Historische Puzzlearbeit in Eschborn:
Heimatforscher untersucht die alten Flurnamen in Niederhöchstadt

Von Claudia Horkheimer

Wo heute Hochhäuser, Gewerbegebiete und Autobahnen die Landschaft völlig verändert haben, weisen oft nur noch alte Flurnamen darauf hin, wie es früher einmal aussah. Doch auch diese alten Bezeichnungen sterben aus. Die meisten wurden bereits bei der preußischen Flurbereinigung 1869 getilgt und erscheinen in der noch heute gebräuchlichen Einteilung der Parzellen nach Nummern nicht mehr. „Das ist für einen Forscher frustrierend", sagt Gerd S. Bethke.

Der Heimatforscher aus Leidenschaft wandelt seit zehn Jahren auf den Spuren alter Flurbezeichnungen wie „Haingraben" oder „Wöhlingsfeld". Dabei versucht er herauszufinden, was die Namen über die früheren örtlichen Gegebenheiten oder die Besitzverhältnisse aussagen. Nach diesen Bezeichnungen wurden auch häufig Straßen und Wege benannt.

Nachdem der gebürtige Stuttgarter Bethke sämtliche Ortsteile von Kelkheim erforscht hat, wo er seit 35 Jahren lebt, wendete er sich nun Eschborn zu. Sein neuestes Nachschlagewerk, entstanden im Auftrag des Eschborner Stadtarchivs, ist 70 Seiten stark und befasst sich mit den alten Geländebezeichnungen in Niederhöchstadt.

Sumpf oder Ruinen

In monatelanger Arbeit durchforstete er Archive, wertete alte Bücher aus und studierte Katasterpläne. „Ich ging aber auch hinaus ins Gelände, um zu schauen, wie es vor Ort wirklich aussieht, etwa ob es da einen Bach oder eine Erhebung gibt." Die Karten bearbeitete er dagegen am Computer. Insgesamt wertete er so 5000 Grundstücke in Niederhöchstadt aus. „Es ist die Puzzlearbeit, die mich reizt", sagt der 65-Jährige.

So erfährt man etwa, daß es sumpfig war wie am „Bruchborn" oder daß vor Jahrhunderten noch Überreste eines fast 2000 Jahre alten römischen Gebäudes zu sehen waren, wie Bethke beim „Mauernfeld" vermutet. Dieses lag im nordwestlichen Zipfel von Niederhöchstadt. In der Nähe wurden erst 1987 Reste eines römischen Gebäudekomplexes gefunden.

Auch frühere Besitzverhältnisse werden häufig in den Namen deutlich. „Gewanne wurden nach dem Besitzer und den Nachbarn benannt", erklärt Bethke. Auch Lehensbeziehungen oder Herrschaftliche Ansprüche schlugen sich nieder. „In den Zehntfreien" etwa: Das Land unterlag nicht der Steuerpflicht, schreibt Bethke. Ein anderes Beispiel ist der „Kleine Bauacker" auf der heutigen Flur 5 (An der Grenze). Er ist nach dem Baugut benannt, das dem Unterhalt des Kronberger Kirchenbaus diente. Ein anderes Puzzleteilchen in Niederhöchstadt waren beispielsweise die zahlreichen Namen, die das Wort „Mühle" enthielten. „So konnte Bethke nachweisen, daß es außer der bekannten Mühle

schon früher eine weitere gegeben haben muß", freut sich Stadtarchivar Gerhard Raiss, der Bethke bei seiner Arbeit unterstützt.

Als nächstes will Bethke die Flurnamen der Stadt Eschborn ins Visier nehmen. 10 000 Grundstücke hat der studierte Soziologe hier zu beackern. Niederhöchstadt sei deshalb eigentlich nur die „Fingerübung" gewesen, sagt er schmunzelnd.

Das Büchlein „Die Flurnamen der Stadt Eschborn 1 - Niederhöchstadt" ist für eine Schutzgebühr von 1,50 Euro im Museum zu bekommeGerd S. Bethken.

Spürnase in Sachen Heimatgeschichte:
Gerd S. Bethke.

Frankfurter Rundschau - 8.4.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Lesen Sie zum selben Thema auch den Bericht der Eschborner Nachrichten:

Die Flurnamen von Niederhöchstadt

ESCHBORN. Bürgermeister Wilhelm Speckhardt hat eine Museumsschrift vorgestellt, die sich mit den Flurnamen von Niederhöchstadt beschäftigt. Die Bedeutung der Flurnamen als Quelle für Sprach- und Geschichtsforscher ist seit langem bekannt. Da die Flurnamen zu den ältesten überlieferten Bezeichnungen der Feldfluren zählen, geben sie vielfach gute Hinweise auf Eigenheiten oder Besonderheiten in der Gemarkung, sei es der Verlauf von Gewässern, bestimmte Geländemerkmale oder Eigentumsverhältnisse in früherer Zeit.

Auf dem Weg über diese alten Namen kann der Heimat- und Geschichtsforscher die Entwicklung der Gemarkung und die Veränderungen in der Landschaft im Laufe der Jahrhunderte erkennen.

Dr. Gerd Bethke, der die Schrift über die Flurnamen von Niederhöchstadt im Auftrag des Stadtarchivs Eschborn bearbeitet und verfaßt hat, ist ein Fachmann auf diesem Gebiet, der durch zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema in Fachkreisen wohl bekannt ist.

Begonnen hat Bethke mit der Sammlung und Deutung der Niederhöchstädter Flurnamen. Es bot sich an, das Ergebnis der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und als Heft 4 der „Eschborner Museumsschriften" herauszubringen.

Die Broschüre ist mit interessanten Abbildungen alter Flurkarten und Plänen der Niederhöchstädter Gemarkung und der Ortslage ergänzt.

Die Veröffentlichung kann ab sofort gegen eine Spende von 1,50 Euro im Museum erworben werden. Bereits in Vorbereitung ist, vom gleichen Autor, eine ähnliche Arbeit über die Flurnamen der Gemarkung Eschborn.

Eschborner Nachrichten - 7.4.09 - mit freundlicher Erlaubnis der Eschborner Nachrichten

 

Und dazu der Bericht des Höchster Kreisblattes:

Ein Hobbyhistoriker, der Puzzlearbeit liebt

Das vierte Heft der Museumsschriften befaßt sich mit den Bezeichnungen in der Gemarkung. Ein fünfter Band über die Eschborner Flurnamen ist derzeit in Arbeit.

Eschborn. Bubenhain und Büttelwiese, Froschgraben, Holzweg, Katzenforst, Pfaffengut und Tippeschnepp – wer wissen will, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt, kann jetzt auf ein kleines, aber feines Nachschlagewerk zurückgreifen. Ein sachlich fundiertes Lexikon der Flurnamen für die Gemarkung Niederhöchstadt hat der Ruppertshainer Gerd S. Bethke im Auftrag des Eschborner Stadtarchivs erstellt. Als viertes Heft der Eschborner Museumsschriften ist es jetzt in einer Auflage von 750 Exemplaren herausgegeben worden.

«Dabei muß man hervorheben, daß der Autor kein Honorar genommen hat», lobt Museumsleiter und Stadtarchivar Gerhard Raiss. Er hat durch die Arbeit noch viel Neues erfahren. So etwa, daß die heutige Mühlstraße, früher Mühlweg, eigentlich eine irreführende Bezeichnung ist, die ein preußischer Katasterbeamter erfunden hat. Flurnamen Nhö002

Viele Lücken entdeckt

Bethke, der studierter Soziologe ist und zeitweise in der Entwicklungshilfe tätig war, sagt: «Geschichte und Kartographie haben es mir schon immer angetan.» Gerade in der Aufarbeitung der hiesigen Historie hat der gebürtige Stuttgarter, der seit 35 Jahren im Main-Taunus-Kreis lebt, «viele Lücken entdeckt» und sich daran gemacht, einige zu füllen. So hat er die Flurnamen aller Kelkheimer Stadtteile zusammengestellt. Eine Museumsschrift über die Flurnamen der Eschborner Gemarkung ist in Arbeit.

Für die Darstellung der Niederhöchstädter Flurnamen hat Bethke viele Monate in Archiven und Katasterämtern verbracht, ist auf Äckern umhergelaufen, um Bezeichnungen vor Ort zu lokalisieren, hat Flurkarten gesichtet und im Computer erstellt, die der Museumsschrift auch beigefügt sind, ebenso wie ein Abriß der historischen Entwicklung Niederhöchstadts und seiner Flurnamenlandschaft. «Ich liebe diese Puzzlearbeit, bei der sich eins zum anderen fügt, bis es ein Bild ergibt», sagt Bethke. Flurnamen erzählen Geschichten von der Geschichte, sie verweisen auf Geländemerkmale, Tätigkeiten der Menschen und Besitzverhältnisse. Sie sind eine unschätzbare Quelle, um zu erfahren, wie es einmal war, und was sich verändert hat.

Ein wichtiges Arbeitsmaterial für Bethke sind die Stockbücher (im Sinne von Grundstock, Grundvermögen), in die ab 1853 alle Grundstücke nach Besitzern eingetragen wurden. Im Buch von 1853 sind für Niederhöchstadt 170 Flurnamen verzeichnet. «Die preußische Regierung, in deren Herrschaftsgebiet Niederhöchstadt damals fiel, ließ 1869 die Gemarkung neu vermessen und auf 14 Blättern kartieren. Dabei blieben 85 offizielle Flurnamen übrig», so Bethke. Rechtlich verlieren die Flurnamen jedoch als Merkmal der Flurstücke ihre Bedeutung. «Zwischen 1876 und 1880 wird noch einmal eine tiefgreifende Flurbereinigung, Konsolidierung genannt, vorgenommen», so Bethke. Wieder fallen 25 Prozent der Flurstücke weg zugunsten der Bildung größerer Distrikte, auch die Wege- und Gewässerführung wird verändert. Ku

Höchster Kreisblatt - 11.4.09 - mit freundlicher Erlaubnis des HK

Werfen Sie jetzt schon einen Blick auf unsere Karte mit den Flurnamen. Mehr...