginn wurden auf den Titelseiten Erfolge der deutschen Truppen vermeldet, so zum Beispiel am 22. August 1914 "Großer Sieg über die Franzosen". Ein Angriff der Franzosen zwischen Metz und den Vogesen war zurückgeschlagen worden. Über die Rückschlage der deutschen Truppen wurde nichts berichtet. Interessant ist die Rubrik „Briefkasten", in welcher die Fragen von Lesern beantwortet wurden, so zum Beispiel warum die Engländer keine Fahnen im Felde führen, wie hoch die Witwenrente von im Krieg gefallenen Soldaten sei und was die eiserne Ration beinhaltet.

In den ersten Kriegswochen wurden Leserbriefe von Kriegsteilnehmern des Feldzuges von 1870/71 veröffentlicht, die Ratschläge gaben. Hierzu ein Beispiel „Ein Mittel gegen Erkältung liefert uns das Papier. Als Veteran, der den Winterfeldzug 1870/71 mitmachte, habe ich mir damals durch auf Brust und Rücken getragenem Zeitungspapier jede Erkältung ferngehalten und hatte auch sonst wenig unter der Kälte und Feuchtigkeit zu leiden, da das Papier die unangenehme Einwirkung nasser Kleider auf den Körper verhindert. Gegen kalte Füße empfiehlt es sich, die Füße über den Strümpfen mit Papier zu umwickeln. Ich glaube, meinen Kameraden mit dieser Anregung einen guten Dienst zu erweisen."

Unter der Überschrift „Aus Nah und Fern" wurden die örtlichen Themen behandelt. Kleinere Orte wie Kriftel finden allerdings nur gelegentlich Erwähnung. So wird am 17. Oktober 1914 vermeldet, daß die Spar- und Darlehenskasse für die Krifteler Kriegsteilnehmer einen Betrag von 350,00 Mark gespendet habe. Außerdem sei dem Gefreiten Karl Heil für Tapferkeit vor dem Feind das Eiserne Kreuz verliehen worden. Am 28. Januar 1915 wurde berichtet, daß am vergangenen Abend im Gasthaus „Zum Engel" Kaisers Geburtstag gefeiert wurde. Zu diesem Anlaß sei eine Geldsammlung durchgeführt worden, deren Erlös für das Rote Kreuz bestimmt war.

Georg Klomann

Feldpostkarte von Georg Klomann (4. Gard- Infanterie-Division) gestempelt am 2l. Juli 1917.  "Ihr Lieben alle. Übersende Euch hiermit ein Bild von mir. Hoffentlich wird es Euch wohl recht sein. Seid nun für heute alle recht herzlich gegrüßt bis auf fernes Wiedersehen, Georg Klomannn (Foto privat).

August 1915, Döberitz

Postkarte von Kanonier Johann Bardenheier (obere Reihe, vierter v. links), Ausbildungsplatz in Berlin Döberitz, gestempelt am 1. August 1915, Gruß an die Eltern zum ersten Jahrestag der Mobilmachung (Foto: privat)
 

Nur selten wurde in der Zeitung über einzelne Soldaten berichtet, wie zum Beispiel am 5. September 1916: „Torpedo-Obermaschinistenmaat Franz Schollmayer von Kriftel, der seit Kriegsausbruch zur Besatzung eines Torpedobootes gehört und kürzlich bei der Seeschlacht am Skagerrak teilnahm, wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Herr Schollmayer hatte die Freude, das Handelsunterseeboot Deutschland auf der Heimreise begrüßen zu dürfen. Er betonte, daß es ein ergreifender und rührender Augenblick war, als sie zur Begrüßung längsseits fuhren und ein donnerndes dreifaches Hurra ausbrachten, das sofort von der Deutschland-Besatzung erwidert wurde."


Feldpost

Feldpostkarten und Briefe von Soldaten enthielten kaum Informationen über den Krieg. Insbesondere wurde nicht über das Frontgeschehen oder über Kämpfe berichtet. Wahrscheinlich ist der Grund darin zu sehen, daß die Soldaten unter Androhung von Strafen gehalten waren, über alle Maßnahmen, die mit dem Krieg in Zusammenhang standen, nicht zu berichten. Die Texte der offen versandten Feldpost- und Ansichtskarten beschränkten sich meist auf die Feststellung, daß es dem Absender gut geht und er sich auf ein baldiges Wiedersehen freut. Nachstehend der Text einer Karte:
 

Abs. Pionier Klomann II. Pionier-Battl., 4. Feld Komp., 107 Inf. Div.
Rußland, den 18.4.1916
Meine Lieben! Sende Euch aus weiter Ferne die herzlichsten Grüße zum Osterfest. Es muß wieder mal in diesem Jahr alleine gefeiert werden. Seid nun alle recht herzlich gegrüßt bis auf ein frohes Wiedersehen von Eurem Sohn
Georg.
 

Als weiteres Beispiel ein Brief aus Frankreich:
Abs. Kanonier Jakobi, Res.-Feldartl.-Regt. 25, III Abt. 7. Battr.
Nepvant, den 23.3.1917:
Liebe Mutter!

Heute zwei Päckchen mit Kuchen und Wurst und Euren lieben Brief vom 21. erhalten, worüber ich mich sehr freute und ich mich herzlich bedanke. Das will ich wohl meinen, daß wir es in Nepvant besser haben als an der Front. In Frankfurt muß es ja ganz traurig sein mit Lebensmitteln, und der Krieg will noch kein Ende nehmen. Unser Spezialessen ist Drahtverhau und Panzerplatten. Ersteres auch genannt Dürrgemüse und letzteres Rüben in Scheiben in Form von Panzerplatten. Großartiges Essen, aber in der Not frißt der Teufel Mücken. Doch wollen wir deswegen den Kopf noch nicht hängen lassen. Anbei schicke ich Euch eine kleine Überraschung. Am Sonntag sind wir photografiert worden, die Bilder sind ganz schön getroffen. Neues gibt es weiter nichts. Hoffe, daß es Euch noch recht gut geht, was ich auch von mir berichten kann. Auf ein baldiges Wiedersehen grüßt Euch recht herzlich
Euer Heinrich.
 

Nur zwei Tage später schrieb Heinrich Jakobi erneut einen Brief an seine Mutter. Hierin teilte er ihr die neue Postadresse mit, da die Zeit der Erholung in der Etappe beendet sei und die Kompanie wieder in eine Stellung vor Verdun einrücken würde.

In den Briefen bedanken sich die Soldaten oftmals für empfangene Pakete und Päckchen: "Drei Pakete mit Plätzchen, Wurst, Butter und Wurstfett erhalten. Die Wurst schmeckt mir ausgezeichnet, ich habe nicht mehr viel davon, so gut hat sie mir geschmeckt. Ja und die Plätzchen, ich will mir einige aufheben für die Feiertage, aber ich glaube, ich kann den Vorsatz nicht halten." Trotz der schlechten Versorgungslage in der Heimat hatten sich Angehörige offenbar vieles vom Munde abgespart, um den im Felde stehenden Soldaten eine Freude bereiten zu können. Heinrich Jakobi versuchte, seine Mutter davon abzubringen, indem er schrieb „Die Wurst schmeckt ausgezeichnet und ihr meint es ja gut, aber schickt mir nicht mehr so viel. Wir werden hier ganz gut versorgt und ich weiß ja, wie schlecht die Versorgungslage bei Euch ist ".

Beeindruckend ist ein Brief, geschrieben in der Champagne an Heiligabend 1916, der auszugsweise wiedergegeben wird: "Heuteam 24.12. habe ich Euren lieben Brief erhalten. Zu Weihnachten habe ich ein kleines Apfelbäumchen im Walde geholt und es mit Kugeln, Ketten, Pfeffernüssen, Schneeflocken und Euren guten Plätzchen geschmückt. Seine Spitze ziert eine Stearinkerze. Wir verbringen den Abend mit Gesang und Musik und sitzen beieinander. Vom Großherzogspaar erhielten wir Zigarren, Zigaretten, eine Flasche Wein und eine Weihnachtserinnerungsmedaille. Aber Euer Paket hat mich doch mehr gefreut als das alles. Es tut mir leid, Euch nichts schenken zu können, aber ich hoffe, daß Euch das Christkind doch etwas Schönes beschert hat. Was wäre es doch so schön gewesen, wenn uns der Friede beschert worden wäre. Die meisten von uns verbringen jetzt schon das dritte Weihnachtsfest im Felde. Ich will nun schließen in der Hoffnung, daß der Krieg bald zu Ende geht und wir uns froh und gesund wiedersehen. Ich werde nun noch etwas mit der Mundharmonika spielen, damit die Kameraden noch etwas singen können ".
 

Von Gefallenen, Vermißten, Verwundeten und Kriegsgefangenen

Lehrer Reichwein notierte in der Krifteler Schulchronik:

"Da kam die erste Trauerbotschaft. Der gute Fritz Westenberger war gefallen. Vereint zogen die Daheimgebliebenen zur Kirche, um für die Seelenruhe des allseits Geliebten zu beten. Bald mehrten sich die Sorgen, Kummer und damit auch das Gebet. Noch niemals ist in Kriftel so viel gebetet worden, als in dieser Kriegszeit. Täglich wird der Gottesdienst für die Gefallenen, für unsere Soldaten im Feld und um einen glücklichen Frieden gebetet. Ja, die Not lehrt beten ".

1. April 1917

 

Feldpostkarte von Peter Weigand (links oben) vom l. April 1917:  "Lieber Nachbar. Wir sind eben am bauen eines Unterstandes. Wo ich stehe, ist der Eingang. Ich wünsche Euch allen vergnügte Osterfeiertage Es grüßt Euch recht herzlich und alle Nachbarn Peter Weigand." (Foto privat)


Am 14. September 1914 veröffentlicht das Kreisblatt die erste „Ehren-Tafel" von Gefallenen. Unter der Überschrift „Es starben den Heldentod fürs Vaterland" sind die Namen und die Herkunftsorte aufgelistet. Außerdem finden sich in den Zeitungen Todesanzeigen von Angehörigen gefallener und verstorbener Soldaten sowie Nachrufe von Vereinen. Meist sind auch die Einheiten, die Dienstgrade, Auszeichnungen, der Sterbeort und das Alter genannt. Manchmal findet sogar die Todesursache Erwähnung.

Im April 1915 waren aus Kriftel bereits 280 Mann zum Heeresdienst eingezogen worden, und das bei einer Einwohnerzahl von nur 1.934 (Vorkriegsstand). 1915 galten zwei Krifteler Soldaten als vermißt, sechs befanden sich in russischer, vier in französischer und einer in japanischer Kriegsgefangenschaft. Außerdem waren neun Soldaten als schwerverwundet gemeldet worden.

Im Ersten Weltkrieg wurde auf beiden Seiten Giftgas eingesetzt, was vielen Menschen das Leben kostete. Der Musketier Josef  Fink hatte Glück, er konnte bei einem Gasangriff in den Vogesen noch rechtzeitig gerettet werden. Später erhielt er eine Schußverletzung in den linken Arm, der ihm daraufhin abgenommen werden sollte. Wiederum hatte er Glück, denn er kam in ein Krankenhaus, wo durch eine Operation der Arm gerettet werden konnte. Allerdings blieb dessen Bewegungsfähigkeit zeitlebens eingeschränkt.

Wilhelm Krementz, Geburtsjahrgang 1889, hatte als Freiwilliger seinen zweijährigen Militärdienst beim 2. Nassauischen Feldartillerie Regiment 63 und der Feldartillerie-Schule in Jüterbog abgeleistet. Erst wenige Monate wieder zu Hause wurde er bei Kriegsbeginn sofort in seine frühere Einheit eingezogen. Im Militärpaß ist vermerkt, daß er an zwanzig Schlachten an der Maas, der Marne, bei Reims, der Somme, in der Champagne und in Flandern teilgenommen hatte. Anfang Dezember 1917 wurde er zum Feldartillerie Regiment 247 in Rußland nahe Riga versetzt. Dort erhielt er im Januar 1918 eine Schußverletzung in den Magen. Während Lazarettaufenthalten in Mitau, Allenstein und Frankfurt/M wurde ihm operativ der größte Teil des Magens entfernt, woran er sein ganzes Leben lang zu leiden hatte.

Mit Schreibdatum 11. August 1916 erhielten die Eltern eines Krifteler Soldaten von einem Leutnant des Garde-Regiment zu Fuß, 9. Kompanie, folgenden Brief: „Die Kompanie bringt Ihnen hierdurch zur Kenntnis, daß Ihr Sohn, der Füsilier Georg Wilhelm, bei den Kämpfen an der Somme-Front, südwestlich Peronne seit dem l. dieses Monats vermißt wird. Nach einem Angriff der Franzosen auf unsere Stellungen wurde sein Verlust festgestellt. Nachfragen über seinen Verbleib erübrigen sich vorläufig, da sowohl von der Kompanie selbst als auch von allen Angehörigen derselben nähere Angaben nicht gemacht werden können. Anzeichen, die das schlimmste befurchten lassen, sind nicht vorhanden." Georg Wilhelm wurde später als vermißt erklärt.


Zur Ableistung seines Wehrdienstes wurde der Krifteler August Heun im Jahre 1913 zur Marine eingezogen. Als der Erste Weltkrieg begann, befand er sich im deutschen Flottenstützpunkt Tsingtau an der chinesischen Küste. Die kleine Kolonie konnte der Übermacht der Japaner nicht lange standhalten und am 7. November 1914 mußten sich die letzten Deutschen ergeben. August Heun kam in japanische Kriegsgefangenschaft. Erst im Januar 1920 konnte er, nach Räumung der verminten Gewässer, auf einem deutschen Schiff in die Heimat zurückkehren. Seine Tochter berichtete, daß er nach seiner Rückkehr niemals mehr Reis gegessen habe, da dies die fast ausschließliche Nahrung in den Jahren der Kriegsgefangenschaft gewesen war.

Johann Jakobi


Todesanzeige für Johann Jakobi (Höchster Kreisblatt, 18. Oktober 1915)


Wie Ferdinand Jakobi das Kriegsende erlebte

Im Alter von 19 Jahren wurde Ferdinand Jakobi im Dezember 1917 eingezogen. Über Frankfurt/Oder und Thorn ging der Transport nach Riga. Von dort aus wurde zur Front marschiert. Am 19. Februar 1918 notierte Jakobi in sein Tagebuch: „Furchtbare Kälte, russische Stellungen passiert, erste russische Tote." Am 28. Februar erreichte die Truppe bei heftigem Schneesturm die Stadt Fellin. Bis Anfang Mai hielt sich die Einheit in dieser Gegend auf. Tagesmärsche von mehr als 30 Kilometer waren keine Seltenheit. Dazwischen gab es immer wieder Ruhetage oder Zeiten, in denen die Waffen und Ausrüstung gereinigt wurden.

Inzwischen hatte sich die politische Situation in Rußland geändert. Nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches hatten die neuen Machthaber im März kapituliert. Aber auch danach herrschte kein wirklicher Frieden.

Anfang Mai wurde die Einheit in die Ukraine verlegt. Mit der Bahn ging der Transport über Dünaburg, Wilna, Brest-Litowsk nach Kiew. Ferdinand Jakobi notierte: „Ankunft in Kiew um 1.00 Uhr nachts, hier viele Transporte der Türken, um 6.00 Uhr über den Fluß Dnjepr, großer Friedhof mit 50.000 gefallenen Deutschen und Österreichern, großes Gefangenenlager, schöne Kirchen und Burgen, Weiterfahrt nach Nosofka, Ankunft morgens 5.00 Uhr, Ausladen und Quartier bezogen." Daß auch hier kein Friede herrschte, zeigen folgende Eintragungen: „Streifzug gegen die Bolschewicki, Verhaftungen, Wache bei Gefangenen gehalten, Wache mit MG am Dorfrand und um 6.00 Uhr morgens ein Gefecht mit Bolschewicki."

Trotz der Erfolge im Osten zeichnete sich nach Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg immer deutlicher die Niederlage ab. Die Verluste an Menschen und Material konnten auf deutscher Seite nicht mehr ausgeglichen werden, während die Westmächte über die riesigen Lieferungen der Vereinigten Staaten verfügten, und bei Kriegsende zwei Millionen amerikanische Soldaten auf französischem Boden standen. Am 28. Oktober meuterten die Matrosen der deutschen Hochseeflotte in Wilhelmshaven. Der Aufstand griff schnell um sich und am 9. November wurde der Thronverzicht Kaiser Wilhelms verkündet. Überall im Lande kam es zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten.

Die Veränderungen vollzogen sich auch im fernen Rußland. Am 16. November 1918 vermerkte Jakobi in seinem Tagebuch: „Soldatenrat gewählt ". Am Alltag der Soldaten änderte sich zunächst nichts und noch Anfang Januar 1919 kam es zu vereinzelten Scharmützeln. Schließlich erfolgte der Rückmarsch nach Kiew und am 24. Januar ging es mit der Bahn zurück nach Deutschland. Am l. Februar erreichte der Transport Königsberg in Ostpreußen. In der Kaserne „Kronprinz" wurden die Soldaten ausgemustert und in Zivil eingekleidet. Königsberg war in Aufruhr und durch die Stadt zogen große Demonstrationszüge. Ferdinand Jakobi verließ deshalb noch am gleichen Abend die Stadt und fuhr über Berlin bis Darmstadt-Griesheim, wo er drei Wochen lang in Quarantäne verbringen mußte. Das Tagebuch schließt mit folgendem Eintrag: „Am 27. 2. 1919 in Griesheim entlassen, die Nacht im Bahnhof Kastel zugebracht und am 28. morgens endgültig nach Hause."

Wie alle aus dem Kriege heimkehrenden Krifteler, so fand auch Ferdinand Jakobi in der Heimat eine feindliche Besatzung vor. Der gesamte Kreis Höchst war Mitte Dezember 1918 von Franzosen besetzt worden. Erst am 30. Juni 1930 fand deren Abschiedsparade in Höchst statt.

Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg

In der Krifteler Bonifatius-Kapelle befinden sich zwei Marmortafeln mit den Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege. Die Kapelle ist allerdings nur zu besonderen Anlässen geöffnet.

Außerdem gibt es in der katholischen Pfarrkirche St. Vitus zwei Buntglasfenster, die an den Ersten Weltkrieg erinnern. Das Kreuzigungsfenster auf der Nordseite mit Christus am Kreuz und Maria und Johannes drückt stille Trauer aus. Darunter ist ein kniender, betender Soldat zu sehen. In einer Schrifttafel mit dem Eisernen Kreuz steht folgende Inschrift: „Zum Gedächtniß des nach nahezu 2 1/2 jähr treuer Pflichterfüllung vor dem Feind im Lazarett zu Frankfurt a. M. am 12.l.17 gestorb. Lt.d.R. H. Theis Inf. R. No. 7 gewidmet von seinen Eltern."

Das Fenster auf der gegenüberliegenden Südseite zeigt den auferstandenen Jesus mit der Siegesfahne. Zwei Engel knien neben ihm. Darunter schreitet ein Engel über Gräber mit einer Trompete, die das Ende der Welt ansagt. Die Schrifttafel trägt folgende Inschrift: „Zum Gedächtniß der im Weltkriege 1914-18 für das Vaterland gefallenen Helden der Pfarrei Kriftel gewidmet von Verwandten & Wohltätern."


Anmerkung
Dank sagen mochte ich allen Kriftelern, die mit Auskünften und Unterlagen zur Entstehung dieses Artikels beigetragen haben. Besonderen Dank den Eheleuten Gerhard und Else Finger, Herrn Heinz Jacobi für zahlreiche Feldpostkarten, Briefe und Fotos sowie Frau Elvira Jakobi für das Kriegstagebuch ihres Großvaters, Ferdinand Jakobi.


Quellen und Literatur

„Kreis Blatt, Kreiszeitung und Kreisanzeiger für den Kreis Höchst a. M., Mikrofilme 1914-1918 im Stadtarchiv Eschborn.
Berichte des Hauptlehrers Josef Reichwein in: Krifteler Schulchronik, Band 1, 1856- 1936 (S. 49-68)
Adam Schlemmer:  Chronik der Gemeinde Kriftel (Taunus), (S. 112-117)

Heimatkundliche Sammlung Kriftel:
a) Auszug aus den deutschen Verlustlisten 1914-18. Verzeichnis der in Kriftel geborenen Krieger"
b) Nachweisung über die gefallenen Krieger 1914-1918, Aufzeichnung aufgrund Befragung der Angehörigen im Jahre 1922
c) Sammlung Feldpostkarten

MTK-Jahrbuch 2007 - mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber

Die Ehrentafel der Gefallenen und Vermißten.