Schätze aus dem Sperrmüll Von Anne Zegelman Die Aufnahmen sind teilweise mehr als 100 Jahre alt. Die bis zum 13. September ausgestellten Bilder stammen aus dem Nachlaß der Industriellenfamilie Luce. Eschborn. Ganz allein steht das Mädchen am Strand. In den Händen hält es ein kleines Segelschiff aus Holz, während im Hintergrund Wellen tosend auf den Sand schlagen. Obwohl die Aufnahme den Eindruck erweckt, als wäre das Mädchen mit den dunklen Haaren mitten in der Szenerie, wurde die Fotografie der kleinen Margarete Luce vor über 100 Jahren im Studio des Fotografen aufgenommen. Der tadellose Sitz von Frisur und Matrosen-Kostüm ist nur ein Hinweis darauf. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich auch das Meer im Hintergrund als Gemälde. Alte Fotos aus der Sammlung des Stadtarchivs gibt es nun im Museum am Eschenplatz zu sehen. Die 25 Aufnahmen aus dem 19. Jahrhundert in sepia (gelblich-bräunliches Aussehen) und schwarz-weiß werden bis Sonntag, 13. September, ausgestellt sein. Stadtarchivar Gerhard Raiss hatte die Fotografien in der Alten Mühle entdeckt, die zuvor im Besitz der Industriellenfamilie Luce war, und vor dem Sperrmüll gerettet. Die Erben hatten kein Interesse an den Fotos, die über 100 Jahre alt sind. Raiss nahm die losen Fotos sowie das elegante Fotoalbum mit silberner Schließe, in dem Carte-de-visite-Aufnahmen im Spielkartenformat aus der Mitte des 19. Jahrhunderts enthalten sind, für das Archiv an sich. Vergrößerungen gefertigt Genau um Details geht es ihm jedoch, denn sie sind für den Historiker vor allem interessant. Ob die aufgerüschte alte Dame im Sessel, die elegante Hausherrin im Kleid aus Brüsseler Spitze oder der kleine Junge mit Reitpeitsche und Gamaschen: Sowohl die Kleidung als auch die Kleinigkeiten bei der Gestaltung des Fotos lassen Rückschlüsse auf das Leben der damaligen Zeit zu. «Diese Bilder haben eine Aussagekraft losgelöst von den Personen, die heute niemandem mehr bekannt sind, auch den Erben der Familie Luce nicht», erklärt Raiss. «Aufgrund der Aufnahmen kann man auf den sozialen Stand der Fotografierten schließen. Sie haben keine abgearbeiteten Finger und keine schmutzverkrusteten Schuhe, sondern tragen Schmuck, Hüte und gepflegte Kleidung.» Ohnehin sei die Fotografie im 19. Jahrhundert wohlhabenden Menschen vorbehalten gewesen. Eine besondere Raffinesse waren Portrait-Aufnahmen in der freien Natur: Ein elegantes Paar ließ sich in der Sommerfrische von einem hiesigen Fotografen vor den Triberger Wasserfällen ablichten. Das Wasser ist in Bewegung und verwischt, während die Gesichter rund drei Minuten lang unbeweglich bleiben mußten. Die Fotos der Familie Luce sind die erste Ausstellung dieser Art im Museum am Eschenplatz. «Natürlich habe ich auch in der Vergangenheit immer einmal wieder Foto-Ausstellungen organisiert, zum Beispiel zum Thema Feuer und Schule», so Raiss. Doch dies war meist im Rahmen eines Festes wie dem Eschenfest, weshalb die Bilder nur wenige Tage lang zu sehen gewesen sein wären. Vertrauen ins Papier Höchster Kreisblatt - 13.7.09 - mit freundlicher Erlaubnis des HK |