Keltendorf unter der Stadt vermutet
Auf dem Hattersheimer Gräberfeld wurden über 300 Jahre hinweg Siedler bestattet/ Forscher entdecken Karies

——— Frankfurter Rundschau: Wie gefällt Ihnen die Idee, einen Verkehrskreisel als „Keltenkreisel" zu gestalten?
Wiebke Hoppe: Ich finde es immer gut, wenn die Menschen etwas über die Vergangenheit eines Ortes erfahren. Die Stelen sind sicherlich eine Möglichkeit, an die keltische Siedlung in Hattersheim zu erinnern.

——— Seit wann weiß man eigentlich, daß Hattersheim keltische Ursprünge hat?
Eigentlich erst seit 1999. Zwar wurde schon 1983 antiker Schmuck auf dem Gelände der Gärtnerei Greul-Wagner gefunden. Der ist aber erst 15 Jahre später ins Landesamt für Denkmalpflege gelangt. 1999 fanden dann die ersten Ausgrabungen statt.

——— Sie waren 2005 und 2006 an den Grabungen im Baugebiet Südwest beteiligt. Was wurde damals entdeckt?

Wir haben 27 Skelette gefunden und 20 Brandgräber. Außerdem haben wir zwei große Kreisgräben lokalisiert. In einem der Kreise war genau in der Mitte eine Bestattung. Außerdem haben wir zwei Männer mit Schwert entdeckt, das war schon etwas ganz Besonderes.

——— Welche Schlüsse konnten Sie aus den Ausgrabungen ziehen?
Wir wissen jetzt, daß das Gräberfeld ungefähr von 500 vor Christus bis 200 vor Christus genutzt worden ist, also über einen relativ langen Zeitraum. Die Skelette und einen Teil der Brandgräber haben wir anthropologisch untersucht, so daß wir jetzt auch schon einiges über die Menschen wissen, die dort bestattet worden sind.

——— Was denn zum Beispiel?
 
In dem Kreisgraben wurde ein Mann bestattet, der ist ziemlich alt geworden, 50 bis 70 Jahre. Wir wissen auch, daß er Karies gehabt hat, aber sonst war er gesund. Bei den Brandgräbern konnten wir von einigen der Bestatteten das Alter herausfinden. Die genaue wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse mit der zeitlichen Einordnung aller Grabbeigaben muß allerdings erst noch gemacht werden.

——— Wie unterscheiden sich die Hattersheimer Funde von denen am Glauberg in der Wetterau?

Das Hattersheimer Gräberfeld ist in Südhessen das größte seiner Art. Im Gegensatz zu den Fürstengräbern am Glauberg, wo eine Elite bestattet wurde, sind hier ganz normale Menschen begraben.

——— Was genau kann man denn nun über diese Menschen herausfinden?
Zum einen, daß sich die Bestattungsform im Laufe der Zeit verändert hat. Die älteren Gräber sind Körpergräber. Später hat man die Toten mit den Beigaben auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

——— Wir erfahren also mehr über Bestattungsriten als über das Leben?
Vergleicht man den beigegebenen Schmuck mit Funden aus anderen Gräberfeldern, kann man auch Handelsbeziehungen aufzeigen oder darauf schließen, daß Frauen woandershin geheiratet haben. Wenn man noch mehr über das Leben der Menschen erfahren will, muß man nach der Siedlung suchen. Man vermutet allerdings, daß sie mehr in Richtung der heutigen Stadtmitte unter älterer Bebauung liegt. Damit wäre sie für eine archäologische Auswertung verloren. Wegen der relativ geringen Zahl von Bestatteten geht man davon aus, daß es eher eine kleinere Siedlung war.

——— Wo befinden sich die Funde aus Hattersheim jetzt?
Im Moment sind sie im Landesamt für Denk
malpflege in Wiesbaden und werden restauriert, ausgewertet und wissenschaftlich bearbeitet. Berichte über die Ausgrabungen wird man demnächst in drei wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Artikeln finden. Zum einen in „Archäologie in Deutschland" im Jahrbuch „Hessenarchäologie" und im Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises.Wiebke Hoppe, Archäologin

 

Entdeckte zwei Männer mit Schwert im Grab: die Archäologin Wiebke Hoppe.

 

INTERVIEW

  • Über die Geschichte der Kelten in Hattersheim und das geplante Denkmal sprach die FR mit Wiebke Hoppe.
  • Die 26-jährige Archäologin war 2005 als Grabungshelferin und 2006 als Grabungsleiterin bei Ausgrabungen eines keltischen Gräberfeldes in Hattersheim dabei.
  • Hattersheim wird im Sommer 875 Jahre alt - zumindest wurde die Stadt im Jahr 1132 zum ersten Mal schriftlich erwähnt.
  • Die Ursprünge liegen weiter zurück: Schon die Kelten besiedelten vor rund 2500 Jahren das Gebiet zwischen Schwarzbach und Main. Daran soll der „Keltenkreisel" mit fünf Sandstein-Stelen am Ortseingang erinnern.
  • Zum Auftakt der zwei Jubiläums-Festwochen gestaltet der Hattersheimer Bildhauer Kai Wolf am 8. und 9. Juni den Verkehrskreisel an der Mainzer Landstraße. WY
Ausgrabung Keltendorf Hattersheim

Studentin Nadine Richter und Gräber Erik Waldschmidt untersuchen bei den Ausgrabungsarbeiten 2005 ein Skelett aus der frühen Keltenzeit, das im Baugebiet Südwest gefunden wurde.

Interview Birgit Weyel

Frankfurter Rundschau - 24.5.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR