War Lassalle auch zu Gast im Marx-Cottage?

Von Jürgen Dehl

Marxheim. Frau Gräfin führte ein bewegtes Leben. Der Herr Graf fand gefallen an der Jagd. Er ließ sich ein Jagdhaus bauen, sie ließ sich 1851 scheiden und erlangte einige Berühmtheit. Denn einer der Scheidungsgründe, vermutlich der wesentlichste, ist ein Mann der Politik- und Geistesgeschichte. Die Namen der Akteure: Graf Edmund von Hatzfeldt-Wildenburg (1798 - 1874), seine Frau Sophie (1805 - 1881) und Ferdinand Lassalle (1825 - 1864), der sich wegen seiner Gräfin in Genf duellierte. Für den Denker, Schreiber und Politiker endete das Duell tragisch: er starb an den Folgen.

 Das oberhessische Geschlecht derer von Hatzfeldt war nicht nur alt, es war auch sehr vermögend. Einer der Vorfahren, Melchior von Hatzfeldt (1593 - 1658) war kaiserlicher General im Dreißigjährigen Krieg und wurde 1635 in den Grafenstand erhoben. 1641 erhielt er zu seinen Gütern die schlesische Herrschaft Trachenberg. In Trachenberg kam Graf Edmund am 28. Dezember 1798 zur Welt. Der Historiker Josef Noll hat ausgerechnet, daß die umfangreichen Besitzungen Einnahmen in Höhe von rund 70.000 Talern brachten. Da dürfte es dem Herrn von Hatzfeldt nicht schwer gefallen sein, in Marxheim ein Grundstück von 1,5 Hektar zu erwerben. Der Kaufvertrag wurde am 28. Mai 1846 geschlossen. Der Wiesbadener Distriktbaumeister Theodor Götz wurde mit Planung und Bauaufsicht eines Jagdhauses betraut. Allerdings sollte das schon ein bißchen üppiger sein. Ein zweigeschossiges Haupthaus und zwei Nebenhäuser wurden errichtet. "Marx Cottage" hieß das Anwesen. Laut Josef Noll wurden rund 50.000 Gulden in das Anwesen investiert. Die gepachtete Jagd umfasste die Gemarkungen von Wallau, Massenheim, Weilbach, Langenhain, Diedenbergen, Hofheim, Kriftel und natürlich Marxheim selbst.

 Edmund von Hatzfeldt-Wildenburg und Sophie von Hatzfeldt-Schönstein hatten am 10. August 1822 den Bund fürs Leben geschlossen. Das passierte in Berlin, vermutlich hängt das damit zusammen, daß der Graf Preußischer Kammerherr gewesen ist. Drei Kinder entsprossen der Ehe. Der Bund fürs Leben endete jedoch offiziell schon 1851. Inoffiziell dürfte war die Ehe wohl schon einige Jahre früher zu Ende. Spätestens 1846. Da lernten sich Gräfin Sophie und Ferdinand Lassalle kennen.

 Der aus Breslau stammende Lassalle hatte in seiner Geburtsstadt und in Berlin Philologie, Geschichte und Philosophie studiert. Mit sozialistischem Gedankengut wurde er 1845 in Paris vertraut. Nach Deutschland kehrte er 1846 zurück und lernte Sophie von Hatzfeldt kennen. Wie es scheint, wurden beide rasch ein Paar. Die Scheidung, der wissenschaftlich beschlagene Lassalle half Sophie, dürfte eine reine Formsache gewesen sein.

 Einfach dürfte das Leben für Sophie und Ferdinand nicht gewesen sein. Seine Ideen galten den einen als aufrührerisch, den anderen waren sie zu zahm. Etwa für Karl Marx, der sich von Lassalle 1863 zurück zog. Ferdinand Lassalle wollte keine Revolution, er wollte reformieren. Das drei Klassen-Wahlrecht sollte seiner Meinung nach abgeschafft werden. Insgesamt schwebte ihm eine Demokratisierung vor. An der Spitze des Staates sah Lassalle dabei keinen Präsidenten, sondern einen König. Dennoch waren seine Überlegungen der Obrigkeit mehr als suspekt. Nach einem Vortrag über die Probleme des Arbeiterstandes, wurde er wegen "Aufreizung zum Klassenhaß" zu Gefängnis verurteilt. Doch in der Berufung begnügte man sich schließlich mit einer Geldstrafe.

 Am 23. Mai 1863 gründeten Lassalle und Gräfin Sophie den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein". Es war dies die erste Parteibildung der Sozialdemokratie in Deutschland. Der "Arbeiterverein" wählte Lassalle zu seinem Präsidenten.

 Umfangreich ist Lassalles schriftstellerische Arbeit. Marxheimer Volksmund behauptete einst, einige seiner Schriften seien in Marxheim im "Marx Cottage" - auch "Schlößchen" genannt - entstanden. Das ist durchaus möglich, doch Josef Noll spricht im Main-Taunus-Almanach 1996 dazu ein gewichtiges Nein. Eines ist jedoch belegbar: Der sozialistische Schriftsteller und seine Gräfin kurten in Bad Soden. Von hier unternahmen sie auch einen Ausflug nach Eppstein. Im Besucherbuch der Burg verewigte sich das Paar am 30. Juli 1861 mit seinen Unterschriften.

 Das "Marx Cottage" wurde am 27. August 1854 an den ältesten Sohn des Ehepaares von Hatzfeld - Alfred (1825 - 1911) verkauft. Alfred von Hatzfeldt bewirtschaftete das Anwesen - er hatte auch die Jagd übernommen - einige Jahre. Dann vermietete er es seinem Freund Prinz Alexander Friedrich Ludwig von Solms-Braunfels für ein Jahr. Danach kaufte der Prinz das "Schlößchen". Doch davon das nächste Mal.

Höchster Kreisblatt - 18.4.01 - mit freundlicher Erlaubnis des HK

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