Rohrstock in der Vitrine
Kriftel: Im Schulmuseum wird sonntags die Geschichte des Lehrens und Lernens lebendig

Von Andrea Rost

Aufgeregt stehen die Kinder vor dem großen Tor. Die Mädchen haben weiße Blusen und Faltenröcke an, die Buben frisch gebügelte Hosen. Der Lehrer hält einen Blumenstrauß in der Hand. „Das Foto ist 1947 bei der Einschulung in Eschborn gemacht worden", sagt Wolfgang Janecke. Auf Posterformat vergrößert ziert das 60 Jahre alte Schwarz-Weiß-Bild das Entree des Krifteler Schulmuseums. Wer hier über die Schwelle tritt, begibt sich auf eine Reise durch die Geschichte des Lernens und Lehrens. Mehr als zwei Jahrtausende ist sie lang. Ältestes Exponat ist ein so genannter Stilus, ein römisches Schreibgerät, das Wolfgang Janecke auf einem Acker in Carnuntum gefunden hat.

Altes Klassenzimmer

Schule damals und heute können die Generationen im Krifteler Museum erleben.

Der ehemalige Realschulleiter an der Hattersheimer Heinrich-Böll-Schule sammelt seit den 80er Jahren alles, was mit Schule zu tun hat: Fotos und alte Zeugnisse, Hefte, Ranzen und Bücher. Auf Speichern und in Kellern habe er gestöbert, erzählt Janecke. Auch auf Flohmärkten war er unterwegs.

Historische Klasse

Im Laufe der Jahre hat er so alte Schulbänke für eine ganze Klasse zusammen bekommen. Eine davon hat sogar eine eingelassene Schiefertafel - ein Luxus für die damalige Zeit. Den abgetretenen Holzfußboden für den historischen Klassenraum hat Janecke aus der alten Schule im Eppsteiner Stadtteil Niederjosbach gerettet, Fenster und Türen stammen aus Schulgebäuden in Bad Soden, Frankfurt und Wiesbaden.

Das Krifteler Schulmuseum ist das einzige seiner Art im Kreis. Ein Schwerpunkt liegt auf der lokalen Schulgeschichte. Da gibt es zum Beispiel eine Darstellung der Lateinschule Wallau aus dem Jahr 1563, einen Eintrag des russischen Dichters Leo Tolstoj im Besucherbuch der Bad Sodener Volksschule und Dokumente zur Hofheimer Schulrevolte aus dem Jahr 1833. Ein halb fertiges Gebäude, in das die Schüler aus dem Kellereigebäude umziehen sollten, sei damals von den Bürgern wieder niedergerissen worden, erzählt Janecke. „Die Hofheimer fanden den Neubau zu teuer."

Ausgestellt sind im Schulmuseum auch Lehrmittel aus den letzten Jahrzehnten - Leinwände und Wandtafeln, ein Rechenschieber, wie ihn Gymnasiasten in den70er Jahren benutzten, ein Setzkasten für Erstklässler und riesige schwarze Leitz- Projektoren, auf denen die ersten Filme im Unterricht gezeigt wurden. In einer Vitrine liegt ein Rohrstock. Noch Mitte der 50er Jahre sei der verwendet worden, weiß Janecke.

Über zehn Jahre ist das Schulmuseum in der Weingartenschule schon eingerichtet, bisher mußte man sich anmelden, wollte man es besichtigen. Seit März ist das anders. An jedem ersten Sonntag im Monat sind die Räume nun von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Nächster Besuchstag für das Schulmuseum ist der Internationale Museumstag, 18. Mai, von l4 bis 17 Uhr.

Frankfurter Rundschau – 2.5.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR