Hinrichtung von "Ketzern"

Hinrichtung: Stand den Ketzern im Mittelalter der Scheiterhaufen bevor, wurden Juden wegen angeblicher Vergehen „als schmeher der göttlichen majestat cristi" grundsätzlich der Feuergrube überantwortet. Der Holzschnitt stammt aus der Weltchronik des Hartmann Schedel von 1493. (Repros: Jörg Kuropatwa)

Ohne Erinnerung wird die Geschichte vergessen
Ausstellung in der Schwalbacher Limesgemeinde zeigt die christlichen Wurzeln des Antijudaismus

Von Olaf Zimmermann

„Vom Kirchenvater Cyprian bis Adolf Hitler" heißt eine Ausstellung in der evangelischen Limesgemeinde, die von den christlichen Wurzeln des Antijudaismus berichtet.

SCHWALBACH. Wo der Antisemitismus endete, ist heute Allgemeingut: Die Vernichtungslager von Auschwitz gelten als Inbegriff des Judenhasses. Doch der Antijudaismus - auf den sich auch Hitler berief - ist älter. Seine Wurzeln sind Teil der christlichen Theologie. Ihre Ursprünge reichen zurück bis zum so genannten Kirchenvater Cyprian im Jahr 250 nach Christus und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte.

Der Evangelische Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau hat in einer Ausstellung die Stationen des Antijudaismus in der christlichen Kirche zusammengetragen. Die erstmals auf dem Kirchentag in Frankfurt gezeigten Schautafeln mit überwiegend historischen Texten sind bis zum 25. November 2001 in der Limesgemeinde (Ostring 15) zu sehen. Geöffnet ist die Ausstellung täglich von 9 bis 12 Uhr sowie nach den Sonntags-Gottesdiensten von 11 Uhr an.

Der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) im Main-Taunus-Kreis, Pfarrer Willi Schelwies, erinnerte zur Ausstellungseröffnung am vergangenen Wochenende an die Schwierigkeiten der evangelischen Kirche nach 1945, sich für das Thema zu öffnen. Erst 1991 habe die Landeskirche ihre Präambel ergänzt und damit ihre Schuld gegenüber den Juden bekannt. Schelwies sprach von einer notwendigen Umkehr, ohne die die christliche Theologie unglaubwürdig werde.

Das Verhältnis zum Judentum als „Mutter des christlichen Glaubens" sei lange vergessen und verdrängt worden. In Anlehnung an die Walser-Debatte über den Umgang mit Auschwitz sprach er sich dafür aus, die Erinnerung zu einem Teil des kollektiven Gedächtnisses werden zu lassen. Denn ohne Erinnerung werde Geschichte vergessen. In der Ausstellung über die „dunkle Geschichte der Kirchen" finden sich auch konkrete Namen.

Kardinal Faulhaber gehört dazu, der 1933 die Mär von den Juden als Christusmörder wieder aufleben ließ, aber auch Martin Luther. Der ältere Luther habe verbitterte und schlimme Ratschläge gegeben, auf die sich die Nazis fast wortwörtlich hätten berufen können, sagte Schelwies. Es seien erschreckende Aussagen, die weder entschuldigt noch erklärt werden könnten.

Wie eine Indizienkette reihen sich die Schautafeln aneinander. Die historischen Erläuterungen sprechen für sich. Sie zeugen von der Drangsalierung und Diskriminierung der Juden über fast 2000 Jahre. Tödliche Märchen wie Hostienschändung und Ritualmord werden ebenso thematisiert wie die systematische Reihe von Verboten, die die Kirche den Juden auferlegte. Etwa die Kennzeichnungspflicht für Juden, die vom vierten Laterankonzil im Jahr 1215 beschlossen wurde. Auf sie konnten sich die Nationalsozialisten nach 1933 berufen.

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Eingesperrt: In der Judengasse östlich der Stadtmauer (heutige Kurt-Schumacher- Straße) lebten Frankfurts Juden auf engstem Raum. Das Bild zeigt die Gasse um 1880.

Es sei Aufgabe der gesamten christlichen Theologie, das Verhältnis zum Judentum neu zu bedenken, sagte Schelwies. Dazu wolle die Ausstellung ihren Beitrag leisten.

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Frankfurter Rundschau  - 6.11.01 - mit freundlicher Erlaubnis der FR