Erinnerungen an Kriftel im Ersten Weltkrieg
Stadtarchivar Wilfried Krementz hat Postkarten, Fotos und Briefe zusammengetragen / Ausstellung im Heimatmuseum

Von FRANZISKA RICHTER

Im Main-Taunus-Jahrbuch widmet der Krifteler Stadtarchivar Wilfried Krementz dem Schicksal Krifteler Soldaten im Ersten Weltkrieg einen Beitrag gewidmet. Heute eröffnet das Heimatmuseum eine Ausstellung mit zeitgeschichtlichen Dokumenten zu diesem Thema.

An eines kann sich Wilfried Krementz noch gut erinnern: „Als ich ein Junge war, habe ich manchmal von meinem Großvater Geld fürs Kino bekommen." Anschließend sei er in die Wirtschaft gegangen, „wo mein Großvater mit anderen Männern Skat spielte". Meist habe er ihm eine Brezel ausgegeben. „Ich habe einfach nur daneben gesessen und zugehört. Da wurde oft über den Ersten Weltkrieg geredet" sagt Krementz. Dies war für ihn ein Grund, sich mit dem Thema ausführlicher zu befassen.

An Dokumenten ist in seiner Familie aus dieser Zeit wenig erhalten. „Es gibt noch einen Militärpaß meines Großvaters", sagt Krementz. Für seine Sonderausstellung im Heimatmuseum, die am Freitag, 9. März, eröffnet wird, mußte er daher andere Krifteler fragen: „Ich habe gezielt Familien angesprochen, bei denen ich vermutet habe, daß es Material geben könnte."

Außerdem habe sein Beitrag im MTK-Jahrbuch viel Resonanz gebracht. „Es haben sich Familien bei mir gemeldet, einige haben mir die Postkarten oder Fotos sogar ganz überlassen", erzählt Krementz. Insgesamt haben 40 Krifteler private Dokumente zur Verfügung gestellt. Viele Familien waren direkt betroffen: Immerhin waren 1915, ein Jahr nach Kriegsausbruch, bereits 280 Krifteler eingezogen. Die Gemeinde zählte vor dem Krieg 1934 Einwohner.

Aus den Jahren 1914 bis 1920 stammen die Dokumente, die Krementz im Heimatmuseum präsentiert. Todesanzeigen, Nachrufe von Vereinen und Postkarten von Soldaten, die sich für Lebensmittelpakete bedanken, gehören ebenso dazu wie Fotos von einzelnen Männern oder ihrer Einheit. „Anbei schicke ich Euch eine kleine Überraschung. Am Sonntag sind wir photografiert worden, die Bilder sind ganz schön getroffen", schreibt der Krifteler HeinKriftel911rich Jakobi aus Frankreich an seine Familie.

Pakete für die Soldaten

Auf einer anderen Karte bittet er sie, ihm nicht so viele Lebensmittel zu senden: „Wir werden hier ganz gut versorgt und ich weiß ja, wie schlecht die Versorgungslage bei Euch ist." Diese Zeilen waren auch für Krementz überraschend. „Es wundert mich, daß so viel verschickt worden ist." Nicht nur von den Eltern seien Pakete gepackt worden. „Auch bei den Nachbar wird sich bedankt", erzählt er.

Kriegsgeschehen oder militärische Themen seien auf den Postkarten dagegen so gut wie gar nicht erwähnt worden. Eher sei es den Soldaten darum gegangen, die Sorgen daheim zu mindern. „Die Postkarten waren meistens an die Mutter gerichtet", sagt Krementz.

Ein anderer wichtiger Teil der Ausstellung sind Beiträge und Ausschnitte aus dem Höchster Kreisblatt. Schon drei Wochen nach dem Ausbruch des Krieges im August 1914 heißt es: „Großer Sieg über die Franzosen". Überhaupt sei Deutschland den Zeitungsberichten zufolge „von Sieg zu Sieg geeilt, und plötzlich haben wir verloren", faßt Krementz die Berichterstattung aus den Kriegsjahren zusammen. Insgesamt sei nicht viel über das Frontgeschehen berichtet worden, die Zeitung habe statt dessen Tipps, etwa zum Kartoffelanbau, abgedruckt. Ausnahmen bildeten der Frieden mit Rußland oder Nachrichten darüber, daß Kriegsgefangene zurückgeholt worden seien.

Viel Platz nahmen die Aufforderungen ein, Kriegsanleihen zukaufen. „Die Bevölkerung hat den Krieg finanziert, sie hat sich verschuldet", erzählt Krementz. „Jede verweigerte Mark hilft dem Feinde", stand dazu im Kreisblatt. Die Euphorie sei groß gewesen, viele junge Männer hätten sich freiwillig gemeldet, um in den Krieg zu ziehen. Von den Kriftelern kehrten Krementz' Nachforschungen zufolge 57 Männer nicht mehr zurück.

Die Anzeige erinnert an den im Alter von 18 Jahren gefallenen Infanteristen Hermann Schmelz (Dokument aus der Ausstellung im Heimatmuseum Kriftel).

Frankfurter Rundschau - 9.3.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR