Kein Papierhistoriker
Eppstein: Der ehemalige Museumsleiter und Stadtarchivar Bertold Picard forscht weiter

Von Claudia Horkheimer

„Geschichte, auch die heimische, ist der Stoff, aus dem unsere Gegenwart entstand und der weiter in die Zukunft wirkt." Bertold Picard sagte dies unlängst bei seiner Verabschiedung als Museumsleiter und Stadtarchivar von Eppstein. Daß er nach 44 Jahren die historische Arbeit ganz sein läßt, daran will aber in der Burgenstadt niemand so recht glauben. Und in der Tat plant der 76-Jährige bereits die nächsten Projekte. „Jetzt habe ich endlich Zeit, die Sachen zu machen, die mich noch mehr interessieren", sagt er und gießt sich lächelnd Kaffee ein. Die ehemalige Backstube in dem Fachwerkhaus von 1749, die ihm und seiner Frau heute als Wohnzimmer dient, ist selbst museumsreif. In der Ecke steht ein bemalter Bauernschrank von 1813, an den Wänden hängen alte Holzmasken, eine Marienfigur und eine Hubertusstatue.

Picard genießt gerade den gewonnenen Freiraum. Eigentlich wollte er bereits im Frühjahr aufhören. Doch die Stadt fand niemanden, der ehrenamtlich seine Aufgaben übernehmen wollte, die er seit 1965 neben seinem Beruf als Bibliothekar ausübte.

Trotz seiner Liebe zur Geschichte hatte der studierte Historiker zunächst einen anderen Berufsweg gewählt. Die Museumsarbeit hielt er für „Liebhaberei". Ich wollte eine „richtigen Beruf erlernen, sagt er. Deshalb ging er ins Deutsche Museum nach Frankfurt, arbeitete sich vom Referendar bis zum Direktor hoch. Zwar hatte er da nichts mehr mit Geschichte zu tun, saß aber direkt an der Quelle, die er für seine Forschungen brauchte.

Die Liste seiner Veröffentlichungen ist lang. 1968 schrieb er das erste Buch über Alt-Eppstein.

In der ganzen Zeit engagierte er sich mit Vorträgen und Führungen parallel zu seiner Bibliothekstätigkeit für Eppstein und baute das Museum auf. Für sein großes Engagement wurde er nun mit dem Verdienstorden des Landes Hessen ausgezeichnet.

Geschichte auch für die greifbar machen, die nicht darüber lesen

Jetzt will sich der Historiker wieder der Altstadt widmen, nachdem in den vergangenen Jahren vor allem die Burg und die Ortsteile im Vordergrund standen. Als erstes hat er sich die alten Mühlen und Gasthäuser vorgenommen. Veröffentlichungen plant er für das nächste Jahr. Und dann denkt er schon an 2018. Da feiert Eppstein 700 Jahre Stadtrechte, „da müssen wir etwas Ordentliches machen". Seiner Nachfolgerin im Museum, Monika Rhode-Reith, will er dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Im Museum stehen einige Änderungen bevor. Zwei neue Abteilungen seien geplant, eine zu den Herren von Eppstein und eine zur Stadtgeschichte, sagt Picard. Auch soll in der Kegelbahn im Bürgerhaus eine geräumige Lagerfläche für die Exponate entstehen, die im Museum derzeit keinen Platz finden. Picard ist nicht nur durch sein Leben in der Stadt und seine ehrenamtliche Tätigkeit mit Eppstein verwoben. Seine Vorfahren waren einst Leibeigene der Herren von Eppstein, berichtet er. Rückblickend sagt Picard, war ihm immer wichtig, kein „Papierhistoriker" zu sein, sondern Geschichte auch für diejenigen greifbar zu machen, die kein Interesse haben, darüber zu lesen. Deshalb setzte er sich stark für die Denkmalpflege ein. „Den Denkmälern kann man nicht entfliehen."

Frankfurter Rundschau – 17.12.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR