Jakob Bartenheier von Kriftel (1757-1812) - Rauf- und Trunkenbold oder Revolutionär?
WILFRIED KREMENTZ

Dem Krifteler Pfarrer Josephus Mohr (in Kriftel 1787-1811) verdanken wir ein Schreiben, in dem er als Zeitzeuge seine persönlichen Eindrücke über die Auswirkungen der Französischen Revolution auf die Einwohner unseres Gebietes darlegt. Er schrieb, daß infolge der französischen Besatzung im Jahre 1792 viele Menschen psychische Schäden erlitten und die Moral stark nachgelassen habe. Besonders bei den jungen Leuten wäre eine Zügellosigkeit festzustellen. Statt zur Kirche zu gehen, würden sie in den Wirtshäusern herumsitzen und Nachtschwärmerei betreiben. In fast jeder Gemeinde seien einige Personen dem „Freiheitsschwindel" erlegen. Besonders schlimm habe sich Jakob Bartenheier aus Kriftel verhalten, der sich gleich zu Beginn der französischen Invasion im Jahre 1792 schwärmerisch den Freiheitsgedanken verschrieben hätte. Er habe sich öffentlich für die französischen Ideen und gegen die Kirche und die weltliche Obrigkeit ausgesprochen. Diesem Bericht folgend müßte Jakob Bartenheier ein Anhänger der von Frankreich ausgehenden Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gewesen sein. Tatsache ist, daß er immer wieder wegen Vergehen vor Gericht geladen wurde, die Zweifel an einer ehrenwerten Gesinnung aufkommen lassen.

Nur Jugendsünden?

Jakob Bartenheier wurde am 1. Februar 1757 in Kriftel geboren. Im Alter von 25 Jahren wurde er wegen Wirtshausschulden angeklagt. Außerdem hatte er einem Wirt, der ihm keinen Kredit mehr geben wollte, die Fensterscheiben zerschlagen. Nur ein Jahr später erschien er wieder vor dem Vogteigericht in Hofheim, diesmal allerdings als Kläger. In eine Schlägerei verwickelt, war er so übel zugerichtet worden, daß er von dem Chirurgen Wolf behandelt werden mußte. Sein Gegner, Werner Gaab aus Kriftel, wurde zur Zahlung

der Behandlungskosten in Höhe von 4 Gulden verurteilt. Da Bartenheier Schulden hatte, verfügte das Gericht, daß zunächst ein Gläubiger befriedigt werden mußte, und nur ein Restbetrag durfte ihm ausgezahlt werden.

Einige Jahre war es still um Jakob Bartenheier. Die Heirat und die Geburten mehrerer Kinder ab dem Jahre 1784 könnten ein Grund sein, daß er vorübergehend ein unbescholtenes Leben führte.

Ab dem Jahre 1791 finden sich in den Gerichtsakten eine Vielzahl von Prozessen gegen Jakob Bartenheier. So hatte er im Jahre 1791 dem Liebfrauenstift in Mainz den Zehnten vorenthalten. Nachdem das Stift ihn zur Abgabe aufforderte, schließlich sogar einen Soldaten aus Mainz sandte, randalierte er abends vor dem Pfarrhaus. Anschließend ging er in ein Wirtshaus, betrank sich und schimpfte auf die geistliche und weltliche Obrigkeit. Dies führte zu einer Anklage wegen Beleidigung, aufgrund deren er sich öffentlich bei Pfarrer Josephus Mohr und dem Schultheißen Ludwig Wollstadt entschuldigen mußte.

Er schlug ihn mehrmals auf den Kopf

Der in Kriftel wohnende Jude Moises schickte am 21. April 1792 gegen 8.00 Uhr abends seinen Diener Rachmiel in dienstlichen Angelegenheiten nach Hofheim. Nicht weit von dem Hofheimer Stadttor entfernt begegnete ihm Jakob Bartenheier, der eine Tabakspfeife von ihm verlangte. Als der Jude Rachmiel ihm antwortete, daß er keine Pfeife hätte, packte ihn Bartenheier an der Brust und schlug ihn so lange mit einem Stock, bis er verletzt liegenblieb. Rachmiel mußte ärztlich behandelt werden und konnte einige Zeit keine Arbeit mehr verrichten, weshalb der Dienstherr Moises wegen der Kosten und des Arbeitsausfalls klagte. Kurze Zeit später ging Jud Moises in das Wirtshaus „Zum Engel" in Kriftel. Unter den anwesenden Gästen befand sich auch Jakob Bartenheier. Dieser stürzte sich sofort auf den Juden, machte ihm Vorwurfe wegen der eingereichten Klage und bezeichnete ihn einen Betteljuden und Spitzbuben. Danach schlug er ihn mehrfach auf den Kopf.

Bei der später stattfindenden Gerichtsverhandlung in Hofheim teilte der Jude Moises überraschend mit, daß er einen Vergleich mit Jakob Bartenheier geschlossen habe und keine Genugtuung mehr fordern würde. Als Begründung gab er an, daß er sich durch Handel von den Leuten ernähren müsse. Wahrscheinlich hatte er die Befürchtung, daß der Prozeß sich nachteilig auf sein Geschäft auswirken konnte

Errichtung eines Freiheitsbaumes

Am 21. Oktober 1792 besetzten französische Revolutionstruppen die Festung Mainz und drangen in nur zwei Tagen bis Frankfurt vor. Die Franzosen forderten Zahlungen, Verpflegung und sonstige Dienste. So mußte Kriftel am 22. November 30 Malter Hafer, 30 Zentner Heu und 200 Gebund Stroh liefern und zwei Tage später nochmals 20 Malter Hafer und 100 Gebund Stroh. Am 2. Dezember 1792 wurde Frankfurt von hessischen Truppen zurückerobert, und die Franzosen mußten sich bis Hochheim zurückziehen. Mainz konnte erst am 22. Juli 1793 befreit werden. Bis dahin war unsere Gegend militärisches Aufmarschgebiet, verbunden mit Einschränkungen und Belastungen der Bevölkerung. Obwohl unser Gebiet nur wenige Wochen dem französischen Einfluß ausgesetzt gewesen war, hatten die von ihnen verbreiteten revolutionären Ideen ihre Spuren hinterlassen und einige Anhänger wurden vor Gericht gestellt.

Auch gegen zwei Krifteler, Johann Schickling und Jakob Bartenheier, wurde am 8. Januar 1793 Klage erhoben. Sie hatten sich geweigert, Fuhr- und Schanzarbeiten an der Befestigung in Mainz-Kastel zu leisten. Auf Befehl der Franzosen hatte der Krifteler Schultheiß Wollstadt diesen Frondienst anordnen müssen. Von den 60 arbeitsfähigen Männern Kriftels mußten 20 Personen an dem Festungsbau arbeiten. Die Angeklagten hatten den Frondienst mit der Begründung verweigert, sie würden nur dann nach Kastell gehen, wenn auch der Schultheiß die gleichen Arbeiten verrichten würde, denn schließlich seien sie ja jetzt alle gleich. Der Einwand des Gerichtes, Schultheißen seien schon immer vom Frondienst befreit gewesen, wurde mit der Feststellung entkräftet, daß dies nur in der Herrschaft des Kurfürsten von Mainz gegolten hatte. In der fraglichen Zeit hätten aber die Franzosen zu befehlen gehabt, und diese hatten angeordnet, daß jeder Frondienst leisten mußte.

Der Hauptprozeß gegen Jakob Bartenheier begann Ende November 1793. Die Anklagepunkte waren

   sich öffentlich für die französischen Freiheitsideen ausgesprochen,
   einen Freiheitsbaum errichtet,
   unter Hinweis auf die Gleichheitsprinzipien Frondienste nicht geleistet
   und den Schultheißen Wollstadt öffentlich beschimpft zu haben.

Im Prozeß ging es vorwiegend um die Errichtung des Freiheitsbaumes. Das Ganze hatte begonnen im Gasthaus „Zum Engel" am Kirchweih-Montag des Jahres 1792 (vor 1869 jeweils der 11. November). Die Gaststube war voll mit Gästen, und Musikanten spielten. Schultheiß Wollstadt gab zu Protokoll, daß sich unter den Gästen Jakob Bartenheier und sein Freund, ein französischer Soldat, befunden hatten. Der Franzose hatte zerrissen wie ein Bettelbub ausgesehen. Später habe Jakob Bartenheier einen Fichtenbaum, der mit Bändern in den Farben blau-weiß-rot verziert gewesen sei, in die Gaststube getragen und gesagt, dies sei ein Freiheitsbaum. Dann seien Bartenheier, der Franzose, die Musikanten und viele Buben des Ortes zum Schmiedplatz vor der Kirche gezogen und hätten dort den Freiheitsbaum aufgestellt. In der folgenden Nacht sei der Baum ausgerissen und in den Bach geworfen worden.

Mehrere Zeugen wurden vernommen, welche die Angaben des Schultheißen bestätigten. Nachdem der Freiheitsbaum aufgerichtet worden war, hatten dort die Musikanten gespielt, und man tanzte um den Baum herum. Später waren Bartenheier und der Franzose wieder ins Gasthaus zurückgekehrt, wo einige Männer ihr Mißfallen an dem Geschehenen äußerten.
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Bekanntmachung der französischen Verwaltung in Mainz vom 20. November 1792.

Doch Bartenheier drohte ihnen, so daß sie sich vor ihm fürchteten. Der Zeuge Marquard Börner sagte aus, daß Bartenheier getobt und mit der Rache der Franzosen gedroht hatte, so daß sie geglaubt hatten, der Freiheitsbaum sei von ihm auf Befehl des französischen Generals Custine errichtet worden. Der Angeklagte versuchte sich zu entlasten, indem er behauptete, es sei kein Freiheitsbaum, sondern ein Kirchweihbaum gewesen. Das Gericht hielt dem entgegen, daß Kirchweihbäume größer seien und nicht mit Bändern in den französischen Farben verziert werden. Schließlich mußte er zugeben, die französischen Bänder selbst besorgt zu haben. Allerdings behauptete er, den Freiheitsbaum habe allein der Franzose errichtet.

Die Verhandlungen, die sich über mehrere Tage hinzogen, mußten unterbrochen werden, da Bartenheier eine Zeitlang nicht auffindbar war. Man hatte die Befürchtung, er sei geflüchtet. Zwei Wochen später kehrte er wieder nach Kriftel zurück. In der weiteren Verhandlung wurde Bartenheier einem Zeugen gegenübergestellt, der beschwor, daß Bartenheier an der Errichtung des Freiheitsbaumes mitgewirkt hatte. Auch wegen der anderen Anklagepunkte wurde Bartenheier mit Zeugen konfrontiert. Er hatte auf offener Straße den Schultheißen beschimpft, sich an den Frondiensten nicht beteiligt, mit der Hilfe seiner französischen Freunde gedroht und öffentlich die französischen Freiheitsideale gepriesen. Aufgrund der Zeugenaussagen blieb ihm schließlich nichts anderes übrig, als um Nachsicht zu bitten und zu beteuern, er sei schon immer ein treuer Untertan seines Landesherrn gewesen.

Nach Abschluß der Vernehmungen wurden die Protokolle vom Oberamt in Höchst zur Entscheidung an das „Kriegs-Kriminal-Gericht" in Mainz weitergereicht. Hofrat Graf von Spauer (Kammergerichtspräsident) sah es als erwiesen an, daß Jakob Bartenheier ein Anhänger der Revolution sei und erklärte ihn in allen Anklagepunkten für schuldig. Außer den verhängten Strafen (achtwöchige Turmhaft bei Wasser und Brot, Zahlung aller Untersuchungskosten, öffentliche Entschuldigung bei dem Schultheißen) ist in einem späteren Schreiben erwähnt, daß er zusätzlich eine Prügelstrafe erhalten habe.

Getreidehandel und Zollvergehen

Wie die meisten Krifteler, so lebte auch Jakob Bartenheier von der Landwirtschaft. Bei Verkauf von Getreide hatte er mehrfach versucht, hierauf anfallende Zollgebühren zu umgehen. Es war deswegen wiederholt zu Klagen gekommen, und in einem Fall hatte er den Zoll nachentrichten müssen. Anfang September 1793 ließ Bartenheier 7 Malter Weizen in einer Mühle mahlen. Es blieb nicht verborgen, daß er danach mit einem beladenen Fuhrwerk Kriftel verließ und einige Tage abwesend war. Da der Verdacht auf Zollunterschlagung bestand, wurde eine Hausdurchsuchung durch den Hofheimer Amtsvogteidiener Lenz und Schultheiß Wollstadt angeordnet, um festzustellen, ob das Getreide noch vorhanden war. Bei der Durchsuchung konnte nur ein geringer Vorrat von Roggen- und Weizenmehl gefunden werden.

Bei der anschließenden Gerichtsverhandlung verhielten sich Jakob Bartenheier und seine Frau Barbara, die bei der Durchsuchung anwesend gewesen war, sehr geschickt. Im Flur des Hauses hatte sich ein großer Kasten befunden, der nur oberflächlich begutachtet worden war. Der Angeklagte behauptete, in diesem Kasten seien mindestens noch zwei Malter Weizen gewesen Die restliche Menge sei in der Familie verteilt und inzwischen verbraucht worden. Barbara Bartenheier bestätigte die Aussagen ihres Mannes. Sie behauptete, daß sie nicht gewußt hatte, worauf die Durchsuchung abziele. Deshalb habe sie auch nicht darauf hinweisen können, wo sich das Mehl befand. Doch alles Leugnen half nichts, und Bartenheier wurde zur Zahlung einer Strafe von 44 Gulden und 59 Kreuzer verurteilt. Da er den Betrag nicht zahlen wollte, verfügte das Gericht die öffentliche Versteigerung eines Ackers, der etwa dem Wert der Schuld entsprach.

In einer anderen Verhandlung konnte Jakob Bartenheier seine Unschuld nachweisen. In Mainz hatte er 60 Säcke Getreide gekauft. Die Stadt war erst wenige Wochen zuvor zurückerobert worden. Auf dem Rückweg nach Kriftel wurde Bartenheiers Fuhrwerk von preußischen Soldaten durchsucht. Da sich das Getreide in französischen Säcken befand, kam der Verdacht auf, es konnte unrechtmäßig in seinen Besitz gelangt sein. In der Verhandlung konnte er jedoch nachweisen, daß er das Getreide für 40 Kreuzer pro Sack von einem Getreidehändler m Mainz gekauft hatte. Nach der Rückeroberung von Mainz waren große Getreidevorräte aufgefunden worden, die öffentlich versteigert worden waren.

Kriftel soll brennen

Im Jahre 1795 überschritt die französische Armee erneut den Rhein, und unser Gebiet wurde wieder besetzt. Kaiserlich-Österreichische Truppen konnten Mitte Oktober nach der Schlacht bei Höchst die Franzosen zurückdrängen. Am Linsenberg in Kriftel hatten die Franzosen ein Militärlager angelegt (ein sogenanntes Erdhüttenlager), bestehend aus Holz und Stroh. Da an diesem Material Mangel herrschte, beschloß man in Kriftel nach dem Abzug der Franzosen, einen Teil der Hütten abzubrechen und auf die einzelnen Familien zu verteilen. Die restlichen Lagerhütten wurden verlost.

Jakob Bartenheier hatte an der Verlosung nicht teilgenommen, da er angeblich hiervon nichts erfahren hatte. Er war darüber erbost und begann mit Hilfe seines Sohnes und eines Tagelöhners, im Lager willkürlich Hütten abzureißen. Das Holz und Stroh brachte er in seine Scheune. Als sie am nächsten Tag erneut Hütten abreißen wollten, kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem herbeigerufenen Schultheißen Ludwig Börner. Am späten Nachmittag kehrte Bartenheier nochmals in das Lager zurück und steckte mehrere Hütten in Brand. Eine Reihe Hütten brannte ab, bevor es einigen herbeieilenden Leuten gelang, ein weiteres Übergreifen zu verhindern.

In der anschließenden hitzigen Auseinandersetzung drohte Bartenheier, er werde Kriftel und Zeilsheim noch in dieser Nacht anstecken. Bei der Brandbekämpfung hatten nämlich auch einige Zeilsheimer mitgeholfen. Danach entkam Bartenheier und konnte nicht gefunden werden. Schultheiß Börner verfugte hierauf, daß die ganze Nacht über mehrere Männer im Ort Wache halten mußten. Ebenso wurde ein Bote zum Schultheißen nach Zeilsheim gesandt, um ihn zu warnen und zu veranlassen, ebenfalls Wachen aufzustellen. Am nächsten Tag wurde Bartenheier festgenommen und in Höchst arretiert. Nach Zahlung einer Strafe sowie der Gerichtskosten wurde er wenige Tage später freigelassen.

An den Falschen geraten

Im Frühjahr 1797 hatte Jakob Bartenheier mehreren Personen erzählt, daß ihm Lorenz Moritz einen Karabiner gestohlen hatte. Diese Anschuldigung verbreitete sich schnell. Als Bartenheier kurz vor Ostern bei einem Krämer in Hofheim Besorgungen machte, empfahl ihm dieser, die Stadt schnell zu verlassen, denn wenn ihm Moritz begegnen würde, wäre es um ihn geschehen. Als er sich später auf den Heimweg machte, lauerte ihm Moritz auf halbem Wege am Schwarzbach auf. Bartenheier wurde mit einem Stock geschlagen und konnte sich schließlich nur unter Verlust seines Hutes und des Kamisols durch einen Sprung in den Schwarzbach retten. Moritz warf ihm auf seiner Flucht Steine hinterher. In der Verhandlung gab Lorenz Moritz offen zu, daß er Bartenheier halb tot geschlagen habe. Allerdings habe ihn dieser beschimpft und dadurch seinen Zorn noch gesteigert. Bartenheier erhielt eine geringe Entschädigung für die verlorenen Kleidungsstücke.

Die Familie fühlt sich bedroht

Am 24. Mai 1796 wandte sich Philipp, der Vater von Jakob Bartenheier, hilfesuchend an das Gericht. Er trug vor, daß er das Verhalten seines Sohnes Jakob nicht mehr länger ertragen könne. Derselbe übe nicht nur Gewalttätigkeiten gegen ihn aus, sondern trachte ihm auch nach dem Leben. Er habe ihm am 19. Mai vier junge Obstbäume auf dem Feld ausgerissen. Als er ihn mit den Worten angegangen „Mein Kind, was hast du getan, das tut ja kein Türk, das ist ja mehr als eine Mordtat", habe ihn dieser mit Fluchen angefahren, er wäre kein Vater, sondern ein Spitzbube, habe ihn gepackt, geschlagen und im Kot herumgezogen. Zum Glück sei sein anderer Sohn dazugekommen, ansonsten hätte er ihn totgeschlagen. Darauf habe Jakob das Messer gezogen und den ihm zu Hilfe eilenden Sohn abstechen wollen. Die herbeieilenden Nachbarn hätten sie dann gerettet.

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Tanz um den Freiheitsbaum, 1792-1795. Der Freiheitsbaum war das Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit und das Siegeszeichen der Französischen Revolution. Das Ölbild zeigt Bürgerinnen und Bürger, französische Soldaten und sogar zwei Mönche unter der Devise „Freiheit und Gleichheit" um den mit Trikolorebändern geschmückten und von der Jakobinermütze bekrönten Baum tanzen. Aus: Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Karlsruhe 1990.

Am 20. Mai wäre sein böser Sohn des nachts an sein Haus mit einem Gewehr gekommen und habe seine Tochter und deren Mann herausgefordert, er wolle es mit ihnen ausmachen. Des Nachts, am 21. Mai, sei er wiederum mit dem Gewehr am Haus herumgegangen und habe ihn und seinen anderen Sohn herausgefordert. Er sei seines Lebens nicht sicher und bitte, seinen ungeratenen Sohn lebenslänglich einzusperren. Im August 1803 machte Philipp Bartenheier ein Testament, das leider nicht erhalten ist. Ein Begleitschreiben beginnt mit dem Satz: „Die pflichtvergessene Aufführung meines Sohnes Jakob Bartenheier nötigt mich, ein Testament zu errichten." Es ist zu vermuten, daß Philipp Bartenheier seinen Sohn Jakob enterbte.

Auch mit seiner Frau Barbara lebte Jakob Bartenheier in einem angespannten Verhältnis. Um das Jahr 1803 bat Barbara in einem Brief an den Krifteler Pfarrer Mohr um Scheidung von ihrem Mann. Sie gab hierfür folgende Gründe an:

   Sie lebe in ständiger Lebensgefahr, indem er ihr schon mehrmals das Messer an den Hals gesetzt oder ein Beil auf das Bett gelegt habe mit der Drohung, „du mußt mir doch noch unter den Händen sterben".
   Er sei öfter 8 Tage lang nicht zu Hause und wenn er da sei, wäre er Tag und Nacht betrunken. Die Familie sei dadurch verarmt. Sie habe noch eine Kuh besessen, mit deren Milch sie sich ernährten. Die Kuh habe ihr Mann zur Nachtzeit nach Hofheim geführt und auf dem Markt am nächsten Morgen verkauft. Den Erlös habe er dann ebenfalls vertrunken.
   Seit vielen Jahren führe ihr Mann ein unchristliches Leben. Er habe in dieser Zeit niemals eine Kirche betreten und würde immer fluchen und gegen die Obrigkeit öffentlich lästern. Zwar wurde sie von Pfarrer Mohr unterstützt, aber zur Scheidung ist es nicht gekommen. Am 4. März 1806 starb Barbara Bartenheier im Alter von 50 Jahren.

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Erdhütten der Franzosen zwischen Oberliederbach und Hattersheim im Jahre 1795. Der Kupferstich zeigt am rechten Bildrand den Ort Oberliederbach (C), links im Bild einige Häuser von Hattersheim (D). Im Mittelpunkt der Darstellung steht ein Teil der etwa 2000 französischen Erdhütten (A), die zwischen Höchst und Mainz errichtet worden waren. Vor den Hütten erblickt man Schanzen, Pferdekadaver und Uniformteile. Im Hintergrund flüchten Franzosen nach Königstein (E), Kronberg (F) und in das Taunusgebirge. Stadtarchiv Mainz, Bild- und Plansammlung, Nr. 356.

Auf Freiersfüßen

Ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Frau verkaufte Jakob Bartenheier eine Wiese für 140 Gulden. Dieses Geschäft war für ihn ein Anlaß, sich zu betrinken. In der Gaststube empfahlen ihm einige Männer scherzhaft, es sei an der Zeit, daß er sich wieder verheirate. Am besten sei es für ihn, wenn er die wohlhabende Witwe Barbara Hahn gewinnen könnte. Abends klopfte Bartenheier bei dem Schulmeister Kleinfelder so lange an die Tür, bis ihn dieser widerwillig einließ. Dem Lehrer eröffnete er seine Absicht, daß er die Witwe Hahn heiraten wolle, und er solle ihn hierbei unterstützen. Da Bartenheier nicht gewillt war, unverrichteter Dinge wieder zu gehen, schickte Kleinfelder schließlich seine Tochter zu der Witwe mit der Bitte, sie möge vorbeikommen. Als Barbara Hahn eintrat, fragte Bartenheier sie ohne alle Umschweife, ob sie seine Frau werden wolle. Sie antwortete entrüstet: „Wer wird den garstigen Schelm schon nehmen?" und ging zu einer Nachbarin. Doch Jakob Bartenheier gab sich damit nicht zufrieden. Er stieg durch ein Fenster in das Haus von Barbara Hahn ein. Als diese um 10 Uhr abends zurückkehrte und Jakob Bartenheier in ihrer Stube fand, schrie sie so laut um Hilfe, daß ihr Nachbar Lorenz Schickling zu Hilfe eilte. Er warf den betrunkenen Bartenheier zu Boden und schlug ihn.

Gestorben ohne Bekehrung

Spätestens ab dem Jahr 1803 hatte sich Jakob Bartenheier völlig der Trunksucht hingegeben. Am 30. März 1805 verfügte daher das Gericht, daß jeder bestraft werde, der ihm Alkohol ausschenke. Es wurden hierzu detaillierte Angaben gemacht. Wer ihm Branntwein oder Wein im Wert von mehr als zwei Kreuzern gäbe, müsse l Gulden und 30 Kreuzer Strafe zahlen. Viel scheint dieses Verbot nicht bewirkt zu haben, denn Bartenheier wird auch danach als ständig betrunken bezeichnet. Wahrscheinlich hatte es das Gericht aufgegeben, an dem Verhalten des Jakob Bartenheier durch Verhängung von Strafen noch irgend etwas verändern zu wollen. Er war häufig zur Zahlung von Geldstrafen verurteilt worden und hatte mehrfach Gefängnis- und Zuchthausstrafen verbüßen müssen, zuletzt im Jahre 1804 eine 14tägige Zuchthausstrafe bei Wasser und Brot.

Aus Kriftel kamen immer wieder Beschwerden und Anzeigen gegen Jakob Bartenheier, die offenbar nicht oder unzureichend geahndet wurden. Pfarrer Mohr schrieb an das Vogteigericht Hofheim, daß Bartenheier bei all seinen Vergehen und boshaften Verhaltensweisen keine oder nur geringe Strafe erhalten hätte und niemand dies verstehen könne: „Wenn man den Frevler schützt und dem Geschädigten keinen Glauben beimißt, so hat der Frevler vor dem Gesetz keine Furcht mehr und das Gericht wird zuletzt zum Spott. Wer wird dann dem Staat noch dienen wollen?"

Der Krifteler Pfarrer hatte versucht, Jakob Bartenheier zu einem christlichen Lebenswandel zurückzuführen, war aber an diesem Vorhaben gescheitert. Statt dessen hatte sich Bartenheier den Pfarrer zum Ziel ausgesucht und beleidigte ihn ständig. So schrieb Pfarrer Mohr im Jahre 1807: „Jakob Bartenheier treibt seine Bosheit immer weiter. Letzten Sonntag besoff er sich während des Gottesdienstes. So die Leute aus der Kirche gingen, tobte er aus dem Wirtshaus wie ein brüllender Löwe. Er schimpfte auf öffentlicher Straße vor dem Pfarrhaus eine ganze Stunde lang über die geistliche und weltliche Obrigkeit und rief die heilige Nation der Franzosen an. Es gibt keinen Fluch oder Lästerung, die er nicht gebrauchte, so daß jeder über diesen Sabbatschänder erbost war."

Jakob Bartenheier scheint sich zeitlebens nicht von den französischen Freiheitsideen gelöst zu haben. Es wird mehrfach erwähnt, daß er die Franzosen und, wenn er betrunken gewesen, auch den Revolutionsgeneral Custine (am 27. August 1793 in Paris hingerichtet) um Hilfe angerufen hätte. Der Adel und die Obrigkeit waren ihm ein Greuel und immer wieder Ziel seiner Angriffe. Am 23. Oktober 1809 wurde er exkommuniziert und aus der katholischen Kirche ausgeschlossen.

Jakob Bartenheier starb am 23. Mai 1812 im Alter von 55 Jahren. Obwohl er exkommuniziert war, wurde sein Tod im Kirchenbuch eingetragen, jedoch mit folgendem Zusatz: „Lebte sehr unmoralisch, vom Glauben abgekehrt, feierlich exkommuniziert, litt die letzten Jahre an Gicht, gestorben ohne Bekehrung."

Das Ehepaar Jakob und Barbara Bartenheier hatte sechs Kinder. Davon starben zwei im Alter von nur l Monat, ein Kind wurde 7 und ein anderes 10 Jahre alt. Die Tochter Anna Maria heiratete auswärts und nur der Sohn Andreas lebte in Kriftel. Er blieb ledig und starb am 13. Februar 1854 als geachteter Bürger von Kriftel.

Quellen und Literatur:

Hess.  Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abt.  1067, 2807,3533,3534,3537,3578,3690,3691,3702-3715, 3776, 4128,4301
Staatsarchiv Würzburg: MRA Klubbisten, Nr. 52
Dom- und Diözesanarchiv Mainz: Bestand 50, 55, Nr. l
Heimatkundliche Sammlung Kriftel: Akte Jakob Bartenheier
Katholisches Pfarrarchiv Kriftel: Kirchenbücher 1780-1860
Deutsche Jakobiner. Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792-1798. 2. Auflage Mainz 1982
Rudolf Schäfer: Chronik von Höchst am Main. Frankfurt 1987

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1999 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors
4.11.05

Eine Wohltat, auch heute noch, diese französische Bekanntmachung von 1792 zu lesen!