Der Regionalpark im Main-Taunus-Kreis

BEATE M. SCHWARZ UND FRIEDHELM BLUME

Wie alles begann:
Das Pilotprojekt in Hattersheim, Flörsheim und Hochheim

Anfang der 1990er Jahre entstand beim damaligen Umlandverband Frankfurt das Konzept für den Regionalpark Rhein-Main. Im Kern geht es darum, die im engeren Ballungsraum verbliebenen Reste der Kulturlandschaft zu erhalten, indem diese für die Menschen über Regionalparkrouten erschlossen, miteinander vernetzt und durch Gestaltungsmaßnahmen „in Wert gesetzt" werden. Zur Erprobung dieser Idee fand der Verband ideale Partner im Main-Taunus-Kreis und in den Städten Flörsheim, Hattersheim und Hochheim, mit denen er bereits Erfahrung im Umgang mit dem Schutz der Kulturlandschaft unter dem gemeinsamen Dach der „Gesellschaft zur Rekultivierung der Kiesgrubenlandschaft Weilbach", kurz: GRKW, über viele Jahre gesammelt hatte.

Das führte 1995 zur Gründung der ersten Regionalpark-Durchführungsgesellschaft, der „Regionalpark Rhein-Main Pilot gGmbH", mit Sitz in Flörsheim am Main, Grabenstraße 1 a. Seitdem entstand in den drei Städten Hattersheim, Flörsheim und Hochheim eine 28 Kilometer lange, zusammenhängende Regionalparkroute, an der sich mehr als 30 Einzelprojekte wie Perlen an einer Schnur aufreihen. Zu ihnen gehören, um nur einige besonders populäre Beispiele zu nennen, das „Rosarium" und der „Rabe im Nußbaumquartier" in Hattersheim, das „Haus des Dichters" und die „Kalkbrennöfen" in Flörsheim sowie der „Spielpark" und das „Vogelnest" in Hochheim. Die letzte Lücke im Wegenetz wurde 2006 in Weilbach mit einer 170 Meter langen Eichenallee zwischen dem „Haus des Dichters" und der Überquerung der Raunheimer Straße (L 3366 auf Höhe des Minimal-Marktes) geschlossen.

Kulturlandschaft Wickerbachaue

      Kulturlandschaft der Wickerbachaue (Foto: Thomas Kraus, Wiesbaden)

Nach anfänglicher Skepsis in der Bevölkerung und vor allem bei Landwirten und Naturschützern wird dieser erste Regionalparkabschnitt inzwischen von den meisten Menschen als wesentliche Bereicherung des Wohnumfeldes und der Freizeitgestaltung wahrgenommen und ist dem entsprechend gut besucht. Für Politiker und Fachleute war er von Anfang an Beispiel gebend. Und so ist das „Pilotprojektgebiet" immer noch Anschauungsobjekt für interessierte Lokalpolitiker aus der Region wie auch aus anderen deutschen und europäischen Ballungsräumen,

In folgenden MTK-Jahrbüchern wurden der Regionalpark Rhein-Main und ausgewählte Projekte bereits vorgestellt:

1999  Der Landschaft einen Sinn - den Sinnen eine Landschaft
2000  Die Alten Kalkbrennöfen im Regionalpark Rhein-Main
2003  Die Kiesgruben im Regionalpark Rhein-Main
2005  „Haus des Dichters" im Regionalpark Rhein-Main
2006  Kletterpark Kraftwerk

Neues Projekt 1:
Der „Ziegeleipark" in Kriftel

Der Ziegeleipark, am Ostrand der Gemeinde Kriftel gelegen, ist derzeit 3,8 ha groß und soll noch auf 4,5 ha erweitert werden. Vor Baubeginn war die Oberfläche plan wie eine Tischplatte, die sich über die Diagonale nach Südosten neigt. Heute prägen langwellige Hügel den Park, der von einem Rundweg durchzogen ist.

Wer hat den Park bereits entdeckt?

Bereits während der Bauphase nahmen Spaziergänger und Radfahrer aufmerksam Notiz vom Fortgang der Arbeiten. Und noch vor der offiziellen Einweihung im Herbst 2005 waren leere Bierflaschen in den Rankpagoden Indiz für ein Nachtleben Jüngerer im Park. Daß vereinzelt kleinere Mopedrennen gefahren wurden, ließen Spuren im Gelände vermuten. Dies ist unerfreulich, verdeutlicht aber auch die Weitläufigkeit des Parks. Die Schwalben entdeckten ihn bald, nachdem Niederschläge zu Flachwassertümpeln zusammenliefen. Der feuchte Lehm an den Ufern bietet sich ideal für den Nestbau an. Überhaupt sind die „Teiche" allseits beliebt. Hunde lassen sich gerne in den Ziegeleipark führen. Dort können sie nicht nur an heißen Tagen ein Bad nehmen. Die Besucher lieben die „Pagode der guten Aussicht" inmitten von prachtvollen Rosen- und Staudenbeeten. Von dort bietet sich ein grandioser Blick auf die Frankfurter Skyline und den Höhenzug des Taunus. Sie ist fast immer besetzt.

Rosarium Hattersheim


Rosarium Hattersheim am Main (Foto: Mathias Neubauer, Seligenstadt)

Die Rahmenbedingungen

An die Planung knüpfte die Gemeinde Kriftel folgende Bedingungen: Einen Erdwall zur Abschirmung des künftigen Wohngebiets, eine klare Begrenzung zu den Wirtschaftsflächen der Obstbauern sowie den Geschichtsbezug zur ehemaligen Ziegelei. Bis in die 1960er Jahre wurden hier Ton und Sand abgebaut. Der Ton wurde vor Ort zu Ziegeln verarbeitet. Ruth von Wangelin (gestorben 2006) fotografierte 1954 die Anlage sowie den gesamten Produktionsprozeß und stellte ihre Bilder für den Park zur Verfügung.
Spielpark Hochheim


Spielpark Hochheim am Main (Foto: Helga Korinth, Hochheim)


Der Ziegelei folgte eine Sondermülldeponie. Aufgrund eines Lecks mußte der Müll ausgehoben und die Fläche anschließend mit Erde verfüllt werden.

Aussichtskanzel Vogelnest


Aussichtskanzel „Vogelnest" in Hochheim am Main (Foto. Thomas Kraus, Wiesbaden)
Ruth von Wangelin

Ruth von Wangelin (mit Stock) beim Rundgang während der Einweihungsfeier am 28. Oktober 2005 (Foto Wolfgang Albrecht, Frankfurt a. M.)

Gabionenwand


Historische Fotos von Ruth von Wangelin in der  Bildergalerie  an der Gabionenwand (Foto Wolfgang Albrecht, Frankfurt a. M.)
Die Pagoden

Die „Pagoden" bilden die Verbindung zu den Themengärten (Foto: Wolfgang Albrecht, Frankfurt a.M.)


Das Konzept

Der Bad Sodener Landschaftsarchitekt Günter Rademacher spielt mit dem Thema Ziegel: Am nördlichen Parkeingang liegen überdimensional gemauerte, halb versunkene Ziegel links und rechts des Weges. Als Raum begrenzendes, diagonal verlaufendes Widerlager steht abschirmend zur A 66 eine Ziegelmauer. Ihr Portal gibt über die A 66 den Blick auf die Frankfurter Skyline frei. Sie korrespondiert mit der gegenüber liegenden Gabionenwand. Sie durchtrennt den Erdrücken und fungiert als Bildergalerie für die historischen Fotos von Ruth von Wangelin. Der Verbindungsweg zeichnet die frühere Trasse der Lorenbahn nach, mit der das abgebaute Material in die Ziegelei transportiert wurde. Die langwellig geformte Wiesenfläche erinnert an die großzügigen Freiflächen früherer Volksparks. An der Ostseite schließt die Galerie mit einer Abfolge von Räumen an: dem Schaufester auf Frankfurt und den Taunus, der Spielfläche und den Pagoden als Übergang zu vier räumlich durch Hecken gefaßte „Themengärten".

Finanzierung

Zu den Kosten von 685.000 Euro wurden 31% vom Land Hessen und 46% vom Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main beigesteuert. 23% brachte die Gemeinde Kriftel auf, wovon 2/3 durch Einnahmen aus den verfüllten Erdmassen stammen.

Initiativen

Auf Initiative des Rotary-Clubs Kriftel wurde im Süden des Parks ein Labyrinth angepflanzt. Die Hainbuchen müssen noch ein wenig wachsen, bis man sich verirren kann. Derzeit wird an der nördlichen Erweiterung des Parks gearbeitet.

Neues Projekt 2:
Die „El-Lissitzky-Allee" in Schwalbach am Taunus

Das Kunstwerk

Im Sommer 2005 wurde die begehbare Stelenskulptur „El-Lissitzky-Allee" in einer Feierstunde der Öffentlichkeit übergeben. Es ist ein Werk des Darmstädter Künstlers Professor Gerhard Schweizer und besteht aus drei Gruppen von je fünf Betonstelen in unterschiedlichen Abmessungen zwischen 3,60 und 5,10 m. Höhe. Diese sind entlang des Weges so aufgestellt, daß sich den Spaziergängern ihr Text im Laufe des Passierens erschließt. An drei, von gußeisernen Bodenplatten im Weg markierten Standpunkten kann der Passant innehalten und die folgenden Worte lesen:

    >Jede Form ist das erstarrte Momentbild eines Prozesses.<
    >Also ist das Werk Haltestelle des Werdens ...<
     >und nicht erstarrtes Ziel.<

Diese Aussage erschließt sich dem Betrachter selbst. Denn während er an den perspektivisch angeordneten Stelen vorbei geht, ist es sein Auge, das das Kunstwerk an jedem der drei Standpunkte immer wieder neu erschafft.

Die Lage

Die „El-Lissitzky-Allee" befindet sich auf der ehemaligen Erweiterungsfläche des Schwalbacher Waldfriedhofs in Nähe der Landesstraße L 3015. Sie ist in die Regionalparkroute eingebunden, die vom Viergötterstein kommend am Friedhofseingang vorbei führt und in dem Wiesental nördlich der Limesstadt das Kunstwerk „Die Sitzende" des Schwalbacher Künstlers Willi Schmidt einbezieht. Auf eine gärtnerische Gestaltung der ehemaligen Friedhofserweiterungsfläche wurde in Hinblick auf die bewaldete Umgebung bewußt verzichtet. Das vorhandene großflächige, bunt gewürfelte Biotop wird durch gezielte Mahd von Verbuschung frei gehalten. Dadurch wird der Lebensraum für wertvolle seltene Pflanzen und Tiere gesichert.

Die Förderer

Zur Fortführung der Regionalparkroute zum Quellenpark Kronthal wurde zur gefahrlosen Überquerung der Landesstraße L 3015 eine Betonbrücke errichtet. Beide Projekte, Kunstwerk und Brücke, wurden von der Europäischen Union aus dem Programm INTERREG III B -SOS II (Sustainable Open Space - nachhaltige Freiraumentwicklung) jeweils zur Hälfte finanziell gefördert. Den künstlerischen Entwurf für die „El-Lissitzky-Allee" sponserte das in Schwalbach seit 1970 ansässige Unternehmen Procter & Gamble. Verantwortlich für Planung, Bau und Finanzierung war die „Regionalpark Rhein-Main Kronberg/Schwalbach GmbH".

El-Lissitzky-Allee

Die begehbare Stelenskulptur „El-Lissitzky-Allee" (Foto: Wolfgang Albrecht, Frankfurt a M.)

Brücke über die L 3015

Brücke über die L 3015 (Foto: Wolfgang Albrecht, Frankfurt a M.)

Neue Zuständigkeiten:
Die Regionalpark-Dachgesellschaft

War in den Anfangsjahren der damalige Umlandverband Frankfurt sowie sein Nachfolger, der Planungsverband für Konzeption, Organisation, Finanzierung und Realisierung des Regionalpark Rhein-Main zuständig, so liegt die Verantwortung jetzt bei der „Regionalpark Ballungsraum Rhein-Main gGmbH", kurz: Regionalpark- Dachgesellschaft. Grund ist das Hessische Ballungsraumgesetz.

Die Regionalpark-Dachgesellschaft hat seit Ende 2005 ihren Sitz in Flörsheim am Main, Riedstraße 9. Ihr gehören an: der Main-Taunus-Kreis, Hochtaunuskreis, Kreis Offenbach, Wetteraukreis, Main-Kinzig-Kreis, Kreis Groß-Gerau, die Städte Frankfurt am Main, Offenbach am Main, Hanau, Rüsselsheim und Bad Homburg vor der Höhe, der Planungsverband sowie das Land Hessen. Damit wuchs der Gebietszuschnitt von ursprünglich 1.500 Quadratkilometer (Umlandverband) auf nun 4.300 Quadratkilometer. Zu den Aufgaben der Regionalpark-Dachgesellschaft gehört die Weiterentwicklung, der Ausbau und die Beschilderung des Routennetzes, die finanzielle Förderung von Einzelprojekten, die Sicherung eines übergreifenden Qualitätsstandards sowie die Öffentlichkeitsarbeit.

Mit dem Sitz der beiden Regionalparkgesellschaften „Pilot" als erste Durchführungsgesellschaft und der „Dachgesellschaft" als organisatorische Klammer ist in Flörsheim am Main der Main-Taunus-Kreis nun zum Zentrum der Regionalpark- Aktivitäten in der Region Rhein-Main geworden.
 

Weitere Informationen: www.regionalpark-rheinmain.de

MTK-Jahrbuch 2007 - mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber

Regionalpark MTK: die Stadt Eschborn sieht sich nicht in der Lage, sich zu beteiligen. Die betroffenen Eschborner Bauern verkaufen keinen Acker.