Stolpersteine zur Erinnerung
Hochheim: Aktion zum Gedenken an verfolgte Juden / Spender gesucht
Von Barbara Helfrich

Mit Spiegelscherben versuchte Hugo Dreifuhs sich seine Pulsadern aufzuschneiden. Beim Novemberpogrom vor 70 Jahren hatten die Nationalsozialisten sein Textil- und Manufakturwarengeschäft in der Hochheimer Weiherstraße verwüstet. Kurz darauf stürmten sie sein Schlafzimmer und kippten einen schweren Eichenschrank um. Ein Spiegel ging zu Bruch, mit den Scherben wollte sich Dreifuhs das Leben nehmen. Der Kaufmann überlebte und floh später zu seinem Sohn Heinrich, der bereits 1936 nach Chicago ausgewandert war.

Eines der Schicksale, die Franz Luschberger in seinem 1988 erschienenen Buch „Juden in Hochheim" schildert. Für die Arbeitsgruppe, die jetzt daran arbeitet, daß auch in Hochheim Stolpersteine zur Erinnerung an die verfolgten Juden verlegt werden, war es eine wichtige Quelle. Gabriele Nick hat in den vergangenen Monaten die Namen 25 jüdischer Hochheimer recherchiert. Inge Schmollinger- Bornemann hat 15 Verfolgte ausfindig gemacht, die in Massenheim lebten.

2010 könnte der Künstler Günter Demnig die ersten Stolpersteine verlegen, sagt Friedhelm Henne vom Förderverein Hochheimer Heimat- und Stadtkultur. Beteiligt sind auch die Arbeitsgemeinschaft Alt- Hochheim und der Historische Verein. Die kreisweit ersten Stolpersteine hat Demnig im April 2008 in der Hofheimer Kernstadt verlegt. Im Stadtteil Wallau hatte das Projekt wenig später für Unmut gesorgt. Anwohner und Ortsbeirat fühlten sich bei der Planung übergangen. Die Hochheimer Arbeitsgruppe will zunächst die Hauseigentümer anschreiben, vor deren Tür Stolpersteine verlegt werden sollen. Für die Gedenksteine werden Spender gesucht, Henne veranschlagt die Kosten zwischen 5000 und 9000 Euro.

Stolpersteine Hofheim April 2008

In Hofheim wurden im April Stolpersteine verlegt, in Hochheim soll es 2010 so weit sein.

Anfang 1933 waren in Hochheim 30 Juden registriert, am ersten August 1939 meldete die Verwaltung die Stadt als „judenfrei". Das gleiche galt bereits 1935 für den Hochheimer Markt, den jüdische Händler seit dem 17. Jahrhundert geprägt hatten. Den meisten Hochheimer Juden gelang laut Henne die Flucht. Auch der Familie Frohwein, die in London eine gutgehende Metzgerei aufbaute. Andere entkamen nach Südafrika, Schanghai oder Belgien.

Doch nicht alle überlebten den Nationalsozialismus: Albert Lang aus Massenheim wurde 1942 mit seiner Frau Erna und der vierjährigen Tochter Ruth nach Polen deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Andere Hochheimer starben in Auschwitz und Dachau.

Frankfurter Rundschau – 4.12 .08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Ergänzung:

Den Holocaust nicht vergessen
Hofheim: Neue Stolpersteine zum Gedenken an jüdische Mitbürger

Eduard Adolf Kahn und seine Frau Emma hatten Glück: 1934 gelang den beiden die Flucht nach New York. Ihr Schuhgeschäft in Diedenbergen mußten die Kahns aufgeben. Wie sein Bruder Josef war Eduard Kahn im November 1933 anläßlich der „Erfassung der Juden und Freimaurer" als SPD-Anhänger an das Landratsamt gemeldet worden.

Einige Kunden hatten die Gunst der Stunde genutzt und blieben den Kahns den Kaufpreis für Schuhe schuldig, wohl wissend, daß Eduard Kahn nichts tun konnte, um sein Recht einzufordern. Das belegen Zeitzeugenberichte, die die Historikerin Anna Schmidt über die Hofheimer Juden gesammelt hat.

Seit gestern erinnern zwei in den Bürgersteig eingelassene Messingplatten vor dem Haus Casteller Straße 70 an das Schicksal des Ehepaars Kahn. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat die beiden   „Stolpersteine"  verlegt und dazu zwei Dutzend weitere an Adressen in den Stadtteilen Diedenbergen und Wallau.

Längst nicht alle jüdischen Bürger, derer auf diese Weise gedacht wird, konnten sich vor dem Naziterror in Sicherheit bringen. Viele Schicksale sind ungeklärt, so etwa das von Johanna Friedberg, der Tochter des Viehhändlers Kahn aus der Marxheimer Straße 9 in Diedenbergen. Sie wurde 1942 ins Ghetto Piaski deportiert, dort verliert sich ihre Spur. Ihre Schwester Franziska Hirschmann kam 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben.

Für Mitglieder der Familien Leopold und Levi sind Stolpersteine in Wallau vor den Häusern in der Langenhainer Straße 14 und in der Bleichstraße 12 verlegt worden. Mina Leopold und Selma Levi entstammten der alteingesessenen Wallauer Familie Falk.

Mit Ehemann und Kindern mußten sie von November 1941 an im sogenannten Judenhaus in der Wiesbadener Straße 8 wohnen; Adolf Leopold starb dort 1942 unter ungeklärten Umständen, die anderen Familienmitglieder wurden verhaftet und in den Osten deportiert. Einzig Selma Levis Sohn Felix gelang 1939 die Flucht nach Skandinavien. Er hat den Holocaust überlebt.

Frankfurter Rundschau - 14.10.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR