Schwalbacher Lehrer im 18. Jahrhundert

Teil 1: von Michael Geisler

Die lateinische Bezeichnungen für Lehrer waren "ludimagister" und "ludirector", die deutschen "Schulmeister" und "Kirchenspiellehrer". Letzteres läßt erahnen, daß die Arbeit nicht nur aus dem Unterrichten der Kinder bestand, sondern u.a. auch die Unterstützung des Pfarrers, das Läuten der Glocken und, sofern vorhanden, das Spielen auf der Orgel beinhaltete. In der Ausbildung der Lehrer gab es Unterschiede, es gab welche, die studiert hatten, in dieser Gegend dürften dies die meisten in Mainz getan haben, aber auch welche, die eine ganz andere Vorgeschichte hatten, wie z.B. ehemalige Soldaten. In evangelischen Gebieten haben auch Theologen den Unterricht abgehalten, bevor eine Pfarrstelle für sie frei wurde. Die Bezahlung war meist schlecht, so daß man oft nebenbei auch Landwirtschaft oder ein Handwerk betrieb. Der Krifteler Lehrer Johann Burkhard war beispielsweise auch als Wagner tätig gewesen. Nicht selten haben Lehrer Lehrerstöchter oder -witwen geheiratet und Söhne denselben Beruf ergriffen wie der Vater. So hat z.B. der Fischbacher Lehrer Johann Peter Fang 1720 die Tochter des Neuenhainer Lehrers Johann Peter Seibold geheiratet, ihre Söhne Johann Georg und Johann wurden Lehrer in Vockenhausen und Marxheim. In Neuenhain kann man schön erkennen, auf welche Weise hinterlassene Familienmitglieder verstorbener Lehrer versorgt wurden, dort haben nämlich im 18. Jahrhundert vier Lehrer in Folge die Witwe bzw. Tochter ihres Vorgängers geheiratet. Ein Lehrer, der besonders lang an einem Ort blieb, war Johann Seibold, der 1761 im Alter von 73 Jahren starb und 47 Jahre lang in Oberhöchstadt tätig war.

Für das 17. Jahrhundert findet man in Schwalbach bisher nur den Lehrer Johann Michael Imhoff, 1691 wurde seine Tochter geboren. 1702 ist ein Lehrer gleichen Nachnamens in Niederhöchstadt nachweisbar, möglicherweise handelt es sich um denselben.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hieß der Lehrer Franz Anton Kisselbach, er kam gegen 1697 nach Schwalbach. Sehr oft trat er als Trauzeuge auf, gelegentlich hob er auch als Pate Kinder aus der Taufe, so z.B. seinen Neffen, aber auch uneheliche Kinder auswärtiger Frauen. Mit seiner Frau Anna Maria hatte er vier Kinder, deren Taufpaten zu den vornehmeren Familien in Schwalbach gehörten. Einmal war es der Greiffenclau' sche Keller Johann Peter Henrici, der in der Burg lebte, nicht weit entfernt von der sich im Frankfurter Tor befindlichen Schule, und dreimal waren es Mitglieder der Familie Lilliers, Verwandte des aus Holland stammenden und 1679 verstorbenen Karl Adrian Lilliers, ehemals Schwalbacher Schultheiß und Königsteiner Landhauptmann. 1708 wurde Kisselbach Witwer, ein Jahr später heiratete er die aus Oberursel stammende Maria Elisabeth Ussperger. 1712 heiratete sein jüngerer Bruder Kaspar die Schwalbacherin Ursula Abel, eine Schwester des Niederhöchstädter Lehrers. 1720 starb Franz Anton Kisselbach in Alter von 50 Jahren, während seine Witwe noch 40 Jahre weiterlebte. Durch Kaspars Nachkommen hielt sich der Familienname noch bis zum Ende des Jahrhunderts in Schwalbach. Erwähnenswert ist Franz Antons Enkel Nikolaus Flach, der später wie auch zwei seiner Söhne Porzellanmaler in Höchst war, bedenkt man, daß Höchst mit zu den ältesten Porzellanmanufakturen Europas gehörte.

Nachfolger wurde der Schwager von Kisselbachs Bruder, der um 1678 in Schwalbach geborene Johann Jakob Abel. Er war von 1707 bis 1720 Lehrer im Nachbarort Niederhöchstadt und trat nun die Stelle in Schwalbach an. Im Gegenzug übernahm seine Stelle in Niederhöchstadt der um 1670 ebenfalls in Schwalbach geborene Valentin Bommersheim, der 1706 bei der Taufe seines Neffen Valentin noch als "studiosus" bezeichnet wurde. Abel starb aber schon 1722. Seine Kinder waren vorher schon klein gestorben, seine Witwe lebte noch bis zu ihrem Tod 1735 in Niederhöchstadt.

Auch der nächste Lehrer, Nikolaus Haub, hatte nur eine kurze Dienstzeit und starb 1729, eine noch bis 1754 lebende Witwe und zwei kleine Töchter hinterlassend.

Zum dritten Mal mußte sich die Schwalbacher Gemeinde innerhalb eines Jahrzehnts nach einem Lehrer umsehen, und man fand diesen im bisher in Sossenheim tätigen Valentin Müntzenthaler. Dieser sollte wieder etwas länger die Schwalbacher Schüler unterrichten, und zwar bis zu seinem Tod im Jahr 1752. Seine Witwe Dorothea und die überlebenden Kinder blieben nicht in Schwalbach, sie zogen zum Sohn, der eine Hornauerin geheiratet hatte, und Lehrer in Oberjosbach war. Eine Tochter hatte ebenfalls nach Oberjosbach geheiratet.

1739 hatte Valentin Bommersheim, Neffe und Patenkind des schon erwähnten gleichnamigen Niederhöchstädter Lehrers, die aus Burgholzhausen stammende Maria Ursula Feuerbach geheiratet. Zwei Jahre später heirateten deren Geschwister Karl Ludwig und Apollonia Feuerbach die Geschwister Maria Elisabeth und Johann Bayer aus Schwalbach. Der 1715 geborene Karl Ludwig Feuerbach war Lehrer in Burgholzhausen, als er 1741 heiratete, und blieb es solange, bis er dann nach Müntzenthalers Tod dessen Nachfolger in Schwalbach wurde. Die Mutter der drei nun in Schwalbach lebenden Geschwister war seit 1738 verwitwet, sie starb 1755 in Schwalbach. Sie lebte entweder vorher schon bei den Töchtern, oder sie war später mit dem Sohn nachgekommen. Der Lehrer selbst hatte eine kurze Wirkzeit in Schwalbach, starb schon 1757 und hinterließ seine Witwe und drei Töchter.

Nun kam der um 1723 in Saalmünster geborene Johann Martin Ludwig Schulnick. 1758 heiratete er die siebzehnjährige Schwalbacherin Maria Elisabeth Seibert. Mit ihr hatte er siebzehn Kinder, darunter ein Zwillingspaar. Es ist die bisher höchste bekannte Anzahl von Kindern, die je eine Frau in Schwalbach geboren hatte. Ein gutes Verhältnis bestand zur Greiffenclau' schen Kellerfamilie Krauss, deren Mitglieder mehrmals bei seinen Kindern als Taufpaten auftreten, im Gegenzug patete der Lehrer des öfteren vertretungsweise bei den Kindern des Kellers, da die eigentlichen Paten, Verwandte oder höhergestellte Personen, weiter entfernt von Schwalbach lebten. Der Ortsplan von Schwalbach, der fälschlicherweise mit 1670 statt wohl 1770 datiert ist, könnte möglicherweise von Schulnick gezeichnet worden sein. Dafür spräche, daß es zum einen üblich war, daß Lehrer eine solche Aufgabe in die Tat umsetzten, zum anderen, daß der Originalplan sich heute noch im Besitz der Familie Schulnick befindet.

1762 hatte der Lehrer für sich und seine noch kleine Familie unweit der Schule eine Hofreite erworben und wurde somit Ortsbürger. Die damit verbundenen Pflichten wie Fronarbeit, Gemeindedienst und Spießtragen verweigerte er, schließlich wurde er von ihnen befreit. Mit seiner Ehefrau Maria Elisabeth führte er eine Krämerei, bis 1774 Pfarrer Melchior einen Brief vom Mainzer Vikariat erhielt. "Er hätte mit allen Ernst dortigen Schulmeister anzuhalten, daß er die Schul ordentlich halte, die Jugend in Lesen, Schreiben und Rechnen vorzüglich, aber in Cathechesi wohl und gründlich unterweise, und sich keines Wegs zu Lasten kommen lasse, daß er während der Schulzeit sich mit mehren Verkäufen oder Sonst einer Beschäftigung abgebe." Das war dann das Ende der Krämerei.

1777 schrieb Maria Elisabeth an die kurfürstliche Landesregierung, daß sie seit dem Verbot ihrer Krämerei in Armut lebe und kaum noch in der Lage sei, sich und ihre neun Kinder zu ernähren und zu kleiden. Ihr Mann würde nie das volle Schulgeld erhalten, hätte die letzten beiden Sommerquartale umsonst gelehrt. An Holz habe sie für den Winter nur das, welches sie und ihre Kinder im Sommer gesammelt hatten. Da dieses nicht ausreichen würde, müsse sie nun mit ihrer Familie wieder in das Schulhaus ziehen, "welches der Schuljugend nicht zum besten seyn kann". Laut Verordnung sollte die Schulstube von der Lehrerswohnung separat sein, was in der Schule im Frankfurter Tor nicht der Fall war. 13 Jahre habe sie deshalb mit ihrer Familie im eigenen Haus gelebt, damit ihre Kinder nicht den Unterricht stören würden. Im Anschluß listete sie 23 Ortsbürger auf, die keinerlei Klagen gegen sie und ihre Krämerei hätten, und erwähnte noch, daß diese Liste die "Neutralen und Wittweiber" nicht enthalte. Der Königsteiner Rentmeister Scheppler ordnete an, daß Schulnick sein Geld bekommen sollte und zukünftig der Bürgermeister (= Gemeinderechner) das Schulgeld einziehen und an den Lehrer abzugeben habe. Schon im Vorjahr wurde attestiert, daß der Niederhöchstädter Lehrer von jedem Schüler 1 Gulden im Jahr und der Schwanheimer Lehrer 6 Stecken Holz von der Gemeinde erhalten würde. Schulnick sollte 15 Kreuzer (= 1/4 Gulden) pro Schulkind und Quartal und 7 Stecken Holz im Jahr erhalten. 1778 bat Schulnick, daß zumindest seiner Frau oder seinem ältesten, inzwischen 16-jährigen Sohn das Krämereigewerbe wieder erlaubt würde.

Aus jenen Zeiten ist auch Auflistung der Einkünfte erhalten. Diese sah, zumindest theoretisch, so aus:

s. die Tabelle am Fuß

Da das Schulgeld 67 Gulden (= fl.) betrug und jedes Schulkind bzw. dessen Eltern einen Gulden im Jahr zu entrichten hatte, ergibt sich hiermit eine Schülerzahl von 67 Kindern. Die in Einwohnerlisten angegebenen Zahlen, z.B. 74 Söhne und 58 Töchter für 1697 oder 102 Söhne und 83 Töchter für 1760 sind bezüglich der Anzahl der Schüler nicht aussagekräftig, da sie vom Säugling bis hin zum unverheirateten Erwachsenen alle Kinder der Schwalbacher Ehepaare auflisten.

Schulnick starb 1788, und als einzigem der hier genannten Lehrer hat sich sein Nachname bis in die Gegenwart erhalten. Seine Tochter Elisabeth war als Hebamme in Schwalbach tätig. Deren Vorgängerin war ebenfalls eine Lehrerstochter gewesen, allerdings war deren Vater in Schwanheim tätig gewesen.

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Abb. 2: Die von Baumeister Herigoyen entworfene und 1792 erbaute Schule

In Schulnicks Todesjahr stellten Schultheiß Christian Scherer und die Gerichtsschöffen fest, daß das Schulgebäude baufällig war und beantragten bei der Regierung einen Neubau. Das Frankfurter Tor wurde abgebrochen, die beiden anderen Schwalbacher Torhäuser bestanden noch einige Jahrzehnte weiter und wurden von den Hirten genutzt. Der Entwurf für eine neue Schule sah zuerst ein Gebäude mit den Grundmaßen 50 mal 30 Schuh vor. Der Plan wurde dem Baumeister Herigoyen vorgelegt, der ihn derart abänderte, daß ein leichtes Parallelogramm mit gleichen Grundmaßen im Grundriß entstand. Der neue Standort war auf dem freien Platz neben dem Wirtshaus "Zum Roß" und in kurzer Zeit wurde der Bau ausgeführt, Teile des abgebrochenen Schulhauses wurden dabei wiederverwendet.

Als Schulnicks Nachfolger wird ein Johann Dietz genannt, über den bisher nichts bekannt ist außer dem Namen, auch ist die Quelle hierfür noch nicht gefunden worden. Ihm folgte bald, wenn es ihn tatsächlich gegeben hat, Joseph Müller aus Klepsau an der Jagst. Dieser war von 1791 bis 1803 in Schwalbach als Lehrer tätig und somit der erste, der im neuen Schulgebäude unterrichtete. Nach anderer Quelle, nämlich der Schulchronik, die seit 1817 geführt wurde, war er etwa 16 bis 17 Jahre tätig, könnte also schon direkt nach Schulnicks Tod gekommen sein. Er heiratete 1798 Anna Maria Bommersheim, eine Großnichte des Schwalbacher Lehrers Karl Ludwig Feuerbach und Urgroßnichte des Niederhöchstädter Lehrers Valentin Bommersheim. Bald nach seinem Weggang nach Höchst zog sein jüngerer Bruder mit Frau und Kindern von Klepsau nach Schwalbach und betrieb Landwirtschaft. Unter diesen Kindern befand sich auch Valentin Müller, der später Wirt "Zum Schwanen" werden sollte und dessen Familie über Generationen das Wirtshaus besaß.

Während seiner Zeit in Höchst hatte Joseph Müller auch einen Briefwechsel mit dem Schulreformer Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827). Er starb am 4. Januar 1821 in Höchst im Alter von 52 Jahren, der dortige Pfarrer bezeichnete ihn in seinen Kirchenbuchaufzeichnungen als einen wahren christlichen Mann. Da über ihn am meisten überliefert wurde, ist er der interessanteste unter den Schwalbacher Lehrern aus dieser Zeit, wovon nun gesondert berichtet wird.

Teil 2: von Richard Peters)

Jeremias Bohländer war Pfarrer in Schwalbach von 1783 bis 1797

In den politischen Wirren dieser Zeit mischen sich in der Folge in Schwalbach auch die Konflikte zwischen dem Pfarrer und seiner Gemeinde. Anschaulich macht dieses ein Bericht, den Weihbischof und Generalvikar Heimes am 2. Januar 1797 verfaßte, Er schreibt darin, daß die Gemeinde von Kleinschwalbach schon vor zwei Jahren verschiedene Klagen über ihren Pfarrer vorgebracht habe. Als nun der Pfarrer anläßlich des zurückliegenden Einfalls der Franzosen aus Furcht vor ihnen seine Pfarrei mehrere Wochen verlassen habe, haben ihm die Gemeindemitglieder bei seiner Rückkehr durch den Amtsvorsteher erklärt, daß sie ihn nicht mehr als ihren Pfarrer anerkennen, sondern ihm auch die Schlüssel zum Pfarrhaus verweigerten. Auch den von ihm abgehaltene Gottesdienst haben sie boykottiert.

Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß der Lehrer Müller dem Pfarrer allerlei Schwierigkeiten machte und möglicherweise stand die Gemeinde sogar hinter ihm. Jedenfalls hat der Pfarrer für seine Nachfolger ein Memo geschrieben und das „flegelhafte Betragen des unartigen Schulmeisters Joseph Müller" angeprangert.

Dieser Schullehrer war auf Probe aus der Mainzer Normalschule gekommen. Pfarrer Bohländer fand ihn nicht geeignet und wollte ihn nicht behalten. Daraufhin schrieb dieser eine „Schmähschrift" an den Erzbischof von Mainz, worauf der eine Visitation verfügte. Trotzdem versuchte Pfarrer Bohländer den Müller und dessen Schwester durch Bewirtung und Geldgaben bei guter Laune zu halten.

Joseph Müller wollte das reichste Mädchen im Dorf heiraten, die Tochter des Johann Adam Hemmerle. Diesem war ein Schulmeister als Ehemann für seine Tochter zu gering und er teilte dieses dem Joseph Müller mit. Müller war der Meinung, daß der Pfarrer die treibende Kraft dahinter war. Er sagte, daß er die Tochter doch heiraten würde, ob der Vater einwilligte oder nicht. Tatsächlich hat diese junge Frau später einen Krauss, den Keller des Hofgutes geheiratet. Müller hat - wie berichtet - 1798 die Anna Maria Bommersheim geheiratet.

Die Lehrer waren zu dieser Zeit auch für gewisse Kirchendienste zuständig, z. B. als Organist, Glöckner und Küster. Müller lehnte es ab, dem Pfarrer beim An- und Auskleiden vor und nach dem Gottesdienst zu helfen. Er sagte wörtlich: „ich bin kein Bediener von Ihnen, kleiden Sie sich selbst an und aus. Was früher üblich war, tue ich nicht mehr." Als Ausrede führte er an, daß er mit der Orgel zu tun hätte. Dem Schulmeister von Niederhöchstadt sagte er: „Ich will den Pfarrer anders erziehen." Während des Gottesdienstes an Ostern hat er mit den Schulbuben „wilde Musik" aufgeführt. Der Pfarrer verbot es und Joseph Müller widersetzte sich lauthals in der Kirche sodaß der Pfarrer flüchten mußte. Auch seine Pflichten als Küster ließ J. Müller durch die Schulbuben verrichten.

Der Schwalbacher Schultheiß Johannes Adam stellte ihn zur Rede und befahl ihm, seine Pflichten persönlich zu erfüllen. Darauf sagte J. Müller: „der Schultheiß hat mir nichts zu befehlen. Er muß wissen, daß ich zwar ein Mensch von 24 Jahren bin, aber einen größeren Verstand habe, als ein Mann mit 44 Jahren."

Das bischöfliche Vicariat rügte den Lehrer Joseph Müller auf das schärfste und mahnte ihn, seine Pflichten als Organist und Glöckner zu erfüllen und dem Ortsgeistlichen den nötigen Respekt zu zollen.

Da sich nichts besserte, schickte Pfarrer Bohländer einen Bericht an das bischöfliche Vicariat. Wegen der herrschenden Kriegsunruhen wurde jedoch nichts unternommen.

Er sagte den Bauern, er könne deren Söhne Geige spielen lehren. Zwölf Bauern schafften daraufhin ihren Buben Geigen an. Der J. Müller konnte jedoch keinen Unterricht geben und die Bauern hatten ihr Geld umsonst ausgegeben.

Bereits am 10. September 1788 wurde dem Joseph Müller von Mainz aus ein „Erstklassiges Attest" ausgestellt. Darin heißt es, „daß der Joseph Müller aus Klepsau die kurfürstliche Normalschule zu Mainz von 1786 bis 1788 folglich 2 Jahre besucht, sich während dieser Zeit immer rechtschaffen und untadelig betragen, anhaltenden Fleiß angewandt und in den Lehrgegenständen der Normalschule, der Glaubens- und Sittenlehre, den biblischen und Naturgeschichten, Pädagogik, der deutschen Sprache, Rechnen und Briefschreibekunst, Erdbeschreibung und Geldmeßkunst ausgezeichneten Fortgang gemacht habe und mit Ruhm bei den ordentlichen Prüfungen 1787 und 1788 aufgetreten sei. Ebenso, daß er die Musik verstehe, Choralsingen, auf der Orgel spielen und sonstige musikalische Instrumente verstehe, folglich einer jeden, nicht nur trivialen sondern auch Realschule in der Stadt und auf dem Lande gewachsen sei. Dieses wird ihm von der K. General Schul-Kommission bezeugt."

Der Nachfolger vom Schwalbacher Pfarrer Bohländer, Pfarrer Staudt schrieb am 14.6.1801: „Der hiesige Schullehrer Joseph Müller hat sein hiesiges Schulamt seither mit Eifer und mit meiner wahren Zufriedenheit versehen. Er hat mir nicht nur nicht die geringste Gelegenheit gegeben, etwas wider seine moralische Aufführung oder die Gediegenheit seiner religiösen und politischen Einstellung auszusetzen, sondern immer deutlich zu erkennen gegeben, daß er ein treuer Anhänger dieser Einstellungen und ein Feind von unberufenen Meinungen sei. Deshalb ist sein Begehren auf die Beförderung zur Höchster Schulstelle ebenso willig wie wohlverdient. J. M. wurde 1801 als Rektor an die Schule in Höchst versetzt.

Dort war der Rektor Tobias Anton Klug verstorben. Er war 25 Jahre Lehrer in Höchst gewesen. Sowohl der „Träger" der Schule, das Antoniter Kloster als auch die Witwe des Verstorbenen wollten den 18jährigen Sohn Balthasar Klug als Nachfolger einstellen.

Dieser hatte schon während der Krankheit und auch nach dem Tod des Vaters diesen als Lehrer vertreten. In einem Schreiben an die kurfürstliche Landesregierung in Mainz bat die Witwe, die acht unmündige Kinder zu versorgen hatte, darum, ihrem Sohn die Lehrerstelle anzuvertrauen. Balthasar legte einige Zeugnisse vor, wonach er bei seinen Studien in Mainz bis in die Vorbereitungsklasse zur Philosophie gekommen sei, aber sein Studium wegen der Kriegswirren und der Krankheit seines Vaters abbrechen mußte. Er erbot sich, sich weiterzubilden und sich gegebenenfalls einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Die Witwe bot an, so lange einen Stellvertreter zu bezahlen. Auch Pfarrer Sandlus aus Schloßborn - ein Verwandter - unterstützte die Bitte.

Am 16.1.1801 schreibt das kurfürstliche Oberamt in Höchst an die Landesregierung in Mainz, daß bei Berücksichtigung der notleidenden Witwe mit den unmündigen Kindern es nicht opportun erscheine, dem jungen Balthasar Klug die Schulleitung zu übertragen. Der junge Klug sei nicht in der Lage, den Schuldienst und den damit verbundenen Dienst in der Kirche (Glöckner, Organist) sowie den Unterricht in der lateinischen Sprache zu erfüllen. Er habe ja auch nur die Mittelschule besucht. Der Absender erinnert an sein Schreiben vom 26. 1. 1784, in welchem er bereits damals einen zweiten Lehrer vorgeschlagen hatte. Am 11. 2. 1801 schreibt ein Hemsroth an den Geheimen Rat von Linden, daß der junge Balthasar für die Lehrerstelle ungeeignet sei.

Am 14. 3. 1801 schreibt das Höchster Oberamt an die Mainzer Landesregierung, daß nunmehr das Antoniterhaus als Träger der Schule den Joseph Müller, vormals Lehrer zu Schwalbach, als Nachfolger für den verstorbenen Lehrer Tobias Klug vorschlägt. Es heißt in dem Schreiben wörtlich: Wir müssen dabei pflichtschuldigst bemerken, daß der vorgeschlagene Müller ein geprüftes normal-schulmäßiges Subjekt der ersten Klasse von den besten moralischen Punkten sei, der alle zur hiesigen Schullehrerstelle erforderlichen Kenntnisse und Eigenschaften besitzt. Während der 10-jährigen Tätigkeit in der Schwalbacher Schule sei nicht ein einziges Mal Anlaß zu Klage gewesen. Der Balthasar Klug hingegen wegen seiner Jugend und noch unvollständigen Kenntnisse für das Amt nicht geeignet sei. Es ist nicht bekannt, ob der Balthasar Klug evtl. als zweiter Lehrer an die Höchster Schule kam.

