Der Dekan August Mencke und Eschborn
GERHARD RAISS

Unter den Ehrengräbern mit ewigem Ruherecht auf dem alten Teil des Eschborner Friedhofs fällt ein Grab besonders auf; in ihm liegt der frühere Eschborner Dekan August Hermann Mencke begraben. Was bedeutet dieser Mann den Eschbornern, daß man ihm eine solche Ehre zuteil werden ließ?

Am 27. Juni 1834 wurde August Hermann Mencke in Niedertiefenbach (im heutigen Rhein-Lahn-Kreis) als Sohn des Pfarrers Friedrich Ludwig Mencke und seiner Ehefrau Karolina Wilhelmine Catharine geb. Dörr geboren.
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Dekan August Mencke
(Foto: Stadtarchiv Eschborn, Bildersammlung)

Er besuchte die dortige Volksschule, erhielt allerdings zusätzlich, auf Wunsch der Eltern, ab seinem 8. Lebensjahr zusammen mit seinem Bruder Eilard privaten Unterricht in Latein.

Im April 1847, zu Ostern, werden die beiden Brüder mit einem Pferdegespann und ihrem Gepäck bei hohem Schnee über Limburg nach Weilburg gefahren. Hier holt sie ihr Onkel Karl Mencke, Professor am Weilburger Gymnasium, am nächsten Morgen ab. Sie müssen sich dort einer Aufnahmeprüfung unterziehen, die aber für beide nicht günstig ausfällt, sie fallen durch die Prüfung. In Latein sind sie gut vorbereitet, aber in einigen Nebenfächern erreichen sie die geforderte Leistung nicht, was zu Folge hat, daß sie erst einmal in die Sexta eingeschult werden.

Mittels Nachhilfe und durch fleißiges Lernen dürfen sie bereits an Pfingsten in die nächst höhere Klasse, die Quinta überwechseln. An Ostern 1853 besteht August Mencke seine Abschlußprüfung („Maturitätszeugnis") am Herzoglichen Gymnasium in Weilburg mit ausgezeichneter Beurteilung und beginnt ein Studium der evangelischen Theologie, erst an der Universität Göttingen, dann in Heidelberg und Halle-Wittenberg. Schließlich wechselt er, immer noch zusammen mit seinem Bruder Eilard, der das gleiche Studienfach wie er gewählt hat, ab 1855 an die Hohe Schule (Prediger-Seminar) nach Herborn. Am 30. November 1856 besteht er das Zweite Theologische Examen und wird ordiniert.

Noch im Dezember des gleichen Jahres wurde er als Vikar mit der Verwaltung der Pfarrstelle in Strinz-Trinitatis, heute ein Ortsteil von Hunstetten, betraut. Auf seiner ersten Stelle begann er in der Adventszeit gleich mit dem vollen Dienst; es war ein guter Beginn. Seine Eltern wohnten inzwischen im in der Nähe gelegenen Dörsdorf, wo sein Vater die dortige Pfarrstelle innehatte. Allerdings mußte August einen Fußweg von drei Stunden auf sich nehmen, wenn er seine Eltern besuchen wollte. Er tat es dennoch häufig, nicht zuletzt um von den elterlichen Vorräten aus Haus und Garten etwas mitzunehmen.

Die umsichtigen Eltern schickten ihrem Sohn August seine ältere Schwester Luise nach Strinz-Trinitatis, um ihm den Haushalt zu führen. Dies bedeutete eine große Erleichterung für ihn.

Seine finanzielle Situation war in den Anfangsjahren seiner Tätigkeit als junger Vikar nicht sehr günstig.

Allerdings durfte er nicht für lange auf seiner ersten Stelle bleiben. Bereits im Oktober 1857 wurde er als Kaplan, so die damalige Bezeichnung, nach Dietz berufen. Bei spärlicher Besoldung hatte er dort beruflich eine Menge zu leisten, jeden Sonntag eine Nachmittagspredigt, außerdem war der Pfarrer in Diez auch gleichzeitig Lehrer an der dortigen Realschule.

Das ging so bis zum 24. Oktober 1863, als ihm die Pfarrstelle in Dickschied, heute ein Ortsteil von Heidenrod (Rheingau-Taunus-Kreis), übertragen wurde. Diese Stelle führte ihn in eine äußerst abgelegene Gegend, fast vier Stunden Fußweg zum nächsten Städtchen, drei Stunden bis zum Rhein.

Am 25. April 1864 heiratete er Hermine Rhod (* 1845), die Tochter eines Pfarrkollegen aus Manenfels. Die Ehe wurde bereits im September des Jahres 1866 mit der Geburt eines Knaben, Albert Friedrich, gesegnet. Bereits zwei Jahre später verstarb der kleine Junge allerdings an der damals grassierenden Diphtherie.

Ein Jahr später, im Oktober 1867, folgte Menckes Versetzung auf die Pfarrstelle nach Niedershausen bei Weilburg, was seinen Umzug dorthin zur Folge hatte. Im Juli 1868 wurde der Sohn Oskar geboren. Im November 1870 war die Geburt eines Sohnes Arnold zu vermelden, der aber bereits 1877 im Alter von sieben Jahren ebenfalls an Diphtherie verstarb.

Im Juni 1873 wurde eine Tochter mit Namen Marie geboren, die ebenso wie vorher ihre beiden Brüder in jungen Jahren an Diphtherie erkrankte und im Alter von nur vier Jahren 1877 ihr Leben ließ. Mencke hatte damit drei seiner vier Kinder verloren. Im selben Jahr verstarb, wahrend eines Besuches bei ihm, auch seine Schwester Emma an Lungenentzündung.

Am 20. Mai 1874 schließlich verliert August Mencke seine Frau Hermine infolge einer Typhuserkrankung. Innerhalb von wenigen Jahren hatte er so auf tragische Weise fast seine gesamte Familie verloren, geblieben war ihm einzig der Sohn Oskar.

Nach diesen Schicksalsschlägen wollte er nicht mehr länger in Niedershausen bleiben. Er bewarb sich um die begehrte Pfarrstelle in Eschborn - und hatte Erfolg. Ab dem l. Oktober 1877 tritt er die Pfarrstelle an. Zehn Jahre später, 1887 wird er zusätzlich mit der Führung des Dekanates Kronberg betraut und am 24 Februar 1890 offiziell zum Dekan des Dekanates Kronberg ernannt.

Zwischen 1891 und 1895 bereitet er in Eschborn seinen Sohn Oskar und seinen Neffen Hugo auf den Besuch des Gymnasiums vor. Die Nähe Eschborns zu Frankfurt kam Oskar, der dort die höhere Schule besuchen konnte, besonders zustatten.

Nur zwei Mal in seinem gesamten dienstlichen Leben hatte er um Urlaub ersucht, 14 Tage verbrachte er in Sassnitz und 1904 besuchte er für zwei Wochen die Insel Borkum. Während der ganzen Zeit erfreute er sich immer körperlicher und geistiger Frische.

Am 18. Januar 1903 wurde ihm für seine Verdienste vom König von Preußen der Rote Adler-Orden 4. Klasse verliehen. Eigentlich wollte Mencke nun in den wohlverdienten Ruhestand gehen, allein seine Dienstvorgesetzten bewogen ihn, noch etwas länger mit der Pensionierung zu warten.

Seit dem Tode seiner Frau Hermine führt ihm seine zwei Jahre jüngere Schwester Wilhelmine den Haushalt, sie unterstützt ihn auch bei der Erziehung des Sohnes Oskar.

An Weihnachten 1904 erkrankt er ganz plötzlich an Atemnot und Herzbeschwerden. Er kann seinen Pfarrdienst nicht mehr ausüben, ist sehr schwach, oft muß er im Bett liegen. Im Frühjahr 1905 erfährt sein Zustand eine leichte Besserung. Auf Veranlassung seines Arztes machte er eine sechswöchige Kur im benachbarten Bad Soden und fühlt sich danach besser.

Ja, es gelingt ihm ab und zu, wieder die Kanzel zu besteigen und zu predigen. Er führt Verhandlungen in seiner Eigenschaft als Dekan. Im Frühjahr 1906 wollte er endgültig in Pension gehen. Dazu kam es leider nicht mehr. Er erleidet einen heftigen Rückschlag und verstirbt am 11. Dezember 1905 im 72. Lebensjahr an Herzmuskelschwäche in Eschborn im Pfarrhaus.

Seine Beerdigung fand am 14. Dezember 1905 unter außerordentlich großer Beteiligung der Bevölkerung sowie der geistlichen und weltlichen Obrigkeit statt. Nach einem öffentlichen Gebet am Pfarrhaus wurde anschließend der Trauergottesdienst in der ev. Kirche Eschborn abgehalten. Generalsuperintendent D. Maurer hielt die Leichenpredigt (Matth. 25,21), andere Pfarrkollegen wirkten mit, Eschborner Gesangvereine trugen Liedbeiträge vor, die Gemeinde, die örtlichen Vereine und die Schule legten am Sarg Kränze nieder und gedachten des verehrten Toten in Nachrufen.
Mencke Todesanzeige

Todesanzeige (Höchster Kreisblatt, 12. Dezember 1905)

August Menckes Tod war ein großer Verlust für die Gemeinde Eschborn und das gesamte Dekanat Kronberg. Sein weit über den Beruf hinausgehendes ehrenamtliches Wirken unter anderem im Vorstand des Pfarrervereins, des Diakonievereins, des Gustav-Adolf-Vereins, des Roten Kreuzes, der Evangelischen Vereinigung, seine segensreiche Tätigkeit in der Kreissynode und der Bezirkssynode hinterließen eine große Lücke. Durch sein ruhiges und besonnenes Wesen und seine reiche Erfahrung war er überall als Kollege und Mitarbeiter willkommen und hochgeschätzt.

August Menckes Sohn Oskar, der in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters trat und ebenfalls Theologie studierte, oblag es, den letzten Willen seines Vaters zu erfüllen. Er tat dies im Bewußtsein, daß sein Vater ein Leben lang der Diakonie verbunden war.
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Grabstein Dekan Menckes auf dem Friedhof in Eschborn
(Foto Stadtarchiv Eschborn Bildersammlung)

Ganz in diesem Sinne verwendete er einen Großteil des väterlichen Nachlasses für diakonische Zwecke und brachte bereits im April 1906, also nur wenige Wochen nach dem Ableben des Vaters, die stolze Summe von 20.002,45 Goldmark in eine Stiftung ein. Das Geld war angelegt in einer Hypothek über 3.263,45 Mark, die an einen Privatmann in Unterliederbach vergeben war, zu einem Zinssatz von 4%, außerdem in verschiedenen Rentenpapieren und Aktien. Erwähnenswert sind dabei 4%-Anleihen der Republik Argentinien von 1898, Obligationen der Bayrisch-Pfälzischen Ludwigsbahn, der Bayrisch-Pfälzischen Nordbahn sowie Badische Eisenbahnanleihen zu 3,5%, sächsische Rentenpapiere und Anleihen des Deutschen Reiches zu 3 %.

Die Zinsen und Ausschüttungen dieser Wertpapiere und Anleihen sollten, laut Stiftungsurkunde vom 23. April 1906, „zur Errichtung und Unterhaltung einer Diakonissenstation in Eschborn verwendet werden".

Außerdem wurde aus dem Nachlaß des Vaters August Mencke eine Zimmereinrichtung für die Gemeindeschwester (Diakonisse) gestiftet, die unter anderem aus einem Bett mit Decken und Kissen, einem dreiteiligen Schrank für Kleider, Wäsche und Porzellan, einem Tisch mit Schublade, 4 Stühlen, einem Sofa, einem Waschtisch, einem Spiegel, einer großen und einer kleinen Lampe, einem Bettvorleger, diversen Bett-, Hand- und Tischtüchern, einer Kaffeedecke, einer Kommode, einer Waschgarnitur, Tassen, Tellern, Messern, Gabeln, zwei Bildern und einigen Wandsprüchen sowie einer Kaiserbüste bestand.

Die Gemeindeschwester müsse einem evangelischen Mutterhaus angehören und solle nicht nur Krankenpflegerin sein, sondern auch dem Pfarrer zur Hand gehen, soweit die Stiftungsurkunde.

Im Gegenzug verpflichtet sich die evangelische Kirchengemeinde Eschborn, das Grab und den Grabstein des verstorbenen Vaters in Stand zu halten. Das Stiftungsvermögen soll vom Kirchenvorstand gesondert verwaltet werden, unter der Oberaufsicht des Königlichen Konsistoriums. Die Stiftung soll den Namen „Dekan Mencke-Stiftung" tragen.

So hat der Sohn Oskar Mencke den letzen Willen seines sozial gesinnten Vaters umgesetzt, der oft genug während seiner Jahre in Eschborn erleben mußte, daß in der überwiegend landwirtschaftlich ausgerichteten Gemeinde Eschborn die Alten, die kranken und sterbenden Familienmitglieder nur bescheiden versorgt wurden, wenn zum Beispiel in der Erntezeit alle Familienmitglieder mit ins Feld mußten und die Kranken unversorgt zuhause lagen. Dem wollte er mit dieser Stiftung Abhilfe schaffen.

Im Jahre 1907 trat die erste Diakonisse, Schwester Mathilde Meurer (* 1881, + 1945), ihren segensreichen Dienst in Eschborn an.

Der dem Dekan August Mencke in Eschborn nachfolgende Pfarrer, Adolf Paul sen., schrieb wenige Jahre später „Schnell fand die neue Schwester (Mathilde Meurer) Arbeit und bald auch die Anerkennung der Gemeinde für ihre Hingabe und Treue".

Auf dem eingangs erwähnten Grab mit seinem hohen Grabstein, auf dem ältesten Teil des Eschborner Friedhofs, ist „der gute Hirte" in einem Halbrelief dargestellt, außerdem die Lebensdaten von August Mencke sowie der eingemeißelte Bibelspruch aus dem 1. Kor. 13, 8: „Die Liebe höret nimmer auf".

Auch wenn das Kapital der Stiftung durch Inflation und Währungsreform inzwischen geschwunden ist, so hat noch heute die gute Idee des Stifters ihre Gültigkeit.

Als vor fünf Jahren in der Hauptstraße auf dem Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde, neben dem evangelischen Gemeindehaus, vom „Evangelischen Verein für Innere Mission (EVIM)" ein Haus für betreutes Wohnen gebaut wurde, fiel es daher allen Beteiligten nicht schwer, dieses Haus „Dekan Mencke-Haus" zu nennen. Eine Bronzetafel erinnert - zu Recht - an den frühen Eschborner Wohltäter.

Quellen:

Stadtarchiv Eschborn
Pfarrarchiv der Ev. Kirchengemeinde Eschborn
Archiv der EKHN, Darmstadt
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Stadtarchiv Wiesbaden
Höchster Kreisblatt (Mikrofilm)
 

Bildnachweis:

Stadtarchiv Eschborn (Fotosammlung),
Fotosammlung Helmrich Mencke, Oberkirch

MTK-Jahrbuch 2006 - mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber