Keine Dauerwellen für Zwangsarbeiter

Von Manfred Becht

Schwalbach. Groß sei die Überraschung gewesen, als im vergangenen Jahr bei einem Vortrag des Historikers Bernd Vorlaeufer-Germer in der Limesgemeinde erwähnt wurde, dass es in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auch in Schwalbach ein Zwangsarbeiterlager gegeben habe, erinnert sich Günter Pabst, Stadtverordneter und Mitglied im Arbeitskreis „Heimat und Geschichte“. Dabei müßte diese Überraschung nicht sein. Schon Mitte der 90er Jahre wurde in einer Publikation des Studienkreises Deutscher Widerstand über ein solches Lager in Schwalbach berichtet.

Freilich sind die Informationen dürftig, Pabst möchte mehr herausfinden und bittet alle Leute um Hinweise, die sich an entsprechende Einzelheiten erinnern können.

Dass Zwangsarbeiter aus besetzten Gebieten auch in Schwalbach eingesetzt wurden, war von vornherein zu vermuten, denn dies war praktisch in der gesamten Region der Fall. In der Regel waren sie in der Landwirtschaft und in Haushalten eingesetzt. Beteiligt waren Zwangsarbeiter auch am Bau des ehemaligen Militärflugplatzes Eschborn, der zum Teil auf Schwalbacher Gemarkung lag. Wegen dieses Flugplatzes war Schwalbach von den alliierten Bombenangriffen stark betroffen. Mit 121 zivilen Toten gab es hier mehr Opfer als in jedem anderen Ort des Main-Taunus-Kreises.

Unklar ist, ob in Schwalbach untergebrachte Zwangsarbeiter beim Flughafenbau halfen, möglich scheint dies schon. Unklar ist auch, wo sie untergebracht waren. Gerade die in der Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter lebten oft gleich mit auf dem Hof. Im „Heimatgeschichtlichen Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung“, herausgegeben vom Studienkreis Deutscher Widerstand, ist die Rede von einem „gemeindeeigenen Lager“.

Die Gemeinde meldete im April 1943, dass dort 27 Männer wohnten, die aus der Sowjetunion verschleppt worden waren. In Quellen des Hessischen Hauptstaatsarchives wird dies noch weiter aufgeschlüsselt, demnach waren es 22 Ukrainer, ein Russe und vier Weißrussen. Außerdem gab es in Schwalbach noch Zwangsarbeiter aus Polen, und zwar schon drei Jahre früher.

Der damalige Pfarrer Karl Lenferding vermerkte 1940 in der Pfarrchronik von St. Pankratius, es habe eigene Gottesdienste für polnische Kriegsgefangene gegeben, während polnische Zivilisten sich an den regulären Gottesdiensten beteiligten. Dann sei durch den NSDAP-Gauleiter allerdings jede Benutzung der Kirche durch polnische Katholiken verboten worden.

Ohnehin scheint man den Zwangsarbeitern, damals offiziell „Ostarbeiter“ genannt, in Schwalbach mehr Freiheiten eingeräumt zu haben als vorgesehen. In einem Schreiben der Geheimen Staatspolizei an den Bürgermeister hieß es, bei einer Dienstfahrt sei festgestellt worden, dass sich die Ostarbeiter in Schwalbach „im allgemeinen völlig frei im Ort herum“ bewegen. Das vorgeschriebene Kennzeichen habe keiner getragen. „Zum Teil besuchen die Ostarbeiter sogar deutsche Gasthäuser“, heißt es. Das Schreiben liegt dem Stadtarchiv Eschborn vor.

Und dann wird massiv gedroht: „Weiter sind die deutschen Arbeitgeber nachdrücklich darauf hinzuweisen, das sie in ihrem eigenen Interesse auf die Einhaltung der Vorschriften bedacht sein mögen, da in Zukunft bei festgestellten Verstößen rücksichtslos mit Festnahme eingeschritten wird und auch gegen die deutschen Personen, die ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt haben, staatspolizeiliche Zwangsmaßnahmen angewendet werden.“

Und dann legte sich Gestapo noch auf eine weitere Einzelheit Wert: Die Friseure hätten die Haarpflege der Zwangsarbeiter auf Waschen und Scheiden zu beschränken. Dauerwellen und Ondulation komme nicht in Frage. Andernfalls könnten die Betriebe geschlossen werden – der Bürgermeister gab dies unverändert an die örtlichen Friseure Franz Kreiner und Otto Pfaff weiter. Als Anfang 1945 die amerikanischen Truppen näher rückten, waren es Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die auf dem Kirchturm eine weiße Fahne hißten und somit möglicherweise ein weiteres Blutvergießen verhinderten. Später lebten noch etwa 200 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion in Baracken der Flakstellung, die sich etwa dort befand, wo heute das Limes-Einkaufszentrum ist.

Wer weitere Informationen rund um die Zwangsarbeiter hat, kann sich unter der Telefonnummer (0 61 96) 8 62 88 mit Günter Pabst in Verbindung setzen.

Karteikarte eines Zivilarbeiters aus der SU

Höchster Kreisblatt - 9.2.07 - mit freundlicher Erlaubnis des HK