Quellen:
Kirchenbucharchiv Limburg:
Kirchenbücher von Burgholzhausen, Fischbach, Marxheim, Münster, Neuenhain, Niederhöchstadt, Oberjosbach, Schwalbach, Sossenheim
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abt. 330 XI 2 (1-9), Abt. 106 Nr. 1072

Bilder:
Abb. 1: Ausschnitt aus der Karte von "1670" (1770?), im Besitz der Familie Schulnick
Abb. 2: Foto von Michael & Michaela Geisler

Erläuterungen:
Im Artikel werden die Maße "Schuh" und "Malter" benutzt sowie einige Begriffe aus dem Geldwesen. Heute ist immer schwierig, für die genannten Maße den entsprechenden Wert unseres metrischen Systems zu finden. Von Staat zu Staat variierten sie sehr, sogar innerhalb eines Staates konnte es Unterschiede geben, in besonderen Fällen benutzte man auch nicht das eigene Maß, sondern das eines anderen Staates, so war z.B. die Größe von Soldaten im 18. Jahrhundert oft in französischen oder preußischen Schuh angegeben, da dies die führenden Militärmächte in Europa waren. Wer sich heute in Schwalbach in die S- Bahn setzt und an der Hauptwache aussteigt, dem ist selten bewußt, daß er mehrere Staaten durchquert hätte, würde er im 18. Jahrhundert leben. Schwalbach war kurmainzisch, Rödelheim gehörte zu Solms- Rödelheim, Bockenheim (Frankfurt-West) zu Hessen-Hanau bzw. Hessen-Kassel, und Frankfurt selbst war eine freie Reichstadt. Und jeder dieser Staaten hatte Unterschiede in den Maßen, Gewichten und Währungen. Nachfolgend werden einige Beispiele für die o.g. Begriffe gezeigt.

Schuh:
Längenmaß, auch Fuß genannt, ca. 30 cm, wird heute noch im englischsprachigen Sprachraum benutzt, dort 30,48 cm; in Frankfurt 28,5 cm, in Gießen 29,8 cm, in Aschaffenburg 28,8 cm, im Rheinland bzw. Preußen 31,4 cm, in Wien 31,6 cm

Malter:
1. ein Hohlmaß für Getreide, man unterschied zwischen "Schwerer Frucht" (um 1790 etwa 170 Pfund) und "Leichter oder Sommerfrucht" (um 1790 etwa 130 Pfund); in Frankfurt 114,74 Liter, im Großherzogtum Hessen 128 Liter, in Teilen Kurhessens 642,95 Liter, in Preußen 695,5 Liter.
2. Holzmaß, 80 Kubikfuß = 1,99 m3 (im Harz)

Währung seit Ende des 16. Jh.:
1 Gulden (fl. = Florinus) = 2/3 Taler = 30 Albus = 60 Kreuzer (kr.) = 240 Pfennige

Aus:
Heimat & Geschichte Schwalbach am Taunus
Ausgabe 1 - Juni 2007

Auflistung der Einkünfte:

an Geld auß der Kirch 

16 fl.

 an Schulgeld

67 fl.

an Korn 7 Malter per 4 fl. 30 kr.

31 fl. 30 kr.

an 3 gäng brod 7 Malter

31 fl. 30 kr.

vom Cameralgut 1/2 Malter

6 fl. 45 kr.

an Uhrkorn 1 Malter

4 fl. 30 kr.

8 Malter Haber (= Hafer) per 1 fl. 50 kr.

14 fl. 40 kr.

vom Cameralgut 1/2 Fuder Stroh

2 fl.

von jedem Begräbnis 36 kr. Laib brod

 

kann ein jahr in daß andere ertragen

5 fl. 36 kr.

von Copulationen p 20 kr. Ohngefehr

2 fl.

Summa

181 fl. 31 kr.

Nachtrag:
Valentin Müntzenthaler stammte aus Algesheim und heiratete 1715 in Mainz Anna Margaretha Oswald verwitwete Seibel, zwei Kinder sind aus dieser Ehe bekannt. Ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 1721 in Mainz Anna Dorothea Becker. Sohn Franz Lothar, der später Lehrer in Hornau und letztlich in Oberjosbach werden sollte, wurde 1722 in Mainz geboren, einer seiner Taufpaten war Lothar Franz von Schönborn.

Rätselhaft ist das Vorleben des Valentin Müntzenthaler, der ab 1723 als Lehrer in Sossenheim und ab 1729 als solcher in Schwalbach bezeugt ist, denn in den Kirchenbucheinträgen in Mainz erscheint er 1715 bis 1722 als Kaiserlicher Notar. Was hat einen in Mainz lebenden Juristen veranlaßt, sein Leben mit dem eines Dorfschullehrers in Sossenheim und Schwalbach zu tauschen